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Der KRM scheint vor der Auflösung – ist das Teil eines Problems, oder eher die Lösung?

(iz). Vor jeder Reflexion oder Kritik am organisierten Islam in Deutschland, muss natürlich für alle beitragenden Akteure zunächst die Selbstkritik stehen. Salopp gesagt, „nobody is perfect“ und es ist für den neutralen Beobachter immer leichter zu kritisieren, als selbst aktiver Teil einer positiven Lösung zu sein. Natürlich ist es aber auch für uns Muslime legitim, sich an den inhaltlichen Debatten zu beteiligen und auch öffentlich auf diverse Widersprüche hinzuweisen. Kein Verband darf sich heute noch ernsthaft über dieses Phänomen beklagen, gerade auch, weil sich viele Verbandsvertreter selbst inzwischen gerne in den Medien positionieren. Eine ganz andere Frage ist es, ob eine echte innerislamische Debatte – im Vergleich zum kühlen Austausch von Pressemitteilungen – immer noch der bessere Weg wäre, um gemeinsam auf dem Teppich zu bleiben.

Wer sollte aber so einen konstruktiven Austausch organisieren? Beinahe ironisch klingt es heute, wenn man hier zunächst an einen „Koordinationsrat der Muslime“ denken sollte. Mit diesem Anspruch, eine Vertretung der Muslime zu sein – und großen Hoffnungen – ist der KRM 2007 an den Start gegangen. Der erste KRM-Sprecher, Ayyub Axel Köhler, erklärte damals selbstbewusst der „Mitteldeutschen Zeitung“: „Wir vertreten viel mehr Leute, als bei uns Mitglied sind.“ Der damalige Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, pries ausdrücklich die „Handlungsfähigkeit“, welche die Muslime mit der Gründung des KRM bewiesen hätten. Das war gestern. Die Macher zeichnen sich in diesen Tagen eher durch Wortkargheit gegenüber ihrer eigenen Basis aus und klären kaum öffentlich auf, was die Lage des Rates wirklich ist.

Heute, einige Jahre nach der vollmundigen Ankündigung einer neuen Einheit der Muslime, scheint der KRM nach internen Querelen jedenfalls kaum noch handlungsfähig. Vielleicht wird er künftig nur noch den jährlichen Ramadankalender und eine Pressemitteilung zum Eid-Fest veröffentlichen. Will man verstehen, warum das so ist, muss man sich zunächst über die Konstruktionsfehler des Über-Verbandes klar werden. Tatsächlich ist das Scheitern des zentralen Koordinierungsgremiums der Muslime auf Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners nicht wirklich überraschend. Dies hat weniger mit den involvierten Persönlichkeiten zu tun, sondern eher mit den oft unreflektierten Techniken der Macht, an die uns der politische Islam über die Jahre gewöhnt hat.

Es wäre tatsächlich ein Feld für sich, über Phänomene wie „islamischer“ Staat und „islamischer“ Verein und den aus diesen Formen entstehenden Habitus grundsätzlich nachzudenken. Hierher gehört auch die Historie der beteiligten Verbände; oft von Immigranten gegründet, die im deutschen Vereinsrecht zunächst die einzige mögliche Organisationsform für ihre muslimischen Anliegen vorfanden. Es ist keine Nebensächlichkeit, dass das eigentlich zentrale Anliegen politischer Formation im Islam, die lokale und unmittelbare Verteilung der Zakat, in dieser Rechtsform gerade nicht nach altem Vorbild umgesetzt wurde. Über Jahrhunderte war die Erhebung und gerechte Verteilung der Zakat die Legitimationsbasis politischer Führung überhaupt. Den organisierten Islam interessierte die korrekte, dezentrale Umsetzung dieser Säule des Dins weniger. Er strebte durch Mitgliedsbeiträge, Zakat-Zahlungen ins Ausland und durch die Mehrung der Vereinsmitglieder in erster Linie nach dem profanen Machtzuwachs, der mittels Vereinsrecht erreichbar schien. Das unterschwellige Machtkalkül der Verbände stellte aber auch die Idee einer echten Einheit der Muslime von Beginn an in Frage.

Da muslimische Vereine sich gerade ihrer inneren Struktur nach und nur über die eigene Machtsteigerung definieren, war die Idee einer politischen Einheit der Verbände von jeher fragil. Bisher war es für jede Organisationen unausgesprochen klar, dass eine Zeitung, die Schule oder die Moschee die „eigene“ sein müsse.

Die Idee einer offenen Infrastruktur dagegen – zum Beispiel Stiftungen, die den Muslimen an sich gewidmet ist und außerhalb der eigenen Machtstruktur verortet wird – blieb diesem Denken naturgemäß fremd. Im Organisationsmuster wurde die Lehre dem politischen Willen der Verbände untergeordnet und die „ökonomischen Akteure“ – zum Beispiel die erfolgreichen muslimischen Geschäftsleute – organisatorisch ausgegrenzt.

Es gab aber noch andere Probleme, die der Koordinationsrat von Beginn an nicht überwinden konnte. Die unterschiedlichen Mitgliederzahlen der Beteiligten hätten jeden demokratischen Prozess in dieser politischen Einheit ad absurdum geführt. Die Folge war ein lähmendes Vetorecht des größten beteiligten Verbandes, der DITIB. Eine starke, gar den Verbänden übergeordnete Führungsebene des Koordinationsrates war aber auf dieser Grundlage des Politischen von vornherein undenkbar; hätte sie doch von einer übergeordneten Ebene aus agieren können. Unter diesen Umständen durfte der KRM weder finanziell, noch personell wirklich erstarken.

Vielleicht wäre es immer noch möglich, etwas guten Willen vorausgesetzt, diese Konstruktionsprobleme durch eine kleinere, aber effektive Agenda zu überwinden. Natürlich könnte zum Beispiel eine würdige Repräsentanz der Muslime in Berlin wünschenswert sein. Nach wie vor gibt es einigen Koordinationsbedarf und nach wie vor gilt das Argument, dass ein Untergang des KRM letztlich auch die gesellschaftlichen Ansprüche der Muslime schwächen würde. Es ist schon jetzt absehbar, das kleinere Verbände leichter gegeneinander ausgespielt werden können. Tatsächlich scheint diese pragmatische Möglichkeit einer pro forma Einheit nun auch durch persönliche Konflikte erschwert.

Der Streit um den agilen, an sich aber relativ kleinen „Zentralrat“ der Muslime (ZMD) unter Führung seines Vorsitzenden, Aiman Mazyek, zeigt hier das aktuelle Dilemma. Seine Stärke sind weniger die großen Mitgliedszahlen, als das „symbolische Kapital“, das sich der Vorsitzende Mazyek über jahrelange Medienarbeit hart erarbeitet hat. Während die türkischen Verbände nur langsam und mühsam eine Sprache für den Diskurs fanden, hat Mazyek längst schon viele unterschiedliche Themenfelder auf öffentlicher Bühne besetzt.

Nicht immer ist der Entscheidungsprozess dabei transparent und oft wirkt es für Außenstehende, als würde hier sogar im Namen aller Muslime gesprochen. In der letzten Pressekonferenz des ZMD – aufgeschreckt durch Angriffe der Partnerverbände, die den Vorwurf lanciert hatten, der ZMD würde sich auf Kosten aller Muslime profilieren – stellte Mazyek dann klar, dass man keinen Anspruch auf Vertretungsmacht aller Muslime stelle und sich zunächst eben alleine entwickeln wolle. Und – etwas gönnerhaft – fügte die Vizechefin des ZMD Soykan hinzu, es könnten ja auch die anderen Verbände die öffentliche Bühne suchen.

So tritt Mazyek weiter auf, hält Festreden auf der Dresdner Opernbühne, diskutiert mit dem DFB, bekommt das „Seniorensiegel“ verliehen und ist so beinahe täglich in den Medien präsent. Spätestens seit seinem Ausflug mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, einem Duzfreund Mazyeks, in die Golfregion, begegnet dem umtriebigen ZMD-Chef dabei auch des Öfteren Neid und Missgunst. Sachlicher wirkt die Kritik, dass er – übrigens ähnlich wie SPD-Chef Gabriel – recht sprunghaft Positionen und Themen wechselt. So war bei seinem heftig kritisierten Vorstoß für ein Islamgesetz nach österreichischem Vorbild schnell nicht mehr klar, ob er denn ursprünglich dafür oder dagegen war. Allerdings wirkte sein Seitenhieb gegen die Fremdfinanzierung türkischer Imame dann schon wie das bewusste Durchtrennen der Freundschaftsbande mit den türkischen Partnern.

Es ist keine Frage, dass Aiman Mazyek immer wieder die muslimische Sache wortgewaltig vertritt. Sein Gespür für die Situation, zum Beispiel bei der Organisation der Berliner Mahnwache gegen den Terrorismus, die er mit Unterstützung großer Parteien perfekt inszenierte, rechtfertigt noch keine Ablehnung. Er hat auch Recht, wenn er postuliert, dass Muslime in Deutschland endlich ankommen müssen. Es wäre sogar logisch und für alle Muslime naheliegend, dass er mit seinen Talenten auch dem Koordinationsrat etwas mehr Leben verleiht. Nur, auch hier holt ihn eben die Logik der Machtansprüche wieder ein.

Die türkischen Verbände fürchten, dass ein agiler KRM-Sprecher oder selbstbewusster Generalsekretär inhaltliche Fakten schaffen könnte. Gleichzeitig hört man aus den Reihen der DITIB, dass man an einem zentralen Verband sowieso wenig Interesse habe; man befürchte eine Art kirchliche Struktur, die dem pluralen Charakter des Islam eben nicht entspreche. So sagt man wohl in diplomatischen Worten Adieu zu den Bemühungen, übergeordnete Koordination weiter gedanklich zuzulassen.

Im Ergebnis wird wohl jeder wieder für sich bleiben und ZMD-Boss Mazyek wird so künftig – wie bereits angekündigt – in erster Linie den Ausbau des Zentralrats vorantreiben. Im schlimmsten Fall wird er dabei als geschickter ­Stratege, und mit entsprechender Medienunterstützung, das Markenzeichen „liberal“ für seinen Verband beanspruchen und die antiquierte Dialektik „Konservative gegen Liberale“ für sich und seine Organisation nutzen. Die so überfällige wie mühsame Einebnung der des­truktiven Logik von „Liberalen gegen Konservative“ wäre damit „politisch“ wieder aufgehoben.

