Was die UN jetzt tun kann

Ausgabe 293

Foto: Faizan Ahmad Sheikh | Shutterstock

Die Besatzung Kaschmirs ist einzigartig, weil es sich die indische Regierung einer vollkommenen Straflosigkeit erfreut. Die Weltmächte reagieren nicht.

Kaschmir ist in Aufruhr. Die Zentralregierung hat eine Ausgangssperre erhoben, alle öffentlichen Versammlungen verboten, mehr als 20.000 junge Menschen verhaftet und die kaschmirische Führung unter Hausarrest gestellt. Internetdienste wurden gekappt und Universitätsexamen verschoben. Überall in der Hauptstadt Srinagar und anderen Städten stehen Barrikaden. Momentan befinden sich mehr als 8,5 Millionen in Kaschmir seit dem 5. August im Belagerungszustand.

Daher wenden wir uns im Namen der Menschen in Jammu und Kaschmir an den UN-Generalsekretär mit einem Aufruf. Er soll seinen persönlichen Einfluss geltend machen, um die Kampagne der unterscheidungslosen Tötung und Zerstörung, die seit Januar 1990 beziehungsweise spätestens seit dem 5. August 2019 von indischen Besatzungstruppen betrieben wird, Einhalt zu gebieten. Dabei muss er folgende Punkte zur Kenntnis nehmen.

Von den wahllosen Tötungen unbewaffneter Zivilisten und Übergriffen auf unschuldige Frauen sowie Kinder wurde in der Weltpresse nicht ausreichend berichtet. Die indischen Besatzungsbehörden haben den Zutritt der Weltmedien zum Gebiet untersagt und sogar Lokalmedien Beschränkungen auferlegt. Nichtsdestotrotz gewähren selbst die gelegentlich erscheinenden Berichte einen Einblick in die Terrorherrschaft, die Indien im besetzten Gebiet eingeführt hat.

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Amnesty International startete am 5. September eine Kampagne, in der es hieß: „Beinahe acht Millionen Menschen in Kaschmir leben seit 5. August inmitten eines Kommunikationsverbots. Die Welt muss von den Geschehnissen erfahren.“ Arundhathi Roy schrieb in der „New York Times“ vom 15. August 2019: „Heute ist Kaschmir (…) vielleicht die am stärksten militarisierte Zone der Welt. Mehr als eine halbe Million Soldaten werden eingesetzt, um das zu bekämpfen, was die Armee selbst nur als eine Handvoll ’Terroristen’ bezeichnet. Sollte es zuvor irgendwelche Zweifel gegeben haben, so ist heute übermäßig klar, dass ihr wirklicher Feind das Volk in Kaschmir ist. Was Indien in Kaschmir während der letzten 30 Jahre tut, ist einfach unverzeihlich.“ Die „Huffington Post“ schrieb am 5. August: „Während Kaschmir ausradiert wird, stirbt Indiens Demokratie leise.“ Und Michael De Dora sowie Aliya Iftikhar beschrieb auf CNN die Lage so: „Die Kaschmiris haben angesichts dieser Krise einen bewundernswerten Mut an den Tag gelegt. Und ihre Stimmen müssen gehört werden.“

Selbst in dieser gewalttätigen Welt von heute muss das indische Verhalten erwähnt werden. Seine Besatzung ist einzigartig, weil es sich einer vollkommenen Straflosigkeit erfreut. Von den anderen Weltmächten wurde bisher kein wirkliches Wort der Verurteilung erwähnt. Dabei handelt es sich nicht nur um Passivität und Tatenlosigkeit, sondern um Ermutigung von Tyrannei. Die Angelegenheit wird noch verwirrender angesichts der Tatsache, dass Kaschmir Gegenstand eines internationalen Streits ist. Nicht einmal im Entferntesten kann es alleinig unter Indiens Herrschaft fallen.

Uns ist die Tatsache bewusst, dass die begründeten Abläufe der Vereinten Nationen keine schnelle Intervention möglich machen, welche die humanitären und politischen Aspekte der Lage in Kaschmir eigentlich nötig machen würden. Das Minimum, das getan werden kann, um der Bevölkerung von Kaschmir Hilfe und Wiedergutmachung zu bringen, ist die Entsendung einer Informationsmission, die von einem Diplomaten von hohem internationalem Rang geleitet wird, um rasch über die Lage in Kaschmir zu berichten. Solch eine Mission könnte alle Teile von Jammu und Kaschmir bereisen sowie die Hauptstädte von Indien und Pakistan, um die Gültigkeit der Vorwürfe aller Seiten zu überprüfen. Die Lage in Kaschmir ist zu drängend, um sie dem routinierten Mechanismus des UN-Menschenrechtsrates sowie verschiedener Körperschaften zu übergeben, welche die Einhaltung verschiedener Konventionen überwachen sollen.