
(dpa) – Die Familie des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi hat schwere Vorwürfe gegen das Militär erhoben, das den Politiker an einem unbekannten Ort festhält. «Wir klagen (den Armeekommandanten) Abdel Fatah al-Sisi und die anderen Putschführer an, den Bürger und Präsidenten Mohammed Mursi entführt zu haben», sagte Mursis Sohn Osama am Montag auf einer Pressekonferenz in Kairo. Bewaffnete Extremisten griffen derweil im Norden der Halbinsel Sinai mehrere Kasernen und Polizeiwachen an und töteten drei Zivilisten.
Mursi war am 3. Juli nach Massenprotesten gegen seine islamistische Herrschaft vom Militär gestürzt worden. Seitdem halten ihn die Generäle an einem unbekannten Ort und ohne formelle Anklage in Haft. Weder Angehörige noch Anwälte hatten bislang Zugang zu ihm. Die Familie wolle nun juristisch gegen die Gefangennahme vorgehen, sagte Mursis Sohn. Man wolle auch erreichen, dass sich internationale Menschenrechtsorganisationen mit dem Fall befassen. Das Militär behauptet, Mursi werde «zu seiner eigenen Sicherheit» festgehalten.
Fast drei Wochen nach dem Staatsstreich wird der Ex-Präsident zunehmend zum Gegenstand von Gerüchten und Spekulationen. In der Nacht zum Montag brachte die Webseite der Tageszeitung «Al-Ahram» eine Eilmeldung, wonach Mursi wegen Spionage für die USA angeklagt werden sollte. Der Bericht erregte auch deshalb Aufsehen, weil «Al-Ahram» als sehr staatsnah gilt. Doch Sprecher der Staatsanwaltschaft und der Armee bezeichneten die Nachricht kurz nach ihrem Erscheinen als «Falschmeldung». Der Herausgeber der Zeitung, Abdel Nasser Salama, wurde am Montag von der Staatsanwaltschaft vorgeladen.
Verschwörungstheorien sind in Ägypten gang und gäbe und werden von großen Teilen der Bevölkerung bereitwillig geglaubt. So sind Mursis Anhänger fest davon überzeugt, dass der «Militärputsch» gegen ihn in Washington ausgekocht wurde, während Mursis Gegner zu wissen glauben, dass Mursi von den USA gesteuert gewesen sei.
In der Provinzhauptstadt Al-Arisch und in den Ortschaften Scheich Suwaid und Rafah an der Grenze zum Gazastreifen wurden in der Nacht zum Montag drei Zivilisten getötet. Das bestätigten Krankenhausärzte. Die bewaffneten Auseinandersetzungen auf dem Sinai dauerten die ganze Nacht über an. Auch am Vormittag flogen noch Hubschrauber der Armee über dem Gebiet zwischen Al-Arisch und der Grenze zum palästinensischen Gazastreifen. Bereits am Sonntag waren bei Kämpfen zwei Soldaten und ein Polizist ums Leben gekommen.
Auf dem Sinai tummeln sich seit dem Arabischen Frühling islamistische Milizen und Schmugglerbanden. Immer wieder gibt es Angriffe auf Sicherheitskräfte. Seit Mursis Sturz am 3. Juli haben sich die Aktivitäten der Extremisten verstärkt. Nach offiziellen Angaben wurden seitdem 21 Menschen getötet.