Nach dem antisemitischen Terror: Wie Medien rücksichtslos desinformieren

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Foto: Steve Travelguide/Shutterstock

Der falsche Name für einen echten Helden im Terroranschlag: Muslimischer Australier mit syrischem Wurzeln wurde von Radikalen unkenntlich gemacht.

(iz). Der furchtbare antisemitische Terroranschlag am Bondi-Beach in Sydney, bei dem zwei Terroristen 15 Menschen aus Hass erschossen, zeigt auf erschütternde Weise, wie perfide und rücksichtslos Desinformation in solchen Momenten funktioniert.

Eine Breaking-News-Situation ist immer auch ein Einfallstor für gezielte Falschinformation – und dieses Mal wurde es gnadenlos genutzt.

In den Stunden nach dem Anschlag von Sydney kursierte ein Name im Netz: Edward Crabtree. Ein Mann mit diesem Namen, so wurde behauptet, sei der Held vom Bondi Beach gewesen, der den Attentäter überwältigt habe. Edward Crabtree – ein Name, der nach altem englischem Holz schnitzt, nach unkomplizierter australischer Identität klingt. Doch Edward Crabtree existiert nicht.

Auch Teile der westlichen Medienlandschaft (z.B. Tagesschau) erwähnten anfänglich Ahmeds muslimischen Glauben und syrische Herkunft nach Bekanntwerden nur unterschwellig oder gar nicht – eine Haltung, die dem Prinzip folgt, nicht unnötig zu ethnisieren.

Dieselben Kreise jedoch, die dies fordern, stellen bei Tätern mit mutmaßlich muslimischem Hintergrund penetrant genau diese Zugehörigkeit in den Vordergrund und konstruieren pauschale Verbindungen sogar zur Religion des Islam. Diese offensichtliche Doppelzüngigkeit offenbart, dass es hier weniger um Prinzipien als um Narrative geht.

Der Mann, der sein Leben riskierte, ist Ahmed al Ahmed. Ein 43-jähriger Obstverkäufer mit syrischen Wurzeln. Ein Muslim. Diese Fakten sind unbequem für jene, in deren Weltbild ein Held nur eine bestimmte Herkunft, nur einen bestimmten Glauben haben darf. Also erfanden sie sich einen Helden, der in ihre Schablone passte.

Sie tilgten seinen Namen, seine Geschichte, seine Identität und ersetzten sie durch eine Fiktion. Aus Ahmed wurde kurzerhand Edward. Aus dem Muslim ein gar Mennonit. Diese Lüge wurde nicht geflüstert, sondern tausendfach geteilt.

Ahmed al-Ahmed nach seiner Heldentat in einem Krankenhaus. Er erhielt u.a. Besuch von führenden Politikern seiner neuen Heimat. (Screenshot: YouTube/The Guardian)

Doch genau diese Klarheit stört die Sozial-Media-Faschisten in ihren Echokammern. Ein muslimischer Held, der jüdische Leben verteidigt, passt nicht in ihr Weltbild der unüberbrückbaren ethnischen und religiösen Konflikte. Also begann die propagandistische Neuerzählung.

Hier zeigt sich der hässliche Kern einer modernen Desinformationsmaschine: Was nicht ins Narrativ passt, wird nicht diskutiert, es wird gelöscht und umgeschrieben bis hin zur absurden Behauptung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der in einer eilig einberufenen PK nach dem Attentat Ahmad al Ahmed gar zum Juden erklärte.

Dabei liegt gerade in Ahmed al Ahmeds wahrer Geschichte eine enorme Kraft. Auf dem Weg in die Notaufnahme, weil er durch den anderen Terroristen selbst angeschossen wurde, sagte er, er habe „schützen wollen, nicht richten“.

Diese Haltung, dieser Mut, der aus Menschlichkeit und nicht aus Ideologie erwächst, ist das eigentliche Fanal gegen den Terror. Ein Mann handelte, weil Menschen in Gefahr waren. Seine Tat, erklärte er später, war selbstverständlich.

Dass wir heute über seine Religion sprechen müssen, ist nicht, weil der Held es tut oder die Muslime in erster Linie, sondern weil andere sie genau da leugnen und sie im umgekehrten Fall, nämlich im Falle eines mutmaßlich muslimischen Terroristen, ständig wie ein Schild vor sich hertragen.

Deshalb ist der Angriff auf seine Herkunft und Identität ein zweiter Anschlag. Ein Anschlag auf die Wahrheit und auf die Idee, dass Heldentum das alleinige Privileg einer bestimmten Gruppe sei. Ahmed al Ahmed hat einen Terroristen entwaffnet.

Die Online-Faschisten versuchen nun, ihm seine Identität zu entwaffnen. Sie werden scheitern. Die Bilder seines Mutes sind stärker als alle Lügen. Man kann einen Helden nicht umbenennen, bis er unsichtbar wird. Man kann ihn nur vergebens versuchen, in seiner eigenen Geschichte zu verstecken.

Die Welt ist sich einig in ihrem Entsetzen über die Tat und in ihrer Bewunderung für den Mann, der eingriff. Lassen wir nicht zu, dass sie ihm auch noch seinen rechtmäßigen Platz in dieser Geschichte stehlen. Der Held von Sydney hat einen Namen. Er heißt Ahmed al Ahmed. Alles andere ist Lüge.

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