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Israel-Iran: Derzeit keine Anzeichen für eine Ende der Eskalationsspirale

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Foto: Shutterstock

Seit dem 13. Juni eskalieren die israelisch-iranischen Feindseligkeiten. Während die Opferzahlen steigen, fehlt es den Großmächten am Willen zur Konfliktbeilegung.

(iz, dpa, Agenturen). Bis zum 13. Juni 2025 war das Verhältnis zwischen Israel und Iran von wachsender Spannung geprägt, insbesondere aufgrund des iranischen Atomprogramms und wiederholter Drohungen beider Seiten.

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) hatte kurz zuvor berichtet, dass der Iran seinen Vorrat an hochangereichertem Uran weiter ausgebaut habe, was weltweit Besorgnis auslöste. Am 12. Juni 2025 kündigte Teheran offiziell eine Ausweitung seines Programms und den Bau einer weiteren Anreicherungsanlage an.

Die Ereignisse seit dem 13. Juni 2025 markieren eine der schwersten Eskalationen zwischen Israel und Iran in der jüngeren Geschichte. Beide erlitten erhebliche Verluste, militärisch und zivil. Die Gefahr eines umfassenden regionalen Krieges bleibt bestehen. Internationale Vermittlungsbemühungen dauern an, doch eine nachhaltige Beruhigung der Lage ist bislang nicht in Sicht.

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Beginn der Eskalation

In den frühen Morgenstunden des 13. Juni führte die israelische Regierung unter dem Decknamen „Operation Rising Lion“ einen großangelegten Luftangriff auf zahlreiche Ziele im Iran durch. Objekt der Angriffe waren insbesondere Nuklearanlagen, Einrichtungen der Streitkräfte und Wohnhäuser führender Militärs in und um Teheran.

Laut Angaben kamen aus Tel Aviv dabei über 200 Kampfflugzeuge zum Einsatz, mindestens 20 hochrangige Kommandeure und mehrere Nuklearwissenschaftler wurden getötet. Teheran sprach von 128 Toten und 900 Verletzten bis zum 15. Juni, darunter viele Zivilisten.

Parallel zu den Angriffen in Iran meldete Israel Raketenbeschuss durch die Huthis aus dem Jemen, was die regionale Dimension des Konflikts unterstrich. Die internationale Gemeinschaft, darunter die UN und zahlreiche Staatschefs, riefen beide Seiten zur Zurückhaltung auf.

Erste iranische Gegenangriffe

Am Abend des 13. Juni reagierte der Iran mit einer massiven Gegenoffensive unter dem Codenamen „Operation Wahres Versprechen III“. Über 150 ballistische Raketen und mehr als 100 Drohnen flogen in Richtung Israel. Dabei kamen nach Tel Aviver Angaben mindestens 13 Menschen ums Leben, mehr als 300 seien verwundet. Auch in Jordanien wurden Verletzte durch herabfallende Trümmer gemeldet.

Der Angriff des Iran markierte eine neue Qualität der direkten Konfrontation zwischen den beiden Staaten und hatte unmittelbare Auswirkungen auf die gesamte Region: Ölpreise stiegen stark an, internationale Schifffahrtsrouten wurden gestört und der Flugverkehr in Teilen des Nahen Ostens eingestellt.

Beiderseitige Angriffe werden fortgesetzt

In der Nacht zum 14. Juni setzten beide Seiten die gegenseitigen Operation fort. Israel griff weitere militärische Ziele an, darunter den Flughafen Teheran-Mehrabad, den Militärflugplatz von Täbris sowie das South-Pars-Gasfeld und den Hafen von Bandar Kangan. Der Iran feuerte erneut Raketen und Drohnen ab, die Luftabwehr fing einen Großteil davon ab, doch es kam weiterhin zu Opfern und Sachschäden.

Internationale Vermittlungsversuche, darunter Appelle von UN-Generalsekretär António Guterres und US-Präsident Donald Trump, blieben zunächst wirkungslos. Die USA betonten, nicht an den israelischen Operationen beteiligt zu sein, warnten den Iran gleichzeitig vor einer Ausweitung der Angriffe auf amerikanische Einrichtungen.

Weitere Eskalation und humanitäre Folgen

Bis zum Morgen des 15. Juni wurden laut Tel Aviver Angaben mehrere hundert Drohnen und rund 280 ballistische Raketen auf das israelische Gebiet abgefeuert.

Beide Seiten meldeten die Festnahme mutmaßlicher Spione und die Tötung hochrangiger militärischer Führer. Die humanitäre Lage verschärfte sich, da Rettungskräfte in Israel und Iran weiterhin nach Überlebenden suchten und die Infrastruktur in Teilen beider Länder schwer beschädigt wurde.

Mittlerweile seien im Iran nach Behördenangaben mindestens 224 Personen getötet worden. Mindestens 1.277 Menschen seien bei den Angriffen verletzt worden, teilte ein Beauftragter des Gesundheitsministeriums auf der Plattform X mit.

Seit Beginn des Krieges verlassen Bewohner Teherans die Hauptstadt in Scharen. Augenzeugen berichteten von verstopften Autobahnen in der Metropole mit ihren mehr als 15 Millionen Einwohnern. An den Tankstellen bildeten sich teilweise kilometerlange Schlangen. In anderen Teilen wirkte gespenstische Stille auf den Straßen. Inzwischen gibt es kaum noch Benzin, Sicherheit, Hoffnung.

Viele Iranerinnen und Iraner packten nur das Nötigste und flohen in den Osten, der noch als vergleichsweise sicher gilt. Im Westen, wo sich an der Grenze zahlreiche militärische Einrichtungen befinden, fliegt Israels Luftwaffe seit Freitag massive Angriffe. Auch der Norden am Kaspischen Meer, sonst eine beliebte Urlaubsregion, wurde zum Zufluchtsort.

Was hat es mit der Dahiya-Doktrin auf sich?

Die Dahiya-Doktrin ist eine israelische Militärstrategie, die erstmals 2006 im Libanonkrieg gegen die Hisbollah öffentlich formuliert wurde. Namensgeber ist das Dahiya-Viertel im Süden Beiruts, das damals gezielt und massiv zerstört wurde. Die Grundidee der Doktrin ist der Einsatz von „überwältigender und disproportionaler Gewalt“ gegen feindliche Gruppierungen – und explizit auch gegen deren zivile Infrastruktur.

Ziel ist es, nicht nur militärische, sondern ebenso wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen so stark zu treffen, dass die Bevölkerung und die politischen Entscheidungsträger des Gegners unter massiven Druck geraten und so zur Aufgabe oder zum Einlenken gezwungen werden.

Die Doktrin wurde von General Gadi Eisenkot formuliert und besagt, dass jeder Ort, von dem aus Israel angegriffen wird, mit massiver Zerstörung rechnen muss – unabhängig davon, ob es sich um ein rein militärisches Ziel handelt oder nicht. So wird bewusst in Kauf genommen, dass zivile Infrastruktur und damit Zivilisten betroffen sind.

Kritiker sehen in der Maxime eine Form der „Abschreckung durch kollektive Bestrafung“, die langfristig eher zu mehr Radikalisierung als zu nachhaltigem Frieden führt. Die UN und zahlreiche Menschenrechtsorganisationen haben die Anwendung der Doktrin als unverhältnismäßig und völkerrechtswidrig kritisiert.

Israelische Militärs und Politiker haben sich bislang nicht eindeutig dazu geäußert, ob sie offiziell angewendet wird. Allerdings wurde in der Vergangenheit mehrfach betont, dass im Falle eines umfassenden Krieges mit Iran alle Optionen auf dem Tisch liegen, um Abschreckung aufrechtzuerhalten.

Werden die USA eingreifen und in welchem Maße?

Die Debatte in den USA über eine mögliche Einmischung im Krieg zwischen Israel und Iran ist von widersprüchlichen und zurückhaltenden Signalen geprägt.

Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump betont offiziell, dass sie nicht direkt an den Attacken auf den Iran beteiligt war. Außenminister Marco Rubio erklärte, Tel Aviv habe eigenständig gehandelt, und Washington konzentriere sich vor allem auf den Schutz amerikanischer Truppen in der Region. Israel habe die USA vorab informiert, da es den Angriff als notwendig für die eigene Verteidigung ansah.

Trotz der offiziellen Distanzierung drohte Trump mit einer massiven militärischen Reaktion, sollten US-Einrichtungen oder -Personal angegriffen werden. Er warnte, die USA würden in einem solchen Fall mit einem „noch nie dagewesenen Ausmaß“ zurückschlagen. Zugleich fordert Trump den Iran auf, ein neues Atomabkommen mit den USA abzuschließen, um den Konflikt zu entschärfen.

US-Politiker, die sich auf die Eindämmung Chinas (China Containment, „China-First“-Ansatz) konzentrieren, betrachten den Israel-Iran-Krieg vor allem durch das Prisma der globalen Großmachtkonkurrenz. Ihr Hauptanliegen ist, dass US-Ressourcen und -Aufmerksamkeit nicht von der strategischen Herausforderung durch China abgelenkt werden.

Sie fordern, dass die USA nicht in einen weiteren Konflikt im Nahen Osten hineingezogen werden dürfen, da dies China einen strategischen Vorteil verschaffen könnte. Beispiel: Senatoren wie Josh Hawley oder J.D. Vance betonen regelmäßig, dass „Amerikas oberste Priorität muss darin bestehen, China abzuschrecken, und nicht, sich in Kriegen im Nahen Osten zu verzetteln“.

Führende Vertreter der „America First“-Fraktion sprachen sich gegen eine US-Beteiligung im Israel-Iran-Krieg aus.  Sie sehen darin eine Abkehr vom „America First“-Prinzip, warnen vor unkalkulierbaren Risiken und fordern einen klaren Rückzug der USA aus allen direkten und indirekten Kriegsaktivitäten in der Region.

Der ehemalige FOX-Moderator Tucker Carlson kritisierte Präsident Trump scharf und wirft ihm vor, durch jahrelange Waffenlieferungen und politische Unterstützung „komplizenhaft“ an Israels Angriffen auf Iran beteiligt zu sein. So könne die US-Regierung jetzt nicht glaubwürdig behaupten, sie sei nicht involviert.

Welche Einheiten und Material werden verlagert?

Mittlerweile gibt es Berichte, dass Tel Aviv um Unterstützung für weitere Angriffe gebeten hat, insbesondere um schwere Bomber und spezielle Munition, die Israel selbst nicht besitzt, um iranische Atomanlagen wie die Urananreicherungsanlage in Fordo zu zerstören. Die USA verfügen über diese militärischen Mittel, halten sich aber offiziell zurück.

Wie der US-amerikanische Journalist Max Blumenthal am heutigen Morgen auf der Plattform X schrieb, soll es zu einer „gigantischen Entsendung“ von US-Luftwaffenmaterial gekommen sein. Er sprach von mehr als 20 Flugzeugen für die Betankung von Kampfjets in der Luft. 

Die US-Marine hat die „USS Thomas Hudner“ in Richtung östliches Mittelmeer verlegt. Ein weiterer Zerstörer wurde ebenfalls angewiesen, sich bereitzuhalten, um bei Bedarf verfügbar zu sein. Bereits zuvor wurden zusätzliche US-Kriegsschiffe, darunter Marinekreuzer und andere Fahrzeute, die zur Abwehr ballistischer Raketen geeignet sind, in die Region entsandt.

Zusätzlich wurden Kampfjet-Geschwader wie F-15E-Kampfbomber und A-10-Angriffsflugzeuge, auf einen US-Stützpunkt in Jordanien verlegt. Das Pentagon bestätigte die Entsendung weiterer Kampfflugzeuge zur Verstärkung der Luftverteidigung und zur Unterstützung Israels.

Regierungskoalition bleibt bei bekannten Positionen

In den letzten beiden Tagen haben Vertreter der Bundesregierung und Koalition auf den Israel-Iran-Konflikt ohne große Abweichungen von der bisherigen Linie reagiert.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) betonte mehrfach wiederhilt, dass der Iran Angriffe auf zivile Ziele in Israel sofort einstellen müsse. Er sieht das iranische Atomprogramm als ernsthafte Bedrohung für die Region und für Israel. Merz unterstreicht das Recht Israels, sich und seine Bürger zu schützen. Gleichzeitig fordert er, dass beide Seiten Schritte vermeiden, die zu einer weiteren Eskalation führen könnten. Er stehe dazu in Kontakt mit internationalen Partnern und habe mit dem Sultan von Oman gesprochen.

Ähnlich äußerte sich Außenminister Wadephul (CDU): Er verurteilte die iranischen Gegenangriffe auf Israel scharf und forderte beide Seiten auf, auf weitere Eskalation zu verzichten und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Der Bundesaußenminister hält sich in der Region auf und steht im Austausch mit regionalen Partnern.

Saudi-Arabien, Katar, Oman waren die Wochenendziele Wadephuls. Er saß am Sonntagnachmittag in der omanischen Hauptstadt Maskat mit seinem Kollegen Badr al-Bussaidi zusammen. Die für diesen Tag dort geplanten Atomverhandlungen zwischen den USA und Iran waren nach Kriegsausbruch geplatzt.

Ausnahmezustand in Jerusalem – keine Schutzräume für Palästinenser in der Westbank

Die Straßen leer, die meisten Läden geschlossen, Gebetszeiten abgesagt: Nach dem israelischen Großangriff auf den Iran herrscht Ausnahmezustand in Jerusalem. Bei Anspannung und trotziger Gelassenheit zugleich warten die Bewohner darauf, wie es weitergeht. In normalen Wochen war der Freitag der geschäftigste Wochentag – mit muslimischen Freitagsgebeten und Vorbereitungen für den jüdischen Ruhetag Schabbat. Jetzt herrscht weithin Ruhe statt Trubel.

Auf dem Tempelberg mit Felsendom und Al-Aksa-Moschee gab es am Freitag, den 13., keine Mittagsgebete. Die Grabeskirche, das wichtigste Gotteshaus der Christenheit, bleibt geschlossen. Bis zum Freitagnachmittag gab es auch keine Anzeichen, dass an der Klagemauer die Gebete zum Schabbat stattfinden würden.

Israel könne keine Unruhen gebrauchen, wie sie in dem multireligiösen Altstadtgefüge leicht entstehen könnten – „dafür hat keiner Kapazität“, erklärt sich ein palästinensischer Falafelverkäufer die Vollsperrung. Die Gemengelage nach dem Angriff auf den Iran sei brenzlig, sicher fühle sich hier gerade niemand.

In der Altstadt und den arabischen Vierteln Ostjerusalems fehlen Schutzräume. Noch schlimmer seien seine Landsleute im besetzten Westjordanland dran. „Wer innerhalb der Westbank unterwegs war, kommt nicht mehr nach Hause“, berichtet der Mann aus Ein Karem am Rande Jerusalems.

Die deutsche Botschaft in Tel Aviv bezeichnete die Lage am Freitagabend als „unberechenbar“. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Kampfhandlungen andauerten. Das Auswärtige Amt hatte zuvor eine Reisewarnung für das gesamte Land ausgesprochen. Das griechisch-orthodoxe Patriarchat rief Pilger im Heiligen Land angesichts der heiklen Sicherheitslage dazu auf, sich an die Anweisungen der Behörden zu halten.

Unterdessen nimmt in Israel die antiarabische Stimmung zu, etwa im palästinensisch geprägten Ort Tamra westlich von Haifa. Dort starben drei Frauen und ein 12-jähriges Mädchen bei einem Raketenangriff. Ein am Samstagabend im Internet verbreitetes Video zeigt eine jüdische Familie, die mit fremdenfeindlichen Sprüchen den Treffer in Tamra feiert. Mehrere Politiker verurteilten dies.

Der arabisch-israelische Abgeordnete Ayman Odeh kritisierte, solche Aussagen seien die Stimmen von „Kriegstreibern“. Er nannte in diesem Zusammenhang die Namen von Ministerpräsident Netanjahu sowie der Minister Ben-Gvir und Smotrich. Odeh forderte rechtliche Schritte gegen „diese Rassisten“.

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