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Völkermord an Yeziden im Irak: Menschenrechtler sind von muslimischen Verbänden enttäuscht

Foto: Michael Wick, Shutterstock

Göttingen (GfbV). Kein einziger deutscher Islam-Verband hat auf den Aufruf reagiert, den Genozid an der yezidischen Bevölkerung des Irak vor acht Jahren in den Freitagspredigten zu thematisieren. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hatte alle deutschen Islamverbände mit der Bitte kontaktiert, sich unmissverständlich gegen die Gräueltaten des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) ab dem 3. August 2014 auszusprechen.

„Es ist sehr enttäuschend, dass kein einziger Verband dazu bereit war“, kritisiert der GfbV-Nahostexperte Dr. Kamal Sido. „Für ein friedliches Miteinander der Religionen im Irak aber auch in Deutschland ist das ein fatales Signal.“

Der Aufruf der Göttinger Menschenrechtsorganisation erreichte Anfang Juli neben deutschen Islam-Verbänden das sunnitische Stiftungsamt des Irak, die höchste religiöse Instanz der Schiiten im Irak, die Union muslimischer Gelehrter in der Region Kurdistan sowie die Internationale Union Muslimischer Gelehrter. Gläubige sollten aufgerufen werden, radikale Islamisten auch politisch und ideologisch zu bekämpfen. „Der Aufruf für ein Signal der Solidarität an eine von Muslimen bedrohte Glaubensgemeinschaft war den Verbänden nicht einmal eine Antwort wert“, so Sido. „Vor dem Hintergrund weltweiter religiöser Spannungen ist das Schweigen der Muslime in Deutschland zu von sunnitischen Extremisten begangenen Verbrechen mehr als bedauerlich.“

Gläubige Muslime hätten ein Zeichen für ein friedliches Miteinander aller Religionsgemeinschaften des Irak setzten können. Es hätte Angehörigen der yezidischen Gemeinschaft, sowie andere religiöse Minderheiten wie Christen oder Mandäer signalisiert, dass sie in ihrer Heimat Irak und Kurdistan willkommen sind. Diese demonstrative Solidarität der Religionsgemeinschaften sollte auch die Politik ermutigen, mehr zum Schutz von Minderheiten zu unternehmen.

Bei den Angriffen auf die yezidische Bevölkerung von Irakisch-Kurdistan wurden mindestens 5.000 Personen, die nicht zum Islam konvertieren wollten, von IS-Terroristen ermordet. Über 6.000 yezidische Frauen und Mädchen wurden entführt, vergewaltigt und auf Sklavenmärkten verkauft. Acht Jahre danach werden etwa 3.000 Menschen weiter vermisst. Etwa 135.000 Vertriebene leben immer noch in Flüchtlingslagern.

Weniger als 35 Prozent der vor dem IS Geflüchteten konnten in ihre Heimatregion Sinjar (Shingal) im äußersten Nordwesten des Landes zurückkehren. Insgesamt sollen dort heute weniger als 120.000 Menschen leben. Vor dem Genozid waren es mindestens 400.000. Seitdem haben schätzungsweise 100.000 Menschen den Irak verlassen. Die meisten dürften in Deutschland Zuflucht gefunden haben.

Der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat sich am 20. Juni 2022 für die Anerkennung des Genozides ausgesprochen. Mit einer Entscheidung des Bundestagsplenums wird noch in diesem Jahr gerechnet.

2 Kommentare zu “Völkermord an Yeziden im Irak: Menschenrechtler sind von muslimischen Verbänden enttäuscht

  1. Vielleicht sollte man Religion grundsätzlich nicht instrumentalisieren, weder in die eine noch in die andere Richtung? Weil sie nämlich kein Werkzeug ist, auch für die „Guten“ nicht? Ich könnte mir vorstellen, dass eine Predigt sich mit dem allgemeinen Verbot des Tötens beschäftigt – aber doch nicht damit, ein einzelnes Verbrechen vor allen anderen anzuprangern.

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