Slavoj Zizek zur Psychoanalyse des islamistischen Terrors. Patric Seibel stellt seinen neuen Titel vor

Leipzig (KNA). „Meine Aufgabe ist es, die Dinge kompliziert zu machen, nicht, einfache Lösungen anzubieten“, sagt Slavoj Zizek. Der Philosoph aus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana ist Stargast der Leipziger Buchmesse, die am heutigen Sonntag zu Ende geht. Im Gepäck hat er seinen aktuellen Essay: „Blasphemische Gedanken – Islam und Moderne“. Der Text ist explizit als Reaktion auf den Terroranschlag gegen das Pariser Satiremagazin „Charlie Hebdo“ verfasst.

Zizek begibt sich auf die schwierige Suche nach Motiven für die brutalen – und irrational scheinenden – Gewalttaten islamistischer Terroristen. Überraschende Perspektiven eröffnet dabei die Lesart durch die Brille der Psychoanalyse: Der Fundamentalismus erscheint aus diesem Blickwinkel als zutiefst angstbesetzte Reaktion auf das Gefühl eigener Schwäche.

„Es ist eben nicht nur Hass, der diese Menschen treibt, sondern vor allem ein tiefsitzender Neid“, sagt Zizek. „Sie glauben gewissermaßen mehr an uns, als wir selbst an uns glauben.“ So betrachtet seien die gewaltbereiten „Islamisten“ Pseudofundamentalisten, so der Philosoph: Echte Fundamentalisten, etwa die Amish in den USA oder auch buddhistische Mönche in Tibet „sehen uns zwar auch auf dem falschen Weg – aber sie tun das ohne Neid; sie sind indifferent.“

Die terroristischen „Pseudofundamentalisten“ seien dagegen „vom sündigen Leben der Ungläubigen zutiefst umgetrieben, fasziniert, bezaubert“. Dennoch habe der liberale Westen keine Antworten auf die Gewalt, so Zizek. Dieser halte sich nicht an seine eigenen Werte. Einerseits predige er Demokratie, Menschenrechte und Toleranz, gleichzeitig befördere er Unfreiheit und wirtschaftliche Ausbeutung.

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Zizek ist ein gefragter Mann auf der Buchmesse. Fernsehen, Radio und Zeitungen – alle wollen ein Interview mit dem trotz seiner 65 Jahre jugendlich wirkenden Denker im blauen T-Shirt. Er sitzt in der Kaffeeküche des Verlagsstands zwischen Kartons, Jacken und Kühlschrank auf einer Getränkekiste, gemeinsam mit dem Interviewer und Dolmetscher. Es ist der einzige einigermaßen ruhige Platz im weiten Umkreis. Kein Problem für den charmanten, freundlichen und geduldigen Zizek, dem immer wieder der Schalk aus den Augen blitzt.

Die islamischen Texte sieht Zizek durch viele Ambivalenzen geprägt: Allah sei ein ferner Gott, von den Gläubigen getrennt durch eine „genealogische Wüste“ – mit überraschend demokratischen Konsequenzen. „Nur im Islam“, erklärt der Philosoph, „haben wir diese absolut freigesetzte Gemeinde, weil Allah sich nicht direkt einmischt. Weil wir nicht seine Kinder sind, haben wir die Möglichkeit, selbst eine Gesellschaft zu schaffen.“ In der Bibel findet Zizek Parallelen: Auch der Heilige Geist sei egalitär. Er leitet daraus seine ganz eigene Lesart ab: „Deshalb sage ich auch gern, der Heilige Geist ist die Urform der kommunistischen Partei.“

Hinweis: Slavoj Zizek: „Blasphemische Gedanken. Islam und Moderne“, ullstein 2015, 64 Seiten, 4,99 Euro.

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