Was also tun? Vielleicht ist es de facto einfach ehrlicher, die plurale Struktur unserer Gemeinschaften zu akzeptieren. Zumindest das Ausloten gemeinsamer Interessen sollte dies natürlich nicht ausschließen. Es droht damit die weitere Verödung der innerislamischen Diskussionen, schon jetzt drehen sich die Verbände viel zu sehr um sich selbst. Andererseits, ist es vielleicht auch einfach an der Zeit, die gewohnte Bevormundung durch politische Vereine und den facettenreichen politischen Islam an sich in Frage zu stellen. Es erinnern sich viele schließlich an die zeitlose islamische Weisheit: „Wer die Macht für sich will, ist dafür am Wenigsten geeignet.“

Für nicht wenige Muslime sind es bereits heute die anderen, unverzichtbaren Elemente islamischen Zusammenlebens – wie Stiftungen, NGOs und unabhängigen Gemeinden –, die Querverbindungen zwischen den Muslimen herstellen, sich bewusst dem Machtspiel entziehen und wichtiger geworden sind, als der ewige Tanz um die Macht.

Eine anderer Trend kündigt sich ­ebenso an. Viele junge Muslime an der Basis können mit dem Zentralismus der 1980er Jahre wenig anfangen. Sie sind in Deutschland zu Hause und leben auch nicht mehr mit der Logik ethnischer Trennlinien. Sie wollen etwas vor Ort tun, keine Bürokratie aufbauen und nicht nur Befehlsempfänger sein. Als Organisationsmodell der Basis, die den höchsten gemeinsamen Nenner sucht, wie die Zakat, bietet sich von jeher das Umfeld lokaler Moscheegemeinden an. Den jungen Leuten geht es dort weniger um Repräsentation, als um die alltäglich gelebte und immer mögliche Erfahrung der Einheit im Rahmen überzeugender Wissensvermittlung. Wenn sie Parteiatmosphäre erleben wollen, dann gehen sie eben gleich in die Politik. Eine starke, „verjüngte“ Basis wird auch ohne Mühe die Verhältnisse umkehren; also von unten nach oben ermächtigen, statt von oben nach unten dominiert zu werden.

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Ersin Özcan: „Ich halte die Diskussionen für sehr unglücklich“

(iz). Die Debatten rund um das Islamgesetz in Österreich haben in den letzten Wochen auch Muslime und Politik in Deutschland beschäftigt. Forderungen nach einem ähnlichen Gesetz wurden auch hier laut. […]

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Auszug der neuen Ausgabe: Interview mit Ersin Özcan, Vorstandsvorsitzender des DITIB-Landesverbands Nordrhein-Westfalen zur Zukunft von Zentralvertretungen

„Das Agieren von muslimischen Vertretern reduziert sich immer mehr zu einem Selbstgespräche. In einer solchen Situation sprechen die Öffentlichkeit und die Politik immer weniger mit den Muslimen – sie führen immer mehr Zwiegespräche mit politischen Akteuren, die zunehmend nicht mehr die Muslime beim Staat vertreten, sondern den Staat mit seinen Erwartungen bei den Muslimen.“

(iz). Die Debatten rund um das Islamgesetz in Österreich haben in den letzten Wochen auch Muslime und Politik in Deutschland beschäftigt. Forderungen nach einem ähnlichen Gesetz wurden auch hier laut. Ersin Özcan, Vorstandsvorsitzenden des DITIB-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, unterstrich in einem langen Interview, was in der nächsten Ausgabe der Islamischen Zeitung in voller Länge zu lesen sein wird, dass das Islamgesetz von einem implizierten Vorwurf der Untauglichkeit und der Illoyalität geprägt sei.

„Letztlich erscheint mir das Islamgesetz als eine Art staatliche Obhut über Muslime und es manifestiert sich eine Haltung, in welcher der Staat bestimmt, wer ein guter Muslim ist“, so Özcan. Die befürwortenden Stimmen aus der Politik sind ihm ein Rätsel, erst recht die muslimischen, die solche Verbote oder Eingriffe fordern. „Ich glaube für Kirchen oder jüdische Gemeinden würde niemand aus der Politik so etwas fordern. Und schon gar nicht würden die Vertreter dieser Religionsgemeinschaften so etwas begrüßen“, sagte der NRW-Landeschef des größten Moscheeverbunds in Deutschland.

„Import-Imame“
Ersin Özcan geht im Interview auch auf die Problematik der so genannten Import-Imame im Kontext dieser Diskussionen ein. Die Muslime seien in der Lage, selbst entscheiden zu können, woran sie glauben, wie sie glauben und mit welchen Mitteln und mit welchem Personal sie ihren Glauben leben wollen. „So zu tun, als seien die Muslime nicht fähig zu erkennen, welcher Imam gut für sie ist, erscheint mir ziemlich paternalistisch“, betonte Özcan.

Dem Vorwurf, DITIB stehe unter Kontrolle Ankaras, geht Özcan aus dem Weg. Das seien „Nebelbombe“, in deren Schwaden all jene sich aus dem Staub machen würden, die in der Sache eine nachhaltige Debatte scheuten. „Ein solcher Auslandsbezug ist rechtlich wie tatsächlich bei anderen Religionsgemeinschaften, wie der Anglikanischen Kirche oder der Katholischen Kirche kein Problem“, so der DITIB-Vertreter. Man sollte auf das hören, was DITIB in Deutschland sage und die Inhalte wahrnehmen, um die es gehe. „Da spricht nicht die türkische Politik, da sprechen wir als Muslime in Deutschland über das, was uns hier wichtig ist“, so Özcan.

Der eigentlich kritische Punkt seien allerdings andere Entwicklungen innerhalb der muslimischen Community in Deutschland. Hierzulande würden wir eine zunehmende Veränderung des muslimischen Selbstverständnisses erleben. Özcan: „Muslimische Akteure scheinen immer mehr darum bemüht, zu gefallen, statt die Frage nach theologischer Wahrhaftigkeit zu stellen. Das mag als Geschäftsmodell für Partikularinteressen nützlich sein, für die muslimische Selbstfindung und den Erhalt einer an Lehraussagen orientierten, selbstgewissen religiösen Identität ist eine solche Entwicklung verheerend.“

Im Gespräch geht Özcan auch auf die jüngsten Diskussion über den Koordinationsrat der Muslime (KRM) ein. Politik und Öffentlichkeit habe jahrelang nach dem einen institutionellen Vertreter geschielt. Özcan sieht in einer zentralistischen Struktur Gefahren. Sie könne zu einer Art „Bischofskonferenz für Muslime“ mutieren. Durch diese Zentralisierung der muslimischen Selbstorganisation werde zudem nicht die ganze Vielfalt des muslimischen Lebens vertreten oder auch nur artikuliert. „Vielmehr hängt das, was die Muslime vermeintlich denken, wollen und tun von den Aussagen und Handlungen weniger Funktionäre ab, die im schlimmsten Fall nicht einmal eine gemeindliche Basis haben, bei der sie sich rechtfertigen müssten.“

Die Frage sei, betont Özcan, wie ein ernsthafter Austausch über islamische Grundfragen stattfinden könne. Eine weitere Zentralisierung sei diesem Austausch in keiner Weise dienlich. Er beobachtet eine Isolation der Funktionärseben von der muslimischen Basis. „Das Agieren von muslimischen Vertretern reduziert sich immer mehr zu einem Selbstgespräche. In einer solchen Situation sprechen die Öffentlichkeit und die Politik immer weniger mit den Muslimen – sie führen immer mehr Zwiegespräche mit politischen Akteuren, die zunehmend nicht mehr die Muslime beim Staat vertreten, sondern den Staat mit seinen Erwartungen bei den Muslimen.“

Mit einem solchen Modell werde man auf beiden Seiten nicht ernst genommen – weder bei der Basis, noch bei der Politik. Es führe kein Weg an einem wahrhaftigen und nachhaltigen innermuslimischen Austausch vorbei. Özcan würde ein Diskussionsforum für islamische Religionsgemeinschaften anstreben wollen, bei dem nicht mehr der Anspruch auf zentrale Vertretung im Vordergrund steht, sondern der Wunsch nach einer inhaltlichen Debatte.

Dieses Gremium sollte auch ergänzt werden durch Austauschforen mit Muslimen außerhalb der Verbände. „Da ist viel Potenzial, dass innerhalb der Verbände nicht genutzt wird“, folgert Özcan.

Das vollständige Interview wird in der nächsten Ausgabe der Islamischen Zeitung zu lesen sein.

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Nach einer internen Klausurtagung und mehrwöchigen Diskussionen in und um den KRM lud der Zentralrat zur Pressekonferenz

Köln (IZ/dpa/KNA). Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, hat die anderen muslimischen Verbände zu mehr Einigkeit aufgerufen. Es sei „völlig legitim“, wenn einzelne Mitglieder des Koordinationsrats der Muslime (KRM) unterschiedliche Ansichten verträten, sagte er am 19. März auf einer Pressekonferenz seiner Organisation in Köln.

Mazyek hat sich gegen den Vorwurf gewehrt, er wolle sich zum alleinigen Vertreter der deutschen Muslime aufschwingen. Wenn in der Öffentlichkeit oft vor allem er als Stimme der Muslime wahrgenommen werde, dann liege dies nicht daran, dass er die Vertreter anderer islamischer Dachverbände ausstechen wolle. „Ich rufe sie auf, dass sie sich mehr einbringen», sagte er auf der Pressekonferenz. Das Wochenmagazin „Die Zeit“ zitierte hierzu auch ZMD-Generalsekretärin Nurhan Soykan. Wer kein Deutsch spreche, so die Juristin, dürfe sich auch nicht beklagen, wenn er nicht in Talkshows eingeladen werde.

Der ZMD-Chef hatte unter anderem eine zentrale Rolle bei der Mahnwache am Brandenburger Tor nach den Terroranschlägen von Paris gespielt. Die Türkisch-Islamische Union DITIB, der größte islamische Dachverband in Deutschland, hatte ihn kürzlich scharf angegriffen und ihm einen „Vertrauensbruch“ vorgeworfen. Derzeit wird vor und hinter den Kulissen in bisher unbekannter Heftigkeit und Offenheit über Interna aus der dem Umfeld des KRM und über seine Zukunft diskutiert. Bisher allerdings waren es vor allem einige Vertreter der KRM-Mitglieder, die diese Debatte führten. Elemente der muslimischen Zivilgesellschaft blieben bisher außen vor.

Zugleich betonte Aiman Mazyek, dass sein Verband „felsenfest“ am KRM festhalte, weil er eine wichtige Interessenvertretung sei. Der Dachverband werde derzeit reformiert. Arbeitsgruppen sollten für bestimmte Themen zuständig sein. „Der KRM ist nicht tot, sondern er lebt weiter.“ Die Muslime müssten „die ethnisch fragmentierte Landschaft der islamischen Religionsgemeinschaft“ aufheben. Auch im ZMD gebe es vom Ausland finanzierte Imame, räumte er ein. Aber es sei Konsens in der islamischen Gemeinschaft, dass deutschsprachige Imame mit Kenntnissen über die Mentalität und Kultur des Landes viel näher an den Menschen seien.

Nachfolge des DITIB-Modells? Umstrukturierungen im Zentralrat und Wohlfahrtsverband angekündigt
Dem ZMD gehören 33 Mitglieder an, die rund 300 Moscheegemeinden vertreten. Inzwischen gebe es Landesverbände in Hessen und Nordrhein-Westfalen. In Berlin stehe die Gründung am Freitag bevor, weitere Gespräche führe man in Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz.

Dieser Prozess sei notwendig, da Absprachen und Verträge zwischen Staat und Religionen auf Landesebene stattfänden. In NRW haben man nach Angaben von Generalsekretärin Nurhan Soykan bereits die „erste Hürde“ genommen. Laut es anfänglichen Gutachtens erfüll ihr Dachverband die nötigen juristischen Kriterien für einen Status als Religionsgemeinschaft. Laut der Juristin sei dazu aber auch eine Überarbeitung von Satzungen der Landesverbände nötig.

Man wolle darüber hinaus das soziale Portfolio stärker koordinieren. Noch in diesem Jahr sei die Gründung eines eigenen Wohlfahrtsverbandes geplant, kündigte sie an. Dieser solle auch offen sein für Mitglieder und Initiativen anderer Verbände. „Noch schöner wäre es natürlich, wenn wir einen KRM-Wohlfahrtsverband hinbekämen, aber zunächst wollen wir unsere eigenen Strukturen ausbauen.“

Bereits jetzt sei man damit beschäftigt, Jugendvereine an Moscheen in Landesverbänden und einem Bundesjugendverband zusammenzufassen. Dort sollten auch Nicht-ZMD-Vereine ihren Platz finden können. Damit solle es auf Dauer bundesweit ein strukturiertes Angebot muslimischer Jugend- und Sozialarbeit geben, so Soykan.

Vorbereitung mit den Mitgliedern
Fünf Tage vor der Kölner Pressekonferenz, am Samstag, den 14. März, lud der Zentralrat zu einer Versammlung für seine Mitglieder ins sauerländische Arnsberg ein. Laut verbandseigener Pressemitteilungen hätten die anwesenden Mitglieder sich für die Fortsetzung der bisherigen Ausrichtung ausgesprochen. Darüber hinaus bestätigte der Dachverband die Mitgliedsanträge verschiedener Gemeindezusammenschlüsse, Einzelmoscheen und andere Organisationsformen.

Muslime in Deutschland und Frankreich reagieren mit einhelliger Abscheu und Ablehnung auf den Pariser Anschlag

„Der schreckliche Anschlag von Paris hat uns alle erschüttert. Dieses abscheuliche Verbrechen ist durch nichts zu rechtfertigen. Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen der Opfer, den Beteiligten und dem französischen Volk.“ (Ali Kizilkaya)

Paris/Berlin (KNA/iz) Nach dem blutigen Terroranschlag auf das französische Magazin „Charlie Hebdo“ haben Islamvertreter zu Demonstrationen gegen den Terrorismus aufgerufen. Bei einem Krisentreffen zahlreicher Islam-Organisationen am Donnerstag in der großen Moschee von Paris forderten sie alle Muslime Frankreichs auf, beim Freitagsgebet eine Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags abzuhalten. Einer der vier französischen Islamgelehrten, die am Mittwoch zu einer interreligiösen Begegnung mit dem Papst nach Rom gereist waren, rief seine Glaubensbrüder in Frankreich zu Massendemonstrationen auf.

Die unter Federführung des französischen Islamrats CFCM stattfindende Versammlung in Paris erklärte, alle Muslime Frankreichs sollten sich der für Samstag angesetzten nationalen Friedensdemonstration anschließen. Dabei sollten sie ihren Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben und nach Respekt für die Werte des Landes zum Ausdruck bringen.

Mohammed Moussaoui, Vorsitzender der Vereinigungen der Moscheen Frankreichs, betonte laut der französischen Zeitschrift „La Vie“ in Rom, die Ereignisse von Paris verstärkten die Notwendigkeit des Dialogs zwischen den Religionen. Den Terroristen warf er vor, den Islam für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Trotz mehrfacher Aufrufe von Politikern und Religionsvertretern, Ruhe zu bewahren und keine Racheakte zu verüben, wurden in Frankreich in der Nacht zum Donnerstag mehrere muslimische Einrichtungen angegriffen. Medienberichten zufolge setzte ein Unbekannter am Mittwochabend im südfranzösischen Port-la-Nouvelle mit einer Schrotflinte in einem muslimischen Gebetsraum mehrere Schüsse ab. Da das Gebet bereits beendet und der Saal leer war, wurde niemand verletzt.

Muslime in Deutschland drückten Hinterbliebenen ihr Beileid aus
Binnen 24 Stunden nach dem Anschlag haben die meisten größeren und viele mittlere muslimische Vereinigungen eindeutig auf die Morde in Frankreich reagiert. In einer Pressemitteilung vom Mittwoch, den 7.1.2015, verurteile der amtierende Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM), Erol Pürlü vom Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), den „feigen Anschlag“ im Namen seines Gremiums. „Terror hat keinen Platz in irgendeiner Religion. Wir verurteilen diesen feigen Akt auf das Schärfste. Unser Beileid und tiefstes Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen.“

Auch die einzelnen KRM-Mitglieder gingen am gleichen Tag beziehungsweise am 8.1.2015 an die Öffentlichkeit. Ali Kizilkaya vom Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland zeigte sich „erschüttert“. Dieses abscheuliche Verbrechen ist durch nichts zu rechtfertigen. Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen der Opfer, den Beteiligten und dem französischen Volk.“ Mit diesem grausamen Akt hätten die Attentäter den Propheten Muhammed und die Religion des Islams verhöhnt und beleidigt.

