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Fitness und Ernährung: Bloß nicht alles glauben

Ausgabe 365

Fitness
Foto: Freepik.com

Fitness und Ernährung gehören zu denen Themen, in denen sich unzählige Meinungen widersprechen. Wir sprachen mit Idries Muali über Ergänzungsmittel und darüber, wie man Betrüger erkennt.

(iz). In den letzten Jahren hat sich der Fitness-, Ernährungs- und Wellnessbereich dank sozialer Medien und Plattformen erheblich ausgeweitet. Die Zahl der Influencer und Anbieter, die ihre Dienstleistungen verkaufen, ist schwer zu durchschauen. Viele VerbraucherInnen und Interessierte wissen insbesondere nicht, ob und welchem Maße Angebote seriös und gesund sind.

Dabei ist Wohlbefinden und das fitte Leben längst ein Wachstumsmarkt. Diverse Lifestyletipps konkurrieren miteinander und widersprechen sich doch dabei. Besonders lukrativ ist der Markt für Nahrungsmittelergänzungsmittel (auch Supplements). Viele Kunden sich von einzelnen Substanzen Wunder und hoffen auf Ende ihrer Probleme.

Über diese und weitere Fragen sprachen wir mit Idries Muali. Er wurde vor 31 Jahren als Kind polnisch-türkischer Eltern in Dortmund geboren. Ihm liegt das Unternehmertum im Blut. Der in seiner Jugend aktive Sportler hat mit 18 seine erste Firma gegründet und begann vor einiger Zeit, sich mit Nahrungsmittelergänzungsmitteln zu beschäftigen. Derzeit verkauft er über seine Website halal-zertifiziertes „Halal Collagen“.

Islamische Zeitung: Was sind diese Supplemente und warum hast Du dich damit beschäftigt?

Idries Muali: Mit fünf habe ich mit Fußball angefangen und 16 Jahre lang gespielt; zuletzt in der Futsal-Abteilung bei Fortuna Düsseldorf. In der Zeit habe ich solche Ergänzungsmittel genommen. Als Sportler habe ich mich bei bisherigen Angeboten nicht aufgehoben gefühlt und wollte sichere Produkte.

Worum handelt es sich dabei? Das sind Ergänzungen zur herkömmlichen Nahrung. Man nimmt sie, um entweder Mängel auszugleichen oder um spezifische Effekte zu fördern wie Regeneration bzw. Muskelwachstum. Das heißt, es gibt viele individuelle Anwendungsbereiche. Mir war es immer wichtig, ganzheitlich gesund zu sein.

Islamische Zeitung: Derzeit vertreibst Du über eine Webseite halal-zertifiziertes Collagen. Worum handelt es sich bei dem Wirkstoff, und was unterscheidet Dein Produkt von anderen?

Idries Muali: Collagen ist das wichtigste Strukturprotein im menschlichen Körper. Es stellt 30 % aller Proteine und findet sich überall – Haare, Haut, Gelenke, Sehnen, Bänder und Blutgefäße. Je mehr wir altern oder den Körper strapazieren – durch Rauchen, Sonnenlicht, viel Sport –, desto mehr verlieren wir dieses Eiweiß.

Ab 25 Jahren sinkt unsere Fähigkeit zu seiner Produktion um 1-2 % pro Jahr. Die Folgen sind Gelenkprobleme, erschlaffende Haut oder Haarausfall. Das heißt, es ist wichtig für uns. In der Gesellschaft wird es immer bedeutsamer, weil die Leute seine Bedeutung verstanden haben.

Warum habe ich mich entschieden, es zu nehmen und zu verkaufen? Es ist derzeit unser Flagship-Produkt. Collagen wird mehrheitlich aus Rind gewonnen. Ich war jahrelang auf Messen unterwegs, kenne die großen Hersteller, habe ihre Anlagen besucht und weiß, wie produziert wird.

Die Industrie ist zu umfangreich, um vollständige Sicherheit und Reinheit für Muslime zu gewährleisten. Das ist insbesondere hier kritisch, weil ein großer Teil aus Ländern kommt, in denen es keine sonderliche Kontrolle gibt wie China oder Indien. Die haben keinerlei Ahnung von Halalstandards bzw. Islam.

Deshalb haben wir uns vorgenommen, das zu ändern. Ich habe Zeit und Energie investiert, um eine Alternative aufzubauen. Was uns auszeichnet: Wir bieten ein Produkt von Muslimen für Muslime. Und wir haben es geschafft, dass die ganze Warenwirtschaftskette halal-zertifiziert ist.

Das reicht von der Aufzucht über Schlachtung bis zur technischen Verarbeitung. Was viele nicht wissen: Wenn man nicht aufpasst, kommt es zu Kreuzkontaminationen. Collagen wird bspw. durch das Hydrolose-Verfahren in Peptide gespalten.

Dafür kommen häufig Schweineenzyme zum Einsatz. Und dann bekommen Muslime ein Produkt – gar mit Halal-Symbol –, dass schlussendlich auch Schwein enthält.

