Neuer Beitrag in unserem Reiseblog: Mekka und Madina sind Reiseziele von einzigartigem Charakter.
(iz). In dem Moment, in dem man die Absicht fasst, nach Mekka und Madina zu reisen, spürt man eine Veränderung, die sich mit keiner anderen Reise vergleichen lässt. Neben die frohe Erwartung tritt die Erfahrung der Unverfügbarkeit. Man weiß erst, ob sich das Schicksal erfüllt, wenn man ankommt.
Mit diesen Gedanken sitze ich im Flugzeug, in zehntausend Metern Höhe. In Istanbul habe ich drei Stunden Aufenthalt und beobachte die Reisenden in all ihren Varianten: Geschäftsreisende, Urlauber, Touristen und – in kleinerer Zahl – Pilger.
Als schließlich das Gate für den Weiterflug bekannt gegeben wird, steht mir noch eine kleine Wanderung bevor, bis ich an Ort und Stelle bin, um meine Reise fortzusetzen.

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Madina – die heutigen Dimensionen sind kaum fassbar
In Madina sind nur noch die Einreiseformalitäten zu erledigen, und bald darauf sitze ich im Taxi auf dem Weg zu meinem Hotel. Zur Moschee sind es nur einige hundert Meter; ein stetiger Strom von Menschen bewegt sich durch die Straßen und macht jede Orientierung überflüssig.
So stehe ich schließlich vor der Moschee des Propheten. Das beeindruckende Gebäude bietet mehreren hunderttausend Menschen Platz und wirkt trotz seiner Größe ruhig und gesammelt. Die Atmosphäre ist friedlich, beinahe zeitlos.
Wenn man an die Ursprünge dieser Stadt denkt, sind die Ausmaße und Dimensionen der heutigen Anlage kaum fassbar. In einem Museum in unmittelbarer Nähe wird daran erinnert.
Es lenkt den Blick zurück auf die Anfänge: Die erste Moschee war nur teilweise überdacht, das danebenliegende kleine Haus des Propheten stand für bescheidene Verhältnisse. Was heute Raum für Hunderttausende bietet, begann in Einfachheit und Maß.
Heute ist die Stadt ein Reiseziel von Pilgern aus aller Welt, die nach den Gesetzen moderner Logistik mit Flugzeugen, Zügen und Bussen anreisen. Man staunt darüber, dass technologische Innovationen, Apps und eine hochentwickelte Infrastruktur letztlich nur einem Zweck dienen: der Moschee des Propheten.

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In der Wüste
Am Folgetag lädt mich ein Freund zu einem Ausflug in die Wüste ein. Nach einer Stunde Fahrt sitzen wir in seinem Nomadenzelt, in einer Ebene, umringt von Granitbergen. Der Kontrast zur Stadt könnte nicht größer sein.
Hier herrscht absolute Stille. In Sichtweite stehen ein paar Sträucher und ein kleiner Baum. Wir beobachten einen kleinen Vogel, einen Hudhud (Wiedehopf), wie mein Gesprächspartner begeistert feststellt.
Der Prophet Sulaiman (Salomo), Friede sei mit ihm, war ein besonderer Prophet, dem Allah große Gaben verliehen hatte. Er verstand die Sprache der Tiere und herrschte gerecht über Menschen, Dschinn und Tiere.
Eines Tages bemerkte Sulaiman, dass der Vogel Hud-Hud in seiner Versammlung fehlte. In der Sure „Die Ameisen“ (27:20) wird davon berichtet: „Und er schaute bei den Vögeln nach. Da sagte er: ‘Wie kommt es, dass ich den Wiedehopf nicht sehe? Befindet er sich etwa unter den Abwesenden?’“
Da Disziplin und Verantwortung wichtig waren, fragte der Prophet nach ihm und war zunächst verärgert über sein Fehlen. Kurz darauf kehrte der Hudhud zurück und berichtete von etwas Außergewöhnlichem.
Er hatte ein fernes Land entdeckt, Saba (Sheba), dessen Königin und Volk die Sonne anbeteten. Sulaiman hörte dem Hud-Hud aufmerksam zu und nutzte diese Gelegenheit, um die Königin von Saba zum wahren Glauben an den einen Gott einzuladen. Der Vogel wurde zurückgeschickt, um einen entsprechenden Brief zu überbringen.
Die Erzählung erinnert daran, dass selbst ein kleines und scheinbar unbedeutendes Geschöpf eine wichtige Rolle im göttlichen Plan spielen kann. Der Wiedehopf war kein mächtiger Krieger bzw Gelehrter, sondern ein kleiner Vogel – und doch wurde er zum Überbringer einer entscheidenden Wahrheit. Jeder, unabhängig von Größe, Stärke oder Status, kann von Gott für etwas Bedeutendes eingesetzt werden. Niemand ist zu klein, um Teil eines göttlichen Plans zu sein.
Die Weite, Stille und Dichte der Atmosphäre in der Wüste schärfen die Wahrnehmung für Zeichen und Sinn. Gerade die Anwesenheit des kleinen Vogels in dieser Einsamkeit erinnert daran, dass es in der Geschichte nicht um ein bloßes „damals“ geht.
Sie verweist vielmehr auf eine zeitlose Wirklichkeit: die Allgegenwärtigkeit des Göttlichen. Gott wirkt nicht nur in großen historischen Momenten oder durch mächtige Figuren, sondern ist überall gegenwärtig – auch im Kleinen, im Unspektakulären, im Hier und Jetzt.
Ibn Khaldun über Leben in der Wüste
Ein Aufenthalt in der Wüste ist jedem Reisenden zu empfehlen, vor allem, wenn man die Erkenntnisse Ibn Khalduns nachvollziehen will, der die essentielle Bedeutung von städtischem und nomadischem Leben für die Entwicklung der arabischen Zivilisation beschreibt. Berühmt ist die zyklische Beschreibung der Geschichte des Begründers der Soziologie:
„Die Kultur entsteht durch den Zusammenschluss der Menschen; der starke Zusammenhalt (ʿAsabīya) treibt sie zum Aufstieg. Mit Reichtum und Luxus kommt die Schwäche, und schließlich der Fall.“
Vermutlich ist es kein Zufall, angesichts der Krisen unseres Stadtlebens, man denke nur an die Mieten und steigende Energiekosten, dass nomadische Lebensformen, im digitalen Zeitalter, wieder im Trend sind.

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In Gärten sitzen
Die weiteren Tage in Madina sind den fünf täglichen Gebeten in der großen Prophetenmoschee gewidmet und der Besichtigung mancher historischer Stätten. In der Qubamoschee bete ich mit meinem Guide, einem Imam aus Nigeria, der hier seit einigen Jahren studiert. Sie wird von den Muslimen hoch verehrt:
„Eine Moschee, die vom ersten Tag an auf Rechtschaffenheit gegründet wurde, ist würdiger für euch, darin zu stehen. In ihr sind Menschen, die es lieben, sich zu läutern, und Allah liebt diejenigen, die sich läutern.“ (9:108)
Der Prophet, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm, unterstrich die Vorzüge des Besuchs der Moschee und des Gebets in ihr und sagte: „Wer sich in seinem Haus reinigt, zur Quba-Moschee geht und dort betet, dem wird die Belohnung der ‘Umrah zuteil.“
Anschließend besuchen wir einen wunderbaren Garten, sitzen unter einer Palme und erzählen uns gegenseitig vom islamischen Leben in Deutschland und Nigeria. Der Imam, der das Wissen hat, sich erfolgreich im Kampf gegen die Extreme zu engagieren, wird bald in seine Heimat zurückkehren. Wir verabschieden uns mit dem Gefühl, uns irgendwann einmal wiederzusehen.
In Madina entfaltet sich der ganze Sinn des Reisens: das Streben nach Wissen, die Metamorphose, die Transformation durch die empfohlenen Tugenden und das Einswerdens mit dem Reiseziel. Auf diese Weise erfüllt sich die Absicht, die am Beginn der Reise stand, dem Schöpfer näher zu kommen.