Bildung hilft: Studie über jugendliche Delinquenz stellte unter anderem keinen höheren Migrantenanteil fest

Ausgabe 229

(dxc). Lassen sich individuelle Verläufe von Gewaltkriminalität im Jugendalter vorhersagen? Schrecken harte Strafen wirklich ab? Wie wirkt sich der Konsum von Gewaltfilmen auf Jugendliche aus? Auf diese und andere Fragen suchen Kriminologen immer wieder nach Antworten. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit zwölf Jahren geförderte Langzeitstudie „Kriminalität in der modernen Stadt“ unter Leitung des Kriminologen Prof. Dr. Klaus Boers (Westfälische Wilhelms-Universität Münster, WWU) und des Soziologen Prof. Dr. Jost Reinecke (Uni Bielefeld) bringt nun Licht ins Dunkel.

Die Studie unterscheidet sich von bisherigen Untersuchungen vor allem dadurch, dass einmalige Befragungen lediglich Momentaufnahmen lieferten, aber nichts über die individuelle Entwicklung der Kriminalität aussagten. „Es gibt bisher keine vergleichbare Studie in Deutschland, die delinquentes Verhalten für Jugendliche und junge Erwachsene im Altersverlauf erfasst“, unterstreicht Jost Reinecke den Wert der Studie. Auf Basis einer jährlich wiederholten und anonymen Befragung von rund 3.400 Duisburger Jugendlichen gibt die Untersuchung einen einzigartigen und profunden Überblick über den Einfluss von Wertorientierungen, Erziehungsstilen, Freundesgruppen, Gewaltmedien, Migrationshintergrund, Präventionsmöglichkeiten und über die Wirkung strafrechtlicher Sanktionen.

Die Wissenschaftler bekamen Einblicke in das Dunkelfeld der Kriminalität, indem die jungen Menschen über Straftaten berichteten, die in keiner offiziellen Statistik auftauchen. Zusätzlich werteten sie (Hellfeld-)Daten über Verurteilungen und Verfahrenseinstellungen aus. Zwar stammen die Angaben und Daten der Studie ausschließlich aus Duisburg – die Wissenschaftler sind aber davon überzeugt, dass sich viele Ergebnisse auch auf andere deutsche Großstädte übertragen lassen. Jugendliche aus Migrantenfamilien sind in Duisburg nicht häufiger an Gewaltdelikten beteiligt als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Als präventive Faktoren werten die Wissenschaftler stabile familiäre und nachbarschaftliche Bindungen, ein gutes Schulklima sowie eine erfolgreiche Ausbildung. Die Orientierung an traditionellen und religiösen Werten geht außerdem mit weniger Alkoholkonsum und einem gemäßigteren Freizeitverhalten einher.

Der Konsum von Gewaltfilmen erhöht die Neigung, Gewalttaten zu begehen. Zwar gibt es nur selten eine direkte Verstärkung des Gewaltverhaltens durch den Konsum von Gewaltfilmen, es kann aber zu einer problematischen indirekten Wirkung kommen: Der Konsum steigert die Befürwortung von Gewalt – und je stärker Gewalt befürwortet wird, desto häufiger kommt es zu Gewalttaten. „Die für Jugendliche typische, gelegentliche Delinquenz regelt sich weitgehend von selbst. Erfreulich ist, dass auch Intensivtäter – wenn auch später – den Weg in die Normalität finden“, bilanziert Klaus Boers.

Anzeige: