Bayern: Erstmals versammelte sich eine breite Koalition muslimischer und zivilgesellschaftlicher Akteure in Penzberg – für mehr Sichtbarkeit, gegen Rassismus und für eine aktive Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens.
Muslime in Bayern: „Historischer Meilenstein“
(iz). Dieser Tag ist „ein historischer Meilenstein“ in Bayern, betonte Imam Benjamin Idriz beim Fachtag „Innermuslimischer Dialog: Muslimische Teilhabe in Bayern – Herausforderungen, Perspektiven, Verantwortung“ im Islamischen Forum Penzberg.
Nach seinen Worten zeigt das Treffen, dass diese Akteure in Bayern nicht nur über Teilhabe reden, sondern Verantwortung für das gemeinsame Zusammenleben übernehmen wollen. Gastgeberin war die Islamische Gemeinde Penzberg, eine seit rund drei Jahrzehnten bestehende, multinationale Gemeinschaft, die früh auf Transparenz, Dialog und deutsche Sprache in Predigten und Bildungsangeboten gesetzt hat.
Über 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus München, Regensburg, Augsburg, Nürnberg, Erlangen, Rosenheim und Ingolstadt kamen zusammen – so breit war die innermuslimische und zivilgesellschaftliche Runde in Bayern nach Angaben der Veranstalter bislang nie.
Vielfalt prägt den Dialog
Unter den Gästen waren Vertreterinnen und Vertreter muslimischer Vereine, Dachverbände und Moscheegemeinden ebenso wie Akteure aus Kirchen, Bildungseinrichtungen, Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Umweltorganisationen und Medien. Imame, Lehrkräfte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Juristen, Unternehmerinnen, Journalistinnen, Aktivisten und Multiplikatorinnen brachten ihre Perspektiven ein.
Auffällig war die gleichberechtigte Präsenz von Frauen und Männern sowie die große Herkunftsvielfalt: Deutsche, türkische, bosnische, arabische, albanische, afrikanische und afghanische Teilnehmerinnen und Teilnehmer prägten eine offene Atmosphäre, die die Veranstalter mit dem Leitmotiv „Vielfalt in Einheit“ beschrieben.

Fotos: Benjamin Idriz/Facebook
Zentrale Themen: Teilhabe aktiv gestalten
Im Mittelpunkt stand die Frage, wie ihre Partizipation in Bayern sichtbarer, verantwortungsbewusster und wirksamer gestaltet werden kann. Diskutiert wurden gesellschaftliche Erwartungen, aktuelle politische Entwicklungen, mediale Wahrnehmungsmuster, die innere Vielfalt der Community, der interreligiöse Dialog sowie der Umgang mit antimuslimischem Rassismus.
Immer wieder wurde dabei betont, dass Muslime in Moscheegemeinden, Verbänden und zahlreichen ehrenamtlichen Projekten längst einen wichtigen Anteil zum sozialen Zusammenhalt und zur Stärkung demokratischer Werte leisten, dieser Beitrag aber noch nicht ausreichend wahrgenommen werde.
Idriz zufolge geht es darum, dass sie im Freistaat „sichtbar als Teil der Lösung auftreten“, statt nur als Gegenstand von Debatten vorzukommen – eine Botschaft, die sich in den Berichten über muslimisches Leben in Bayern immer häufiger wiederfindet. Mehr Selbstbewusstsein, eine klarere Kommunikation nach außen und verlässliche Partnerschaften mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren seien dafür entscheidend.
Fünf Workshops vertiefen die Themen
Nach einführenden Impulsen und einem offenen Plenargespräch arbeiteten die Teilnehmenden in fünf parallelen Workshops.
- Im Workshop „Repräsentanz der Muslime“ ging es um die Frage, wie sie ihre Präsenz in Politik, Medien und gesellschaftlichen Räumen stärken können, ohne sich vereinnahmen oder auf Klischees reduzieren zu lassen. Diskutiert wurden Professionalisierung, Rollenmodelle, Vernetzung und der Aufbau tragfähiger demokratischer Strukturen.
- Der Workshop „Antimuslimischer Rassismus“ widmete sich Diskriminierungserfahrungen in Alltag, Behörden, Arbeitswelt und Medien. Die Teilnehmenden forderten ein besseres Monitoring, mehr Sensibilisierung in Schulen und Verwaltungen sowie niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote.
- Unter der Überschrift „Religion und Bildung“ wurden Qualitätsfragen des Moscheeunterrichts, Herausforderungen des schulischen Islamunterrichts und die zunehmende Rolle digitaler Lernwelten diskutiert. Herausgestellt wurde die Notwendigkeit enger Kooperationen zwischen Moscheen, Schulen, Hochschulen, zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und staatlichen Stellen.
- Im Workshop „Medien und Öffentlichkeit“ stand die häufig problemzentrierte Darstellung von Islam und Muslimen im Fokus. Erarbeitet wurden Ansätze, wie diese Akteure eigene Themen setzen, professionell mit der vierten Gewalt arbeiten, Social Media nutzen und selbstbestimmte Narrative entwickeln können.
- Im Workshop „Wirtschaft und Finanzen“ ging es um nachhaltige Strukturen: Finanzierungsmodelle, Professionalisierung, ökonomische Selbstständigkeit, Spendenkultur und transparente Verwaltung als Grundlage dafür, dass Gemeinden langfristig handlungsfähig bleiben.
Die Präsentationen machten deutlich, dass die Herausforderungen vielfältig sind, gleichzeitig aber ein großer Wille besteht, zusammen tragfähige Lösungen zu entwickeln. Häufig genannt wurden bessere Vernetzung, intensiverer innermuslimischer Austausch, ein stärkerer Einsatz für friedliches Zusammenleben und eine deutlichere gemeinsame Stimme der Muslime in Bayern.
Die Islamische Gemeinde Penzberg
Die Moscheegemeinschaft wurde Mitte der 1990er-Jahre von Muslimen vor Ort gegründet und hat sich seitdem zu einer multinationalen Gemeinschaft mit Strahlkraft über Bayern hinaus entwickelt. Das 2005 eröffnete Islamische Forum Penzberg gilt architektonisch wie inhaltlich als Modellprojekt: Gebete und Predigten finden überwiegend auf Deutsch statt, ergänzt durch weitere Sprachen wie Bosnisch oder Türkisch.
Die Gemeinde versteht sich als offen, dialogorientiert und klar auf die hiesige Gesellschaft bezogen; Bildung, Integration, Prävention von Extremismus und der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen vor Ort gehören zu ihren Kernanliegen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete sie als als Beispiel dafür, wie ein europäisch geprägter Islam lokal gelebt werden kann. Vertreter der bayerischen Staatsregierung, der Kirchen und der Kommunalpolitik heben immer wieder hervor, dass die Gemeinde durch Führungen, Seminare, Bildungsarbeit und offene Türen zum Abbau von Vorurteilen beiträgt.

Fotos: Benjamin Idriz/Facebook
Vor diesem Hintergrund ist der Penzberger Fachtag für Idriz ein Signal: Was in einer Kleinstadt erfolgreich gewachsen ist, könne – in angepasster Form – in anderen Regionen gelingen.
In seinen Augen unterstreicht der Fachtag, dass Muslime in Bayern ihre Rolle als aktive Bürgerinnen und Bürger betonen und Mitverantwortung für die demokratische Gesellschaft übernehmen wollen.
Er macht deutlich, dass Moscheegemeinschaften nicht nur auf Vorurteile reagieren, sondern eigene Ideen und konstruktive Lösungen einbringen. Er verweist darauf, dass echte Integration sich im Alltag und in verlässlichen Beziehungen entscheidet – in Schulen, Vereinen, Nachbarschaften und Kommunalpolitik – und dass muslimische Akteure in all diesen Bereichen präsent sein sollten.
Für 2026 ist eine Fortsetzung geplant
Der Fachtag klang mit einem geselligen Abendprogramm, kulinarischen Spezialitäten und offenen Wortbeiträgen aus, bei denen viele Teilnehmende die persönliche Atmosphäre und den konstruktiven Austausch hervorhoben.
Am Ende stand ein breiter Konsens: Die begonnene Arbeit soll Anfang 2026 fortgesetzt werden, um die angestoßenen Ansätze zu vertiefen, konkrete Handlungsempfehlungen zu formulieren und dauerhafte Netzwerkstrukturen aufzubauen.
Die Veranstalter sehen darin einen wichtigen Schritt, muslimische Teilhabe in Bayern langfristig zu stärken und die Zusammenarbeit zwischen muslimischen Gemeinden, Politik und Zivilgesellschaft weiter auszubauen.