Das ist nicht überraschend. Damit sich die Produktionsanlagen rentieren, lassen die Hersteller verschiedene Produktionen über die gleichen Fertigungsstraße laufen. Im Gegensatz dazu haben wir uns einen Produzenten gesucht, der auf Collagen mit einer ausgezeichneten Bioverfügbarkeit spezialisiert ist und haben dann gewährleistet, dass jeder einzelne Schritt zertifiziert ist.

Wir haben uns einen weltweit anerkannten ausgewählt, nach dem auch in strengen Staaten wie Malaysia lizenziert wird. So haben wir ein vollkommen sicheres Produkt für Muslime.

Screenshot: IZ Medien

Islamische Zeitung: Diese Zertifizierung ist sicherlich mit erheblichen Mehrausgaben verbunden, oder?

Idries Muali: Definitiv. Aber genau das war uns wichtig. Ansonsten ist Halal nur noch ein Symbol ohne Wert. Gibt es hier keine Anerkennung, könnte man nicht in Länder wie die Türkei, die Emirate oder nach Malaysia exportieren. Leider ist es so, dass es in dieser Industrie viele Grauzonen und schwarze Schafe gibt. In Europa existiert eine Handvoll von Akteuren, die hier zertifiziert.

Islamische Zeitung: Tauchen wir mal in die Welt der Nahrungsergänzungsmittel ein. Die haben sich vervielfacht – von Fachmärkten bis zu billigen Discountern. Alle haben Regale voll davon. Mittlerweile sind soziale Medien hinzugekommen. Teilweise widersprechen sich die Influencer so, dass man kaum Denklogik erkennen kann. Andererseits sagen Wissenschaftler und Mediziner, dass es für ein gesundes Leben eine Handvoll Prinzipien braucht – von der Kalorienbilanz, über ausreichend Bewegung bis zu richtigem Schlaf. Das sind vor allem Verhaltensempfehlungen, die nicht auf wundersame Substanzen bzw. „Superfoods“ setzen. Worin liegt die Lösung für Dich?

Idries Muali: Fangen wir mit den Discountern oder Drogeriemärkten an. Deren Vitaminpräparate bzw. Fischölkapseln bringen nichts, da sie nicht die nötige Bioverfügbarkeit haben. Ein Beispiel dafür ist Magnesiumoxid. Das ist die schlechteste Option, weil das meiste davon nicht im Körper ankommt.

Natürlich ist es primär wichtig, angemessen und gesund zu leben. Nahrungsergänzungsmittel bringen nichts, wenn man zwei Schachteln Zigaretten am Tag raucht oder zu viel Zeit im Solarium verbringt. Wir müssen erst einmal daran arbeiten. Bewegung tut uns gut. Und 80 % davon ist Ernährung. Sie sollte ausgewogen sein.

Bevor man beginnt, Supplemente zu nehmen, wie das wichtige D3, sollte jeder herausfinden, was er braucht. Wo habe ich ein Defizit und wo liegen meine Beschwerden?

Islamische Zeitung: Würdest Du Menschen, die ein gewisses Alter erreicht haben und keine Topsportler sind, dass sie erst einmal mit ihrem Arzt sprechen, bevor sie sich in die Welt der Supplemente stürzen?

Idries Muali: Die Herausforderung besteht darin, dass das deutsche Gesundheitswesen wenig offen ist. Unser Blut lässt sich auf viele Aspekte hin untersuchen. In den USA oder der Schweiz ist das normal. Dort gibt es Anbieter, die einem aufgrund des Blutbilds die passenden Ergänzungsmittel empfehlen. Wir müssen realistisch sein: Wer gesetzlich versichert ist, kommt hier nicht weit.

Islamische Zeitung: Ihr selbst vertreibt über das Netz und soziale Plattformen. Dort hat sich ein komplett unreguliertes Ökotop voller Marktschreier entwickelt, wo täglich ein neuer Influencer gehypet wird. Darunter sind diverse Scharlatane mit Webshops. Viele Videos wirken komisch, wenn man sich die anguckt. Und der Konsument hat gar nicht die Zeit und nicht die Lust, einen Großteil seiner Lebensenergie darauf zu verwenden, jeden Einzelnen zu überprüfen. Gibt es gewisse Tipps, wie man die korrekten und souveränen Leute von Betrügern unterscheiden kann? 

Idries Muali: Das ist heute schwer. Ich bin selbst zum Islam konvertiert und sehe daher meine Aufgabe darin, die Wahrheit zu sagen. Das gilt für unseren Content und das Marketing. Und unterscheidet uns von anderen Anbietern. Wir sind dabei recht strikt.

Hinzukommt, dass einige dieser Influencer radikal sein können. Das reicht von dem Rat, seinen Flüssigkeitsbedarf nicht über Wasser zu decken bis zur Behauptung, man solle weder Obst noch Gemüse essen. Am Ende läuft es darauf hinaus, dass sie ihre eigenen Produkte bewerben, mit ihrer Panikmache Kohle verdienen und damit 200.000 oder mehr Follower generieren können.

Sie verhalten sich wie ein „Messias“. Dabei erkennt man nach 2-3 Videos, dass sie kompletten Mist erzählen. Das Schlimme ist, dass sich das mit Studien und Analysen der letzten Jahrzehnte faktisch widerlegen lässt.

Trotzdem wirst Du viele Menschen finden, die daran glauben wollen. So wird eine Art Kult erschaffen. Das funktioniert am Ende wie ein Vertrieb. Es bleiben 10-20.000 Leute hängen, davon liken 5-600 den Clip und schlussendlich kaufen 100 Dein Produkt. Das wiederholt sich immer wieder. Wenn Du das fünf Jahre machst, hast Du zigtausende Menschen, die daran glauben.

Verbrauchern, die sich dafür interessieren, gebe ich folgenden Rat: Geht auf die Website. Gibt es Laborergebnisse? Wo sind die Labors akkreditiert? Die bieten eine klare Analyse und Berichte. Bei uns herrscht Transparenz – von den Zertifikaten bis zu den Laborberichten. Viele betreiben nicht einmal eine Seite, sondern haben nur einen TikTok-Shop. Da hilft dann der Algorithmus mit. Schaut man ein Video für drei Sekunden, schiebt die Plattform die folgenden nach.

Islamische Zeitung: Du hast vorhin „Messias“ erwähnt. Glaubst Du, es gibt in dem ganzen Fitness- und Supplement-Bereich eine quasireligiöse Heilserwartung?

Idries Muali: Ja. Das liegt am Druck durch soziale Medien. Das ist der Wunsch, ewig schön und jung zu bleiben. Dahinter stehen sexualisierte Schönheitsideale. Wir haben uns für einen anderen Weg entschieden. Und wir wollen Frauen nicht sexualisieren.

Ich glaube, der Druck ist mittlerweile groß. Alle machen Fitness, möchten lange und gesund leben. Jeder Star scheint 20 Jahre jünger auszusehen. Das ist auch der Wunsch nach Unsterblichkeit. Deshalb tun Unzählige das Ganze in der Hoffnung, dass es etwas bringt. Am Ende sterben alle. Egal, was wir nehmen oder wie viel Crossfit wir machen, wichtig ist, ein glückliches, erfülltes und ausgeglichenes Leben zu führen.

Foto: Freepik.com

Islamische Zeitung: In welcher Relation steht das zu unseren heutigen Schönheitsidealen? Schaut man sich Aufnahmen von Athleten aus der Vergangenheit an oder Statuen von Kriegern, waren die offenkundig anders gebaut…

Idries Muali: Faktisch sind wir im Vergleich bei den Folgen der Lebensweise kranker geworden – mehr Krebs, Herzkreislauferkrankungen oder Übergewicht. Das liegt zum einen daran, dass Nahrung für uns ständig verfügbar ist. Wir müssen nur zum Supermarkt gehen und uns kaufen, was wir wollen.

Mit den Effekten einer industriellen Nahrungsaufnahme ist seinerseits eine Industrie entstanden, die verspricht, mit den Folgen fertig zu werden. Viele Menschen essen schlecht und behandeln ihren gesunden Körper, als wäre er selbstverständlich. Am Ende müssen wir uns gut um ihn kümmern, damit wir gut altern können – sei es Bewegung oder Ernährung. Auch Supplemente sind nicht das Ticket zum ewigen Leben.

Grundsätzlich sollte jeder wissen, was es für eine vollwertige Lebensführung braucht. Ich habe kürzlich ein gutes Beispiel gehört: Wenn man ein Pferd im Wert von einer Million Euro besitzt, würde man ihm das gleiche zu essen geben, was man zu sich nimmt? Und dann stellt man fest: Das würde ich niemals tun!

Islamische Zeitung: Als Teil der muslimischen Community hast Du ja auch einen Einblick. Findest Du, dass hier ausreichend auf Gesundheit, Ernährung und Bewegung geachtet wird?

Idries Muali: Ich muss ganz klar sagen, dass ich positiv überrascht bin, da das Verständnis dafür tatsächlich auch bei den Muslimen in Deutschland immer größer wird. Wir haben im Februar begonnen und seitdem tausende Kunden gewonnen.

Viele haben sich in Zuschriften gemeldet, dass sich bspw. Gelenkschmerzen beim Gebet bessern. Es ist toll, zu sehen, wenn etwas einen positiven Effekt auf die Gesundheit der Leute hat.

Viele denken dabei nicht nur an sich, sondern kaufen für ihre Eltern oder Großeltern. Zumal wir auch einen Bereich für Muslime abdecken, der vorher im Gegensatz zu anderen Segmenten nicht bedient wurde.

Islamische Zeitung: Lieber Idries Muali, wir bedanken uns für das Gespräch.

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