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Young Schura Niedersachsen im Gespräch: „Unglaublich viele Möglichkeiten“

Ausgabe 308

Foto: Young Schura Niedersachsen

Am 06.12.2020 fand die Gründungsversammlung der Young Schura Niedersachsen statt. Die Islamische ­Zeitung sprach mit den gewählten Vorsitzenden.

Islamische Zeitung: Liebe Frau Erden, lieber Herr Abdoul, würden Sie sich kurz vorstellen?

Ayşenur Erden: Ich heiße Ayşenur Erden. Ich habe Soziologie studiert und seit 2018 bin ich in der Young Schura aktiv. Allgemein bin ich seit 10 Jahren in der Gemeindearbeit aktiv, insbesondere in der Jugendarbeit. Bei der offiziellen Gründungsversammlung im Dezember wurden Tchadarou und ich zu den beiden Vorstandsvorsitzenden gewählt.

Abdoul Tchadarou: Mein Name ist Tchadarou. Ich bin 22 Jahre alt. Ich studiere Elektrotechnik im Bachelor und ab nächstem Semester Biomedizintechnik im Master. Ich bin Vorsitzender der Young Schura und daneben in der Taqwah Youth Group aktiv. Das ist die Jugendgemeinde der afrikanischen Moscheegemeinschaft in Hannover.

Islamische Zeitung: Warum wurde die Young Schura gegründet?

Abdoul Tchadarou: Das ist eine Idee, die seit längerem schon besteht, aber letztes Jahr im Sommer haben wir uns das erste Mal so richtig zusammengefunden. Wir haben die Young Schura Niedersachsen deshalb ins Leben gerufen, weil wir gemerkt haben, dass muslimische Jugendarbeit in Niedersachsen noch nicht die Anerkennung genießt und auch nicht dieselben Zugänge zu Ressourcen besitzt, die andere Vereine oder Verbände schon längst haben. Wir möchten, dass es insgesamt ein wenig gerechter wird.

Ayşenur Erden: Die Idee gibt es seit mehreren Jahren. Man muss sich vorstellen: Jugendarbeit ist geschützt, das heißt Jugendarbeit hat unglaublich viele Möglichkeiten, die die Erwachsenenarbeit nicht hat. Vor allem auf institutioneller Ebene, auf politischer Ebene und deshalb ist unsere Idee gewesen, die Muslime auf diesen Ebenen zu vertreten.

Islamische Zeitung: Welche Möglichkeiten haben die Jugendlichen, die die Erwachsenen nicht haben?

Ayşenur Erden: Es gibt jugendspezifische Projekte, Angebote und Förderungen. Um diese zu realisieren, gibt es finanzielle Töpfe vom Land, die nur für die Jugendarbeit bestimmt sind. Ich kenne mich hier nur in Niedersachsen aus und weiß nicht, wie das in anderen Ländern ist. Doch damit man Zugang erhält, muss man bestimmte bürokratische Hürden meistern, muss bestimmte Dinge erfüllt haben – von diesen Dingen wissen die muslimischen Jugendgemeinschaften nichts. Da möchten wir hin: Die Jugendarbeit professionalisieren. Sei es auf finanzieller Ebene oder ideeller. 

Abdoul Tchadarou: Dazu ergänzend: Es geht auch darum, dass die Jugendgruppen zusammenkommen und sich vernetzen, weil es schöner ist, wenn nicht jede Gemeinschaft für sich alleine nur unter sich ist, sondern wenn die Gemeinden zusammen überregionale Projekte machen.

Ayşenur Erden: Genau deshalb gehört es zu unserer Beschreibung, dass wir ein Zusammenschluss aus Jugendselbstorganisationen, muslimischen Jugendlichen und Jugendlichen allgemein aus Moscheegemeinden sind. Das heißt, wir sind kein einheitlicher Verband, sondern ein muslimischer Zusammenschluss aus ganz vielen Gruppen.

Islamische Zeitung: Welche Ziele hat Young Schura?

Abdoul Tchadarou: Bisher war Young Schura ein Modellprojekt, bei dem wir Jugendliche aus verschiedenen Jugendgruppen zusammengebracht haben. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Jugendarbeit der Muslime zu professionalisieren. Wir haben unterschiedliche Bildungsprojekte bereits verwirklicht, bei denen es unter anderem um antimuslimischen Rassismus und Diversität ging. Jetzt streben wir an, ein anerkannter Jugendverband zu werden, der dann auch in die höheren Förderstrukturen gelangen sowie Mitglied im Landesjugendring Niedersachsen werden soll.

Ayşenur Erden: Die Schura Niedersachsen besteht ja schon seit 2002. Sie kümmert sich um Dinge wie den Staatsvertrag, Seelsorge in den Gefängnissen et cetera, aber nie wurde ein Fokus auf die Jugendarbeit gelegt – und deshalb ist die Young Schura Niedersachsen ­fokussiert auf die muslimische Jugendarbeit: Empowerment von und für die muslimische Jugend.

Islamische Zeitung: Wie sieht die Arbeit konkret aus? Was ist im letzten Jahr passiert?

Abdoul Tchadarou: Wir haben verschiedene Standbeine. Zum einen Antidiskriminierung, andere sind Medienkompetenz und Öffentlichkeitsarbeit. Ein weiteres wäre Qualifizierung, was wir stärker in Angriff nehmen wollen. Wir haben verschiedene Projekte bereits verwirklicht, wo es darum ging, die ­Diversität in Niedersachsen aufzuzeigen und Antidiskriminierungsarbeit zu ­leisten.

Da haben wir zum Beispiel ein Videoprojekt gemacht, wo wir Jugendliche aus 13 verschiedenen Herkunftsländern zusammengebracht haben und sie befragt haben über Klischees, die über sie oder ihre Bevölkerungsgruppen kursieren. Ziel war es, dass sie sich einfach selbst dazu äußern konnten und wir ihnen als BPoCs die Möglichkeit geben, selbst für sich zu sprechen; statt wie es in Diskursen leider üblich ist, dass es immer andere sind, die über sie sprechen. Empowerment ist hier ein Faktor.

Wir haben mehrere Online-Kampagnen zu den EU-Wahlen gemacht, um Rechtspopulismus entgegenzuwirken oder auch zu den internationalen Wochen gegen Rassismus. Auch dort haben wir Rassismus sichtbar gemacht, oder zum Aktionstag gegen antimuslimischen Rassismus. Da haben wir mehrere Hashtag-Aktionen gemacht, bei denen junge Menschen ihre Erfahrung mit Diskriminierung eingereicht haben. Dadurch konnte Sensibilisierungsarbeit geleistet werden.

Wir haben ein Podcast-Projekt gemacht, wo es darum ging, jungen Menschen Wege zur politischen Partizipation aufzuzeigen. Auch sind wir gemeinsam mit Landtagsabgeordneten ins Gespräch gekommen und haben im Ramadan eine Folge produziert, wodurch wir zeigen wollten, wie Muslime den Ramadan in Corona-Zeiten erleben, weil es eine sehr sonderbare Situation war.

Ayşenur Erden: Neben all diesen Aktionen haben wir den Fokus auch darauf gelegt uns einfach als Gruppe vorzustellen. Das heißt solchen Institutionen wie das Landesjugendamt, dem Landesjugendring und anderen wichtigen Gremien und Instanzen der Jugendarbeit; dass wir immer wieder eingeladen wurden und über unser Projekt geredet haben.

Dann haben wir selber auch Workshops gegeben zu Themen die uns selbst sehr wichtig sind, zum Beispiel über digitale Jugendbeteiligung für die Bundeszentrale für politische Bildung. Die wichtigste Angelegenheit in den letzten Wochen war unsere Gründung:  Nach sehr vielen arbeitsintensiven Wochen fand am 06.12.2020 unsere offizielle Gründungsversammlung statt. Wir haben am Anfang den Aufwand ziemlich unterschätzt und hätten nicht gedacht, dass es so viel Zeit in Anspruch nimmt. Stundenlange Satzungs- und Strukturarbeit mit der Frage, wie wir muslimische Jugendgruppen aus unterschiedlichen Gruppen unter ein Dach bringen können. 

Abdoul Tchadarou: Vielleicht dazu noch: Wir wollen mit anderen Verbänden und Gruppen, ob sie anderer Konfession oder konfessionslos sind, zusammenarbeiten und gemeinsame Projekte starten. Der Kontakt zum Landes­jugendring ist bereits gegeben und wir sitzen dort bereits in der AG gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit mit drin und haben an der Pub­likation „Aufwachsen mit rechter ­Gewalt“ mitgewirkt.

Ayşenur Erden: Mir ist es auch wichtig zu betonen, dass Young Schura keine neue Religionsgemeinde ist oder ein einzelner Verband, sondern dass wir die vorhandene, tolle und sehr aktive muslimische Jugendarbeit in Niedersachsen unterstützen wollen.

Wir sehen es in unseren eigenen ­Jugendgruppen, dass wirklich sehr sehr sehr coole Angebote existieren, von denen aber niemand ­etwas mitbekommt. Vor allem haben die Jugendlichen ganz viele Visionen und Ideen und manchmal braucht man einfach nur einen kleinen Ruck und den möchten wir den Jugendlichen inscha’Allah bieten können.

Islamische Zeitung: Sie sind also dazu da, um…

Abdoul Tchadarou: … die bereits vorhandene großartige Arbeit, die lange schon geleistet wird, sichtbar zu machen und bürokratische Hürden zu nehmen, damit sie weiterhin so gut und noch besser erfolgen kann.

Islamische Zeitung: Das hört sich alles sehr vielversprechend an. Wenn ich jetzt beispielsweise als Gemeinde außerhalb von Hannover mit euch in Kontakt treten wollen würde, um mich einzubringen und an eurer ­Arbeit teilzunehmen – wie könnte ich mit euch in Kontakt treten?

Abdoul Tchadarou: Wir haben einmal eine Instagram-Seite, die heißt einfach @youngschura. Da kann man uns immer kontaktieren und auch ein paar Einblicke gewinnen in unsere Projekte und wir haben eine Emailadresse: young@schura-niedersachsen.de

Ayşenur Erden: Genau. Wir sind auf Instagram sehr aktiv. Auf Facebook und Twitter eher weniger. Das sind keine jugendspezifischen Netzwerke, aber auf Instagram kann man uns sehr gut erreichen und wenn etwas anliegt, könnt ihr uns jederzeit schreiben.

Islamische Zeitung: Ich bedanke mich herzlich für das Interview und wünsche Euch viel Erfolg bei Eurer Arbeit.

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