Der deutsche Moscheen-Dachverband Ditib zeigte sich indes besorgt über eine erhöhte Gefahr für islamische Einrichtungen in Deutschland. Man müsse „damit rechnen, dass Neonazis, Pegida-Aktivisten und Islamhasser diesen schrecklichen Terrorakt zum Anlass nehmen, ihre Angriffe zu vermehren“, sagte der Bundesvorstandssprecher der türkisch-islamischen Organisation, Bekir Alboga, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Vom größten Islamratsmitgliedsverband, der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs, meldete sich deren Generalsekretär, Mustafa Yeneroğlu, in einer Erklärung zu Wort. Das Ziel solcher Gewalttaten sei ungeachtet deren Quelle „die Zerstörung des gesellschaftlichen Friedens“. Daher sei es wichtig, „dass wir geschlossen auf diese schockierende Tat reagieren, damit die Angreifer ihr Ziel nicht erreichen können“. Dass seine Befürchtungen nicht unbegründet seien, zeigten drei Übergriffe gegen muslimische Einrichtungen in Frankreich seit gestern.

Noch am gleichen Tag verurteilte der Zentralrat der Muslime die Anschläge in Paris. „Es gibt in keiner Religion und keiner Weltanschauung auch nur einen Bruchteil einer Rechtfertigung für solche Taten. Dies ist ein feindlicher und menschenverachtender Akt gegen unsere freie Gesellschaft. Durch diese Tat wurde nicht unser Prophet gerächt, sondern unser Glaube wurde verraten und unsere muslimischen Prinzipien in den Dreck gezogen.“ Es stehe zu befürchten, dass der Anschlag „neues Wasser auf den Mühlen von Extremisten jeglicher Couleur“ sein werde. „Wir rufen alle dazu auf, dem perfiden Plan der Extremisten nicht auf dem Leim zu gehen, die die Gesellschaft spalten.“

Der Kölner Journalist Eren Güvercin zeigt sich schockiert von der Perversität des Anschlags. Für ihn ist es nun umso wichtiger, dass die muslimische Gemeinschaft die Gefahr modernistischer Sekten erkennt und die Frage nach islamischen Inhalten aufarbeitet. Der Münchener Imam Benjamin Idriz verurteilt das Verbrechen scharf und erinnerte an das prophetische Vorbild des Vergebens. Wenn auch mahnte er zum Respekt vor den Gefühlen der Gläubigen aller Religionen. Er stellt fest, dass die Täter weder zu Europa, noch zum Islam gehören.

Über Facebook, Twitter und Instagram initiierte die Islamische Zeitung den Hashtag #VerteidigeDenPropheten, um einem Missbrauch des Propheten Muhammed durch Hass und Gewalt entgegenzuwirken.

Eine IZ-Leserin begrüßte auf Facebook die Haltung der IZ-Redaktion zu den Pariser Vorgängen: „(…) das lässt immer noch hoffen, dass der Nährboden des Extremismus versalzen werden kann, wenn wir mit Vernunft und Besonnenheit auf Eskalationsversuche verirrter Irrer reagieren.“ „Diese Idioten“, beklagte eine Leserin die Taten, „werden jetzt wieder Millionen friedliche Moslems mit tatkräftiger Unterstützung der Medien in den Schmutz ziehen.(…) Hoffe, dass die Vernunft siegt“.

Die IZ-Redaktion wird das Thema im Rahmen ihrer online- und Druckausgabe weiter begleiten. Alle Leser- und AutorInnen sind eingeladen, sich mich konstruktiven Beiträgen und Leserbriefen zu beteiligen. (sw & ak)



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Lassen sich aus den Brandanschlägen Bedeutungen für die muslimische Gemeinschaft ableiten?

(iz). Nach einer Brandstiftung durch Unbekannte auf eine Bielefelder Moscheegemeinde am 11. August kam es am Morgen vom 18. August zu einem weiteren Anschlagversuch auf eine andere Lokalität. Laut Berichten […]

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Nach dem Kompromiss zu Münster: Wendet der organisierte Islam seine bisher kritische Position

(iz). Monatelang diskutierten Muslime auf allen Ebenen über die so genannte „Theologie der Barmherzigkeit“. Stellenweise weit über die Schmerzgrenze des Erträglichen hinaus wurde über Glaubensfragen diskutiert. Auch Vertreter von Dachverbänden agierten, als handle es sich dabei um das Schicksal des Islam in Deutschland. Nun scheint sich nach einem Treffen mit Uni Münster und Politik eine Kehrtwende zu vollziehen.

Auf Grundlage der Empfehlungen des Wissenschaftsrates hatten sich die Politik, die Universität Münster und der Koordinationsrat der Muslime (KRM) vor zwei Jahren auf ein Beiratsmodell geeinigt, in dem der KRM die eine Hälfte des theologischen Beirats in Münster stellt und die Universität die andere Hälfte bestimmen sollte.

Schon frühzeitig kam es zu unvorhergesehenen Problemen: Obwohl die Universität Münster den KRM als Kooperationspartner auf Seiten der Religionsgemeinschaften auswählte, intervenierte das Bundesinnenministerium (BMI) und sorgte dafür, dass die Universität Münster einen von den Dachverbänden vorgeschlagenen Kandidaten für den Beirat ablehnte: Die Verfassungstreue der besagten Person sei aufgrund seiner Mitgliedschaft im Islamrat fragwürdig.

Das sorgte unter Muslimen für Irritationen. Denn einerseits ist diese Person problemlos Mitglied im Beirat für den Islamischen Religionsunterricht in NRW gewesen, ohne dass seine Verfassungstreue auch nur im Ansatz in Frage gestellt wurde, andererseits stellt sich die Frage, wieso man dann den KRM als Kooperationspartner ausgewählt hat, wenn es Bedenken hinsichtlich der Verfassungstreue eines seiner Mitgliedsverbände gab.

Auf diese Diskussionen rund um den Beirat folgten dann eine unsägliche öffentliche Debatte um die Person des ZIT-Leiters, Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, die ihren Gipfel in der Veröffentlichung eines Gutachtens vom KRM zu Khorchides „Theologie der Barmherzigkeit“ fand. Darin kamen die größten Dachverbände zu dem Ergebnis, dass das Verhältnis zum Institutsleiter „irreparabel beschädigt“ sei. Danach herrschte zunächst Stille.

Ein runder Tisch bestehend aus Ministerialbeamten, der Rektorin der Universität Münster und Vertretern des Koordinationsrates wurde ins Leben gerufen. Gestern wurde ein erstes Ergebnis dieser Verhandlung hinter verschlossenen Türen öffentlich: Plötzlich sind die Bedenken hinsichtlich der Verfassungstreue einiger KRM-Mitglieder verschwunden, denn nun wurde seitens der Universität beschlossen, dass die Dachverbände alleine den Beirat stellen sollen, also auch der bis dahin argwöhnisch betrachtete Islamrat. Das macht wieder deutlich, dass die damalige Entscheidung, den Beiratskandidaten des Koordinationsrates abzulehnen, eine rein politische war und jeder Grundlage entbehrte.

Es handelt sich bei dem Kompromiss aber auch um einen klugen Schachzug der NRW-Landespolitik. Denn auf den ersten Blick scheint der KRM gestärkt, weil er jetzt alleine den Beirat stellt. Nur, die Politik ist sich sehr genau bewusst, dass zwar das KRM-Gutachten veröffentlicht wurde, aber es dürfte ihr auch klar sein, dass DITIB aus ihrer staatsgläubigen Haltung heraus keine Konsequenzen aus dem Gutachten folgen lassen wird und bisher erfolgreich ein einheitliches Handeln durch den KRM torpedieren konnte.

Aiman Mazyek hat seinerseits in den Medien die Rolle eines hervorgehobenen Chefkritikers eingenommen. Gleichzeitig ist sein Stellvertreter, Mustafa Hadzic, persönliche wissenschaftliche Hilfskraft von Khorchide und promoviert sogar bei ihm; alles offiziell auf der ZIT-Webseite zu sehen. Und da eben der vorgebliche „Koordinationsrat“ bei der Causa Khorchide vollkommen unkoordiniert agierte, hat die Politik gar nicht zu befürchten, dass Khorchide angetastet werden wird.

In der muslimischen Community bleiben Fragen offen. Es gilt abzuwarten, ob der KRM sein eigenes Gutachten und die Bedenken aus der Basis zu Khorchide ernst nehmen wird oder politisch agiert. Dann wird er aber das Vertrauen seiner Basis verlieren. Es stellt sich die Frage, wie man Religionsgemeinschaft sein kann, wenn man sensible Punkte der Community „wegverhandelt“?

Weiter Informationen:
www.afrikabrunnen.de
www.facebook.com/Afrikabrunnen

Gesetzesvorhaben des NRW-Landtages dürfte es muslimische Religionsgemeinschaften schwerer machen

(iz). Ein Gesetzesvorhaben in Nordrheinwestfalen (NRW) hat Muslime aufhorchen lassen. Die Landesregierung und alle im Landtag vertretenen Fraktionen planen, die Anerkennung von Religionsgemeinschaften zukünftig gesetzlich zu regeln. Neben dem Bekenntnis zur Verfassung sollen weitere zentrale Voraussetzungen detailliert geregelt werden.

Eine wichtig Voraussetzung wird etwa die Mitgliederzahl sein. Ein muslimischer Verband, der die Anerkennung als Religionsgemeinschaft erlangen will, muss demnach 17.500 Mitglieder vorweisen (mind. 1 Promille der NRW-Bevölkerung). Zudem muss die Gemeinschaft bereits seit mindestens 30 Jahren bestehen.

Auch bei einer Erfüllung dieser Voraussetzungen soll die Anerkennung keinesfalls garantiert sein. Denn der Landtag soll immer noch das Recht haben, eine Anerkennung als Körperschaft ausdrücklich „von seiner Zustimmung abhängig machen“, berichtete die Katholische Nachrichtenagentur (KNA).

Dieses Gesetzesvorhaben in dem Bundesland, in dem die meisten deutschen Muslime leben, ist ein Schlag ins Gesicht der im Koordinationsrat der Muslims (KRM) organisierten muslimischen Verbände. Denn schon seit Längerem liefen Verhandlungen zwischen den muslimischen Verbänden und der Landesregierung über eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Mit diesem Gesetzesvorhaben drohen diese Verhandlungen obsolet zu werden, denn keiner der großen Verbände dürfte ohne Weiteres die Voraussetzungen in diesem Gesetzesvorhaben erfüllen.

Es stellt sich natürlich auch die Frage, inwiefern die langjährigen Verhandlungen um die politische Anerkennung zu etwas Greifbarem geführt haben. Die Etablierung der Islamischen Theologie und der Islamische Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen wurden ja eben auch forciert, um diese politische Anerkennung voranzutreiben. Jetzt steht der organisierte Islam wieder vor einer Sackgasse.

Auffällig wurde in der letzten Zeit, dass insbesondere die DITIB – als größter Mitgliedsverband im KRM – systematisch eine einheitliche Linie torpediert, aber parallel dazu ihre Landesstrukturen entsprechend den gesetzlichen und politischen Voraussetzungen für eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft anpasst. Damit könnte sie in nicht allzulanger Zeit als erste und vielleicht sogar einzige muslimische Religionsgemeinschaft „anerkannt“ werden.

Im Grunde stellt sich für den Koordinationsrat die Sinnfrage. Genügt es wirklich nur, auf „Anerkennung“ zu setzen, aber gleichzeitig das eigentliche Projekt, die Muslime zu ihrem Wohl miteinander zu vernetzen, konsequent zu vernachlässigen? Am Ende könnte man so vor dem Staat und vor den Muslimen verlieren.

Neues Konzept zur Islamkonferenz bis Mitte März

Berlin (KNA). Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) will bis Mitte März ein Konzept zur Fortsetzung der Islamkonferenz vorlegen. Das kündigte der Minister am Montag in Berlin nach einem ersten Gespräch mit Vertretern muslimischer Verbände an. Bei der Unterredung habe man sich auf Inhalte konzentriert „und gemeinsam diskutiert, wie wir unseren Dialog ergebnisorientiert und nach vorne schauend fortsetzen können“, sagte der Minister. Die Gespräche würden in den kommenden Wochen fortgesetzt, um sich über Ziele, Themen, Struktur und Aufbau der Konferenz verständigen.

Nach Angaben des Ministeriums nahmen sieben Verbände an dem Treffen teil, darunter die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, zeigte sich nach dem Gespräch optimistisch. „Heute haben wir tatsächlich ergebnisoffen, auch formatsoffen und inhaltsoffen gesprochen“, sagte Mazyek der Deutschen Welle. Es gehe darum, den Islam als Teil der Gesellschaft in Deutschland zu verstehen.

Nach Ansicht des Wissenschaftlers Bülent Ucar sollte bei einer Neuausrichtung die gleichberechtigte Anerkennung des Islam als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Mittelpunkt stehen. „Weil diese Frage auf Landesebene zu klären ist, müssen die Bundesländer viel stärker in die Islamkonferenz einbezogen werden“, sagte der Direktor des Instituts für islamische Theologie an der Universität Osnabrück der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag). Nur durch eine rechtliche Gleichstellung der islamischen Gemeinden mit anderen anerkannten Religionsgemeinschaften in Deutschland lasse sich ein Dialog auf Augenhöhe führen.

Ucar lobte zugleich die Initiative de Maizieres, auf die islamischen Verbände zuzugehen und den Austausch zu suchen. Er appellierte an die Verbände, die sich in der Vergangenheit aus der Islamkonferenz zurückgezogen hatten, sich auf einen erneuten Dialog einzulassen. „Besonders wichtig ist es, dass der Islamrat und der Zentralrat der Muslime an der nächsten Islamkonferenz teilnehmen“, sagte der Islamwissenschaftler. „Diese beiden großen Verbände müssen die Bereitschaft zeigen, mitzuwirken.“

Die Linke bezeichnete unterdessen die Islamkonferenz als Symbolpolitik. Statt ihre gesellschaftliche Anerkennung zu fördern, habe die Konferenz Muslime bislang eher als problematische Gruppe erscheinen lassen, erklärte die migrationspolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Sevim Dagdelen. „Integration ist eine soziale, keine religiöse Frage“, so Dagdelen. Es müsse um die soziale und politische Teilhabe aller hier lebenden Menschen gehen – unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen oder religiösen Herkunft. Dazu bedürfe es „keiner Konferenzen oder Kommissionen, sondern einer anderen Politik mit praktischen Schritten zu rechtlicher und sozialer Gleichstellung“.

De Maiziere trifft sich ab Montag mit muslimischen Verbänden

Berlin (KNA). Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) will sich bereits am Montag mit  muslimischen Verbänden treffen. Dann soll über die Zukunft der Deutschen Islamkonferenz (DIK) beraten werden, wie der Berliner „Tagesspiegel“ (Samstag) berichtete. De Maiziere hatte vor wenigen Tagen angekündigt, er wolle die Islamkonferenz nicht in der bisherigen Form fortsetzen.

Nach Informationen der Zeitung wurde auch der Islamrat zu den Gesprächen eingeladen. De Maiziere hatte ihn während seiner ersten Amtszeit als Minister von der Konferenz mit der Begründung ausgeschlossen, dass gegen hohe Mitglieder der Vereinigung Milli Görüs, die dem Islamrat angehören, ermittelt werde.

Das Ministerium hatte auf Anfrage der Zeitung aber nur die Einladung an die aktuell vertretenen Organisationen bestätigt. Dazu gehören die türkisch-islamische DITIB, die Alevitische Gemeinde, der Verband der islamischen Kulturzentren VIKZ, die Türkische Gemeinde, die Vertretungen von bosnischen und marokkanischen Muslimen und der Zentralrat der Muslime (ZMD). Der Islamrat sei für Gespräche am Mittwoch eingeladen, so die Zeitung weiter.