Die Lage ist schwierig und entzieht sich dem Schwarz-Weiß-Denken. Von Abu Bakr Rieger

(iz). Es ist der Beginn einer literarischen Karriere. Schiller schreibt die „Räuber“ und kehrt dabei geläufige moralische Bilder um. Die Guten sind auch böse, die Bösen auch gut. Die Lehre aus dem Meisterwerk, das in seiner Zeit einen Skandal auslöst, fällt mit dem Beginn einer neuen Epoche zusammen. Sie entzieht sich dem alten Schwarzweiß-Denken und öffnet neue, größere Entscheidungsräume. Es wird schwerer, sich eindeutig auf der Weltbühne zu positionieren. In jedem Moment offenbart sich eine neue Wirklichkeit, die man immer neu und mit höheren Maßstäben beurteilen muss; fixe Ideologie und feste Parteiungen trüben dagegen eher den Blick. Schiller schult auf seiner Bühne den Blick auf das Geschehen, ohne schnelle und eindeutige Lösungen der absoluten Wahrheitsfindung anbieten zu können.

Der Konflikt in Mali, der heute unsere Aufmerksamkeit beansprucht, entzieht sich ebenfalls einer einfachen Einordnung. Die Schwierigkeiten der Sichtung beginnen schon bei den aktiven Konfliktparteien: sind es Staaten oder Unternehmen, Muslime, Terroristen oder Nationalisten? Wer wird von wem benutzt? Die Räuber sind eine bunte Truppe geworden, deren Uniformen, soweit sie welche tragen, im Wüstenstaub Malis nur schwer zu erkennen sind. Auf Seiten der Rebellen kämpfen Tuareg-Nationalisten, einige salafitisch angehauchte Gruppen, Kriminelle und vermutlich auch der eine oder andere „Agent provocateur“. Natürlich darf man auch spekulieren, wer den Rebellen die üppige Ausrüstung zur Verfügung gestellt hat.

Was wissen wir wirklich? Seit 1961 hat Frankreich dutzende Male in Afrika interveniert. Dabei ging es zweifellos um den Schutz dubioser Diktatoren, um Rohstoffe und um imperiale Ziele. In diesen Staaten bildeten sich diverse, teilweise bewaffnete Gegenbewegungen, die mit nationalistischen, islamischen oder kommerziellen Motiven gegen die Herrschaft mobil machte. Mangels entsprechender Ausbildung und Bildung überhaupt, vermischten sich auch die genannten Motivationen der Gegner der offiziellen Staaten, zu einem undurchsichtigen und zugleich explosiven Gemisch.

Es ist beinahe eine Binsenweisheit: In Afrika sind nicht nur Staaten am Ball. Es geht hier weniger um die klassische Verteidigung von Grenzen als um die Sicherung von „Claims“. Viele Konzerne aus der Rohstoffbranche unterhalten Söldner und eigene private Sicherheitsstrukturen. Bis zum heutigen Tag sind „marodierende“ Unternehmen, wie sie Arundhati Roy nennt, an zahlreichen Konflikten in Afrika beteiligt. Es ist kein Geheimnis, dass große Teile der französischen Uranversorgung aus dem Niger, dem Nachbarland Malis, kommen. Wer die Bedeutung der Atomenergie für Frankreich kennt, dem ist klar, dass ein europafeindliches Regime in Mali und die Destabilisierung einer ganzen Region kaum im Interesse der „Grande Nation“ sein dürfte.

Kriege werden also längst nicht mehr nur im geopolitischen Interesse von Staaten geführt, sondern sie werden auch zum Vorteil von börsennotierten Unternehmungen organisiert. Das sind die alten Sensationen aus Afrika, die, ob es gefällt oder nicht, aus der Realität des Kontinents nicht wegzudenken sind. Längst gefährden die ökonomischen Interessen der USA, Europas und Chinas den Frieden und den bescheidenen Fortschritt des ganzen Kontinents.

Der Kampf in Mali mag nun der Einfachheit halber ebenfalls in die Kategorie der Rohstoffkriege abgelegt werden, wäre da nicht das Phänomen, das eine souveräne Position hin und wieder auszeichnet: das Erkennen von Ausnahmen.

Die Horden – so genannter – „Islamisten“ in der Region sind tatsächlich nicht nur ein lokales Ärgernis, das eventuell die französische Energieversorgung gefährden könnte, sondern sie stellen auch aus anderen Gründen eine schwerwiegende Gefahr dar. Die Frage ist nur: eine Gefahr für was oder wen?

Markus Kaim von der Berliner Stiftung und Wissenschaft hält in einer Analyse des westlichen  „Konfliktmanagements“ (was für ein Begriff!) den Ball zunächst eher flach: eine Bedrohung Europas und Deutschlands durch Terroristen aus Mali sei eher unwahrscheinlich. Das mögliche Engagement der Bundeswehr, so der anerkannte Berliner Think Tank, sei in dem Konflikt militärisch kaum von großer Bedeutung. Aber, so die Analyse weiter, Europa müsse auf Dauer mehr Engagement im weiteren Mittelmeerraum zeigen, da sich die USA nicht weiter in militärische Auseinandersetzungen am Boden beteiligen wolle. Der deutsche Verteidigungsminister de Maiziere bereitet schon länger die deutsche Öffentlichkeit auf neue Auslandseinsätze vor. Der Minister ist der Überzeugung, dass es für Deutschland schwieriger werden wird, sich aus dieser Art Konflikte, zumal in der Nähe der Außengrenzen der Europäischen Union, auf Dauer herauszuhalten.

Aber, die Eroberung, oder wohl eher nur die Destabilisierung einer Region in Afrika durch eine radikale Extremistengruppe ist natürlich auch für Berlin ein Problem, ein Ärgernis eben, dass aber nicht nur die Sicherheitsinteressen Europas, sondern durchaus auch die Interessen der Muslime in aller Welt betrifft. Wieder einmal könnte die absolute Mehrheit der Muslime, hilflos dem Treiben einer Kleingruppe, die im Namen des Islam handelt, ausgesetzt sein. Der traditionelle Islam befindet sich schon in großen Teilen Afrikas in Bedrängnis. In Mali schaffen zudem zahlreiche sektiererische Gruppen eine schwer überschaubare Lage. Sie sind auch in Drogenhandel und Menschenhandel verstrickt und könnten das Land auf Dauer unregierbar machen. Auf qantara.de spricht der Führer von Ansar Dine (nicht zu verwechseln mit einer ähnlich benannten Terrorgruppe), Ousmane Haidara, einer sufischen Gruppierung mit immerhin 2 Millionen Mitgliedern in Mali, Klartext: „In Mali geht es nicht um die Scharia, sondern um Banditentum“.

Neben der realen Möglichkeit der Entstehung eines Rückzugsgebietes für Terroristen, bringt die (angebliche) Anwendung des islamischen Rechts, durch ungebildete Horden in der Region, vor den Augen der Weltöffentlichkeit, wunderbare Assoziationsmöglichkeiten für all diejenigen, denen es in Wirklichkeit darum geht, den Islam zu schädigen. Begriffe und Schlagworte wie „Scharia“ oder „islamischer Terrorismus“ stehen bei bestimmten Medien wieder hoch im Kurs. Natürlich sind einige tausend Rebellen und ihre dubiosen Gruppierungen mitsamt ihrer zynischen Glaubensausübung im Weltmaßstab von über einer Milliarde Muslime völlig isoliert.

Die ignoranten Zerstörungen in Timbuktu, einem Welterbe islamischer Kultur, sprachen bereits Bände über den verwirrten ideologischen Kern der Bewegung. Die Rebellen sollen unter Anderem die Bibliothek der berühmten Stadt beschädigt und zahlreiche Bücher, statt sie zu studieren, verbrannt haben. Die Generalsekretärin der UNESCO hatte sich bereits letzten Jahres zu Recht über diese Taten öffentlich empört.

Für muslimische Beobachter ist aber völlig klar: Wer die isoliert agierenden Rebellen und Gruppen in den Rang einer „offiziellen“ muslimischen Bewegung befördern will, dem geht es in Wirklichkeit um eine Kampagne gegen den Islam.  Durchsichtig sind zum Beispiel die Versuche der rechtsextremen Front National in Frankreich, zu behaupten, die Rebellen würden von den Golfemiraten finanziell unterstützt. Hier bastelt die europäische Rechte am Mythos reicher Araber, die den Untergang französischer Soldaten befördern wollen. Für die französischen Rassisten passt das perfekt in ihre Agitation gegen die in Frankreich lebenden Afrikaner aus der Sahelzone.

Wer ein wenig nachdenkt und über ein bisschen Geschichtsverständnis verfügt, wird diese Kampagnen schnell durchschauen. Über Jahrhunderte waren islamische Gelehrte in Afrika nicht nur durch eine umfassende Bildung, sondern auch durch Nachsicht, Vorsicht und Rücksicht gekennzeichnet. In Afrika stammte kein  unerheblicher Teil ihres Wissens aus der berühmten Bibliothek in Timbuktu. Sie verkörperten – charakterlich ausgezeichnet – als ehrwürdige Persönlichkeiten das Recht. Die radikale Umsetzung einer lebensfernen, ideologischen Systematik war ihnen so fern, wie die tägliche Reflexion über das tiefere Wesen der Gerechtigkeit ihnen nah war. Besonders widerlich sind insofern die Fälle der Anwendung von „Hudud-Strafen“ durch Schnellgerichte der Rebellen in dem Land.  Die verzweifelten Armen Afrikas sind in dieser Zeit weder das Problem, noch können sie – ohne in den Zynismus zu verfallen – ernsthaft Gegenstand von irgendeiner strafrechtlichen Maßnahme sein.

Was tun also in Mali? Natürlich könnte man die ganze Region einfach ihrem Schicksal überlassen, nur, wäre dies die Lösung? Wer kann, außer den Franzosen, dem schauerlichen Treiben dieser Gruppen Einhalt gebieten? Soll man sie einfach gewähren lassen, mit welchen Folgen? Man muss – auch als Muslim – also vorsichtig sein mit einer vorschnellen Verurteilung der Franzosen; wenn auch mit einem wachsamen Auge, das beurteilt, ob die Militärführung im Umgang mit der muslimischen Zivilbevölkerung die nötige Vernunft walten lässt. Durch die Einbeziehung der Tuareg in Friedensgespräche könnte Frankreich zudem klarstellen, dass es der Militärführung nicht nur um die Sicherung von Rohstoffen und die Etablierung einer „Marionettenregierung“ geht. Es ist sicher auch kein Nachteil, wenn verantwortliche Kommandeure der Bundeswehr die Lage beobachten und insbesondere ein Auge auf die brutalen, offiziellen malischen Regierungstruppen werfen. Ein Überlassen der Angelegenheit an die afrikanischen Truppen der Nachbarländer wäre – wie die neuerlichen Übergriffe der offiziellen Truppen Malis wieder einmal zeigen – wahrscheinlich zum größeren Nachteil der Zivilbevölkerung und nur eine weitere Einladung zur Barbarei.

Die Latinos werden immer wichtiger, auch unter den Muslimen

Die spanischsprachige Community in den USA nimmt an Umfang und Einfluss immer mehr zu. Obwohl sie als traditionsbewusst und tiefchristlich gilt, sollen bis zu 200.000 ihrer Mitglieder den Weg zum […]

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Kommentar: Tausende Frauen beklagten sich auf Twitter und anderswo über die alltäglichen Grenzüberschreitungen

(iz). Närrische Tage in Deutschland. Der ­rüs­tige FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle wird von einer Stern Reporterin des Sexismus bezichtigt. Der Politiker hatte zu später Stunde in einem Lokal keine Fragen zur Finanzpolitik beantwortet, sondern soll die gute Dame an der Bar mit unzüglichen Bemerkungen bedrängt haben. Der Stern, sonst nicht gerade sparsam mit schlüpfrigen Titeln, brachte die „heiße“ Story online. Ein Jahr später wurde der Vorfall ­öffentlich und löste eine Debatte aus. Das Thema: Sexismus in der deutschen Öffentlichkeit.

Tausende Frauen beklagten sich auf Twitter und anderswo über die alltäglichen Grenzüberschreitungen, denen sie immer wieder ausgesetzt werden. Und, hört, hört, auf der Süddeutschen fragte eine couragierte Journalistin, ob das Tragen von „High Heels“ nicht auch für Unterdrückung und das Tragen des Kopftuchs auch für Freiheit stehen kann! Es kann.

Um die Debatte nüchterner als Brüderle einzuordnen, muss man sich zunächst an Foucault erinnern, der „biopolitisch“ feststellte, dass dem modernen Menschen heute oft genug nur noch der Körper bleibt. Diesen Körper zu präsentieren oder zu verhüllen ist, im individualisier­ten Alltag, oft eine Art letzter Bastion persönlicher Freiheit und Macht. Unter uns gesagt: Im Grunde herrscht jenseits der Tücher und nackter Oberschenkel aber oft tiefe Einsamkeit.

„Die Sexualisierung der Gesellschaft ist von der Ökonomisierung der Gesellschaft nicht zu trennen“, lehrte der gute alte Foucault über alle Konfessionen hinaus. Davon haben auch gut verhüllte muslimische Frauen, die mit „ihrem Kalifen“ in einer Drei-Zimmer-Wohung leben, ein Liedchen zu singen. Oft genug ist das Kopftuch – im tristen Alltag – ein Symbol, das Letzte was bleibt, denn muslimische Solidarität und echte Gemeinschaft ist heute leider auf dