NGOs wie Islamic Relief Deutschland sowie Menschenrechtsorganisationen verweisen auf die katastrophale Lage im sudanesischen Kriegsgebiet.
Köln (iz). „Die Zeit läuft ab, um die Zivilbevölkerung in der Stadt El Fasher [auch El Faschir, Anm.d.Red.] in Darfur zu schützen, wo es schreckliche Berichte über Massenmorde und Leid gibt, da die Kämpfe in den letzten Tagen weiter eskaliert sind.“ So beginnt eine Stellungnahme der Hilfsorganisation Islamic Relief zu den erschreckenden Ereignissen der jüngsten Tage.
Rund 18 Monate war die Stadt von Einheiten der Rapid Support Forces (RSF) eingeschlossen. Die Lage war unbeschreiblich. Während sie beschossen wurde, litten ihre Menschen und Flüchtlinge unter massivem Hunger. Hinzukamen tödliche Infektionskrankheiten.
Seit 2023 bekämpft die RSF die regulären Streitkräfte (SAF). Beiden, sowie ihren ausländischen Unterstützern, geht es um die Kontrolle des Sudan. Dieser hat nicht nur Rohstoffe wie Gold zu bieten, sondern ist ein wichtiger Produzent von Lebensmitteln.
El Faschir: Lage in der Stadt ist katastrophal
Die humanitäre Lage im Ort sei nun katastrophal, so Islamic Relief. Zivilisten hätten eine 18-monatige Belagerung überstanden, die jegliche Hilfe abgeschnitten hat.
Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen und Moscheen wurden wiederholt bombardiert. Viele Familien in der Stadt hungern, da die Vorräte an Lebensmitteln und Medikamenten erschöpft sind, während humanitäre Hilfe weiterhin blockiert wird.
„Lokale Gemeinschaftsküchen und gegenseitige Hilfsgruppen sind für viele Familien zur einzigen Lebensader geworden, doch ihnen gehen zunehmend die Mittel aus, und sie setzen sich großen Gefahren aus.
Berichten zufolge ist es Zehntausenden Menschen gelungen, aus der Stadt zu fliehen, doch viele Fluchtwege wurden abgeschnitten, und bis zu 250.000 weitere Menschen sind dort weiterhin eingeschlossen und fürchten um ihr Leben.“
Nach Berichten vor Ort sowie von Beobachtern ist der Verbleib vieler Menschen, die sich bspw. zum Lager Tawila retten wollten, immer noch unklar. Es gibt Befürchtungen, dass ein Teil diese Flucht nicht überleben wird.

Foto: Official White House Photo
Islamic Relief: Internationale Gemeinschaft muss Druck ausüben
Islamic Relief Worldwide rief „die internationale Gemeinschaft“ dazu auf, den Druck für einen sofortigen Waffenstillstand zu erhöhen, ungehinderten humanitären Zugang zur Stadt zu ermöglichen und allen Zivilisten, die die Stadt verlassen möchten, eine sichere und würdevolle Ausreise zu garantieren.
„Während immer mehr Menschen ihr Leben riskieren, um zu entkommen, bereiten sich Mitarbeiter von Islamic Relief in Zentral-Darfur auf einen erwarteten Zustrom von Familien vor. In den vergangenen Monaten haben die Gesundheits- und Ernährungszentren von Islamic Relief in Zentral-Darfur Hunderte Familien aufgenommen, die dem Hungertod nahe waren, nachdem sie El Fasher und die umliegenden Lager verlassen konnten.“
Viele kämen in einem stark unterernährten Zustand an, da sie tagelang zu Fuß unterwegs waren, um ein gewisses Maß an Sicherheit zu erreichen, und berichteten von entsetzlichen Bombardierungen und Plünderungen entlang des Weges.
Shihab Mohamed Ali, Programmleiter von Islamic Relief im Sudan berichtet Folgendes: „Wir rechnen in den kommenden Tagen mit einer erheblichen Zahl von Vertriebenen, die aus El Fasher in unsere Kliniken kommen werden. El Fasher ist derzeit ein furchterregender Ort für Zivilisten.
Einige unserer Teammitglieder haben dort Verwandte, doch die Kommunikation ist zusammengebrochen, und sie sagten, dass sie seit drei Tagen nichts mehr von ihnen gehört haben.
Im Moment gibt es für Zivilisten keine sicheren Wege, die Stadt zu verlassen, aber die Lage ist so alarmierend, dass viele Menschen auf jede erdenkliche Weise versuchen zu fliehen – sei es mitten in der Nacht oder durch Bestechungsgelder, die sie sich nicht leisten können. Wir fordern, dass die Zivilbevölkerung geschützt wird und humanitäre Hilfe die Menschen erreichen darf.“

Gesundheitszentrum Nertite, das Islamic Relief im Sudan betreibt. (Foto: Islamic Relief Worldwide)
Die Grausamkeit der Kriegführung ist Programm im Sudan
Bereits am 10. Juni dieses Jahres veröffentlichte Islamic Relief Worldwide den Bericht einer geflohenen Frau. Die Mutter brachte ihren 19 Monate alten, unterernährten Sohn in eine Klinik der Organisation, nachdem sie aus dem Lager Zamzam fliehen musste.
In ihrer Beschreibung wird deutlich, dass Mord und Grausamkeit in der sudanesischen Kriegführung nicht bedauerliche Begleiterscheinungen sind. Vielmehr ist Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung integraler Bestandteil des Vorgehens von RSF und anderen.
„Sie griffen mit Drohnen und Soldaten an, die schossen, und mit bewaffneten Militärfahrzeugen. Ich habe meinen Onkel bei einem Drohnenangriff verloren. Wir gruben ein Loch, um uns zu verstecken, nahe an der Hauswand.
Während des Angriffs wurde ein Tor geöffnet, damit Frauen und Kinder das Lager verlassen konnten, aber junge Frauen im Alter von etwa 20 Jahren oder älter wurden von ihren Familien getrennt und vergewaltigt. Viele Mädchen sind noch immer vermisst. Ich entschied, dass wir weggehen mussten, um meine Schwester vor Missbrauch zu schützen.
Auf der Reise von Zamzam waren die Bedingungen hart – es gab kaum Nahrung oder Wasser. Ich sah zehn tote Kinder entlang der Straße nach Tawila und Menschen, die an Kontrollpunkten auf der Straße entführt wurden.
In Tawila mietete ich ein Fahrzeug, um nach Nertiti zu gelangen, wo uns die Einheimischen herzlich aufnahmen.
Eines meiner Kinder wurde in das Ernährungszentrum von Islamic Relief überwiesen, wo die Mitarbeitenden und die Nahrungsmittelhilfe das Leben meines Sohnes retteten. Er war sehr dünn und nahm jeden Tag weiter ab, aber seit der Ernährungsbehandlung hat er wieder zugenommen.“

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Verschiedene Quellen bestätigen den Ernst der Lage
Stellungnahmen wie die von Islamic Relief wurden in den letzten Tagen durch Stimmen aus dem Sudan sowie von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International unterfüttert.
Bereits in der Vergangenheit habe die RSF in Darfur sowie im ganzen Land „massive Menschenrechtsverletzungen“ begangen. Hierzu zählten laut dem Amnesty-Landesdirektor Tigere Chagutah „ethnisch motivierte Angriffe auf nicht-arabische Gemeinschaften, vorsätzliche Tötungen von Zivilist*innen, sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie Massaker.“
„Die RSF muss dazu gebracht werden, ihre Angriffe sofort einzustellen. Die Menschen brauchen dringend Fluchtkorridore. (…) Die UN muss endlich ein Waffenembargo gegen alle Konfliktparteien durchsetzen!“, veröffentlichte die Organisation am gestrigen Abend.
Mahnwache in Berlin angekündigt
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und die Salam Sudan Campaign riefen gemeinsam zu einer Mahnwache vor dem Auswärtigen Amt in Berlin auf. Unter dem Motto „Stand with Sudan – Stoppt die Massaker in El Fasher!“ soll am Freitag, 31. Oktober 2025, von 15 bis 17 Uhr gegen die anhaltenden Gräueltaten im Sudan protestiert werden.
„Die Menschen in El Fasher, Darfur, sind unaussprechlichen Gräueltaten und Kriegsverbrechen ausgesetzt. Ganze Gemeinden werden ausgelöscht, während die Welt schweigt“, appellieren die Organisatoren in ihrem Aufruf. „Bringt Eure Stimmen, Eure Transparente und Eure Solidarität mit!“ Die Mahnwache richte sich an alle, die sich gegen Völkermord, ethnische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sudan stellen wollen.