
Muslimfeindlichkeit in Berlin: Am 11. Juni stellte die CLAIM Allianz neuen Zahlen für die Hauptstadt vor. Und berichtet einen starken Anstieg.
Berlin (KNA, iz). In Berlin kam es 2024 laut der CLAIM Allianz zu einem sprunghaften Anstieg von antimuslimischen Übergriffen und Diskriminierungen.
Die am 11. Juni vorgestellte Jahresbilanz der Allianz gegen Islamfeindlichkeit und Muslimfeindlichkeit registrierte 644 Fälle, fast 70 % mehr als im Vorjahr. Beinahe zwei Drittel der Betroffenen sind demnach Frauen, häufig in Begleitung ihrer Kinder. Antimuslimischer Rassismus zeige sich meist in Form von Diskriminierung (46 %) und verbalen Übergriffen (40 %).
Dokumentiert wurde eine Zunahme bei schweren Delikten: 2024 wurden nach Angaben des Netzwerkes mehr antimuslimische Körperverletzungen registriert als im Vorjahr.
Nach Ansicht von Ioannis Demosthenous vom Berliner Antidiskriminierungsnetzwerk sah einen Zusammenhang zwischen hiesigen Debatten und dem Anstieg von Diskriminierungen. „Als Beratungsstelle im Antidiskriminierungsbereich verzeichnen wir in den letzten zwei Jahren einen Anstieg der Fälle antimuslimischen Rassismus um 65 %. Besonders auffällig ist, dass hitzige öffentliche Debatten über das Migrationsrecht zunehmend in konkrete Diskriminierung umschlagen – ein Trend, der das Sicherheitsgefühl vieler als muslimisch gelesener Menschen massiv beeinträchtigt.“
Berlin: CLAIM spricht von „alarmierenden Ergebnissen“
Claim-Geschäftsführerin Rima Hanano sprach von alarmierenden Ergebnissen. Seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas vom 7. Oktober 2023 habe nicht nur Antisemitismus deutlich zugenommen, sondern auch antimuslimischer Rassismus.
„Die Jahresbilanz zeigt, dass antimuslimische Übergriffe und Diskriminierungen in Berlin an der Tagesordnung sind. Der massive Anstieg dokumentierter Fälle um fast 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und die Enthemmung gegenüber betroffenen Menschen müssen als Weckruf verstanden und dürfen nicht länger hingenommen werden.“
Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt 2024 habe ebenfalls zu einer Dynamisierung geführt. Muslime würden unter Generalverdacht gestellt; das ermutige andere, Muslime öffentlich zu diskriminieren, so Hanano.
Realität des Berliner Alltags
Antimuslimischer Rassismus sei kein Randphänomen, sondern eine strukturelle Realität in Schule, am Arbeitsplatz und bei der Polizei. 35 & der erfassten Fälle fand laut Bericht im Bildungsbereich statt. „Dabei diskriminierten nicht nur Schüler, sondern auch Lehrkräfte“, sagte Hanano.
Sie kritisierte, antimuslimischer Rassismus werde politisch weitgehend ignoriert. An den Berliner Senat appellierte sie, Vorfälle besser zu erfassen und mehr unabhängige Beratungsstellen zu schaffen, damit Betroffene spezielle Hilfe bekommen könnten. Auch müsse das Berliner Neutralitätsgesetz abgeschafft werden, da es Frauen mit Kopftuch diskriminiere.
„Für die Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus und den Schutz von betroffenen Menschen in Berlin sind jetzt entschiedenes Handeln und eine klare Positionierung notwendig. Insbesondere in Schulen aber auch in der Verwaltung und in Behörden insgesamt ist eine stärkere Auseinandersetzung mit antimuslimischem Rassismus notwendig.“
Claim warb dafür, den 1. Juli zum Gedenktag gegen antimuslimischen Rassismus zu machen – im Gedenken an die Ermordung der schwangeren Marwa El-Sherbini in einem Dresdner Landgerichtssaal am 1. Juli 2009.
Sie hatte in einem Strafprozess als Zeugin ausgesagt, als der Angeklagte sie mit 18 Messerstichen tötete. Im Prozess ging es darum, dass er sie auf einem Spielplatz islamfeindlich beschimpft hatte.
Senatorin Kzilepe: Berlin steht für eine offene Gesellschaft
Berlins Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung erklärt zu den Zahlen: „Berlin steht für eine offene und vielfältige Gesellschaft. Doch wir erleben leider auch hier antimuslimischen Rassismus. Wir müssen ihn sichtbar machen und dürfen ihn nicht verschweigen. Denn nur so können wir ihn erfolgreich bekämpfen und uns vor ihm schützen. Monitoringstellen wie Report! leisten dafür eine unverzichtbare Arbeit.“
Diese Dokumentationen bilden in ihren Augen die Grundlage für die Politik und die Zivilgesellschaft, um noch besser zu handeln und betroffene Menschen wirksam schützen können. Die aktuelle Jahresbilanz von CLAIM zeig ein zunehmend vergiftetes soziales Klima. Muslimfeindlichkeit werde zur Spaltung der Gesellschaft genutzt. „Alle Demokrat*innen sind aufgefordert, noch mehr dagegen zu tun, damit unsere Gesellschaft nicht verroht. Wir stehen allen Menschen, die von antimuslimischem Rassismus betroffen sind, solidarisch zur Seite.“