Appelle und Warnungen zum Holocaust-Gedenktag

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Bonn (KNA). Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (Sonntag) mahnen Stimmen aus Politik und Gesellschaft zu einer lebendigen Erinnerungskultur. „Dieser Tag lässt uns daran erinnern, was Rassenwahn, Hass und Menschenfeindlichkeit anrichten können“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrem wöchentlichen Podcast am Samstag. „In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Millionen Menschen entrechtet, gefoltert, gequält und ermordet.“
Merkel rief zudem jeden Einzelnen auf, „Verantwortung dafür zu tragen, dass wir null Toleranz gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit, Hass und Rassenwahn zeigen“. Für sie sei es auch mehr als 70 Jahre nach dem Holocaust unentbehrlich, an die Geschichte zu erinnern. Dabei ist es für Merkel besonders wichtig, Gedenken „neu zu gestalten“, auch weil es immer weniger Zeitzeugen gebe. Deshalb würden die verschiedenen Formen des Gedenkens, wie die Förderung von Gedenkstätten und privaten Initiativen, immer bedeutsamer.
Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, forderte einen „Aufschrei der gesellschaftlichen und politischen Institutionen“ gegen einen wachsenden Antisemitismus in Europa und speziell in Deutschland. „Wir müssen den Anfängen wehren“, sagte sie der „Passauer Neue Presse“.
Der Judenhass habe hierzulande wieder deutlich zugenommen, so die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. „Wir erleben ihn von allen Seiten – von der politischen Linken, von Rechtsextremen wie der AfD und von Muslimen, die den Judenhass mit einer Israelfeindlichkeit verbinden.“ Sie habe zwar den Glauben an Deutschland nicht verloren, „aber es ist fünf vor zwölf“, sagte die 86-Jährige: „Es fehlt noch immer der große gesellschaftliche Widerstand.“ Die AfD kritisierte Knobloch als „Sammelbecken für Rechtsradikale, Nationalisten und Antisemiten“. Im „Spiegel“ ergänzte sie: „Sie bedroht den Fortbestand unseres höchst erfolgreichen Gemeinwesens.“
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, warf der AfD auch vor, sie vertrete „viele antisemitische Positionen“. Dazu zählten die Forderungen nach einem Verbot der Beschneidung und des rituellen Schächtens, sagte Klein im „Interview der Woche“ im Deutschlandfunk, das am Sonntag ausgestrahlt wird.
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) betonte den Wert einer lebendigen Erinnerungskultur. „Wir dürfen nicht vergessen, was damals in unserem Land Menschen anderen Menschen angetan haben“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Die Präses der Synode der EKD, Irmgard Schwaetzer, hob hervor, dass den Kirchen angesichts ihrer Verstrickung in die nationalsozialistischen Verbrechen eine besondere Verantwortung zukomme. Sie müssten dafür sorgen, dass sich so etwas niemals wiederhole.
Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, äußerte Sorgen, dass „das gesellschaftliche Klima mit nicht nur antisemitischem Hass“ vergiftet wird. „An die Stelle von Empathie und Toleranz tritt Abgrenzung, Neid und aggressiver Hass“, so Heubner. Aber: „Gerade deshalb sind die Überlebenden von Auschwitz in diesen Tagen besonders froh darüber, dass ein Ruck durch Europa zu gehen scheint und immer mehr Menschen ihre gleichgültige Distanz aufgeben und diesen Entwicklungen entgegentreten.“