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Rückenwind für Anerkennung eines palästinensischen Staates?

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Foto: UN Photo/Loey Felipe

Mehrere einflussreiche Staaten planen bei der UN-Vollversammlung in New York die Anerkennung eines palästinensischen Staates. Warum Deutschland diesen Schritt ablehnt und welche Rolle Frankreich spielt.

Tel Aviv/Ramallah/New York/Paris (dpa). Gut drei Jahrzehnte nach den Osloer Abkommen, die einst Hoffnung auf Frieden in Nahost weckten, steht die Weltgemeinschaft erneut an einem Scheidepunkt. Von Sara Lemel, Michael Evers, Benno Schwinghammer, Jörg Blank

Einflussreiche Länder wie Frankreich, Belgien und Kanada wollen vor den Vereinten Nationen in New York einen Staat Palästina anerkennen – mitten im blutigsten Nahost-Konflikt seit Jahrzehnten. Kann ein solcher Schritt neue Dynamik in die festgefahrene Lage bringen?

Gut eine Woche vor der geplanten Anerkennung bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen stimmte die UN-Vollversammlung am Freitag bereits für ein Dokument, das ein Ende der Herrschaft der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen sowie eine Zweistaatenlösung fordert.

142 Länder sprachen sich für die Unterstützung des Papiers aus. Zehn stimmten dagegen, darunter die USA und Israel. Zwölf Mitgliedsländer enthielten sich. Deutschland stimmte für die Unterstützung des Dokuments, obwohl es die Anerkennung eines Palästinenser-Staats zum gegenwärtigen Zeitpunkt ablehnt.

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Foto: Nuno21, Shutterstock

Warum treibt Frankreich eine Anerkennung voran?

Die Abstimmung fand mit Blick auf ein für den 22. September im Vorfeld der UN-Generaldebatte geplantes Treffen zu dem Thema statt, für das Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die offizielle Anerkennung eines Staates Palästina durch sein Land angekündigt hat.

Frankreichs Vorstoß hängt vor allem mit Macrons Wunsch zusammen, den verheerenden Gaza-Krieg zu beenden. Nicht zum ersten Mal versucht er, mit diplomatischen Initiativen internationale Konflikte zu lösen. Er unterstreicht damit auch Frankreichs Anspruch auf eine Führungsrolle in der Weltpolitik.

Nach Angaben seines Außenministeriums geht es Macron vor allem um die Umsetzung der Zweistaatenlösung, die neben Israel einen unabhängigen Palästinenserstaat vorsieht.

Mit der Anerkennung setzt er auf ein neues Druckmittel gegen Israel – nachdem frühere Bemühungen wirkungslos blieben. Bei einem Besuch in der Region zeigte er sich tief betroffen von der humanitären Lage in Gaza. Experten zufolge will er zugleich das Prinzip wahren, internationale Konflikte nicht mit zweierlei Maß zu bewerten.

Foto: שי קנדלר, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 4.0

Extremisten auf beiden Seiten torpedierten den Friedensprozess

Der Friedensprozess in den 1990er Jahren weckte zunächst große Hoffnungen auf eine friedliche Lösung des jahrzehntelangen blutigen Konflikts, der auf beiden Seiten zahlreiche Opfer gefordert hatte.

Es konnte jedoch nach der Schaffung einer Palästinensischen Autonomiebehörde keine Einigung über die zentralen Konfliktpunkte erzielt werden – von den Grenzlinien über den Status Jerusalems bis hin zu dem Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge und der Frage der israelischen Siedlungen.

Extremisten auf beiden Seiten haben zudem immer wieder versucht, den Friedensprozess mit Gewalt zu torpedieren. Auch die tiefe Spaltung zwischen den rivalisierenden Organisationen Hamas und Fatah hat das palästinensische Streben nach einem eigenen Staat über die Jahre nachhaltig geschwächt.

Was wollen die Palästinenser bei den UN erreichen?

Obwohl bereits fast 150 der 193 Mitgliedsstaaten einen palästinensischen Staat anerkennt haben, hat aus palästinensischer Sicht die Entscheidung mehrerer zentraler Weltmächte, die traditionell zu den engsten Unterstützern Israels zählen, eine besondere Bedeutung.

Wichtiger noch ist jedoch, dass diese Anerkennung den Erhalt der Zweistaatenlösung stützen soll, die derzeit durch den massiven Siedlungsausbau Israels im Westjordanland, Annexionsbestrebungen sowie durch die systematische Schwächung der Palästinensischen Autonomiebehörde mit Sitz in Ramallah stark gefährdet ist.

Eine Anerkennung verleiht dem palästinensischen Streben nach einem eigenen Staat neue Legitimität – und könnte den Weg zur vollen UN-Mitgliedschaft ebnen.

Foto: Saeschie Wagner, Shutterstock

Warum blockiert Israel bei der Zweistaatenlösung?

Die israelische Regierung lehnt die Zweistaatenlösung mit der Begründung ab, sie gefährde die Existenz Israels. Sie wirft der Autonomiebehörde von Präsident Mahmud Abbas vor, Palästinenser zu Terror zu ermutigen. Zudem wird kritisiert, eine Anerkennung jetzt käme einer „Belohnung für die Hamas“ nach dem beispiellosen Massaker vom 7. Oktober 2023 gleich.

Hamas hat sich die Zerstörung Israels und die Einrichtung eines islamischen Staates auf dem gesamten Gebiet des historischen Palästinas auf die Fahne geschrieben.

Gleichzeitig treibt die rechtsreligiöse Regierung Benjamin Netanjahus den Ausbau der Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem stetig voran. Die Gebiete, in denen heute mehr als 700.000 Siedler neben rund drei Millionen Palästinensern leben, wurden von Israel im Sechstagekrieg 1967 erobert.

Die Palästinenser beanspruchen sie ebenso wie den Gazastreifen für einen eigenen Staat. Durch die fortschreitende Besiedlung bliebe davon jedoch schon heute nur ein „Flickenteppich“ übrig.

Rechtsextreme und siedlerfreundliche Minister innerhalb der Regierung drängen zudem massiv auf eine Annexion des Westjordanlands, das sie als Teil des biblischen Israels betrachten. Finanzminister Bezalel Smotrich drohte zuletzt, Israel werde sich das Gebiet – auf Hebräisch „Judäa und Samaria“ – einverleiben, sollte ein palästinensischer Staat anerkannt werden.

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Foto: Steffen Prößdorf, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 4.0

Deutschland: Voraussetzung für Anerkennung eines Staates Palästina nicht erfüllt

Deutschland wird im Gegensatz etwa zu Frankreich oder Kanada bei der UN-Vollversammlung in New York keinen Staat Palästina anerkennen.

Kanzler Friedrich Merz (CDU) betonte letzten Monat bei einem Treffen mit dem kanadischen Premierminister Mark Carney in Berlin: „Wir werden uns dieser Initiative nicht anschließen.“ Er fügte hinzu: „Wir sehen die Voraussetzungen für eine staatliche Anerkennung gegenwärtig in keiner Weise als erfüllt an.“

Deutschland sieht die Anerkennung eines palästinensischen Staates als einen der letzten Schritte auf dem Weg zu einer Zweistaatenlösung, die durch Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern erreicht werden.

Warum ist die Anerkennung in New York geplant?

Jedes Jahr im September reisen mehr als hundert Staats- und Regierungschefs an den East River nach New York, um vor dem wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen zu sprechen. Die Generaldebatte der UN-Vollversammlung gilt als größte diplomatische Bühne der Welt und bietet damit den idealen Rahmen für eine völkerrechtlich bedeutende Ankündigung wie diese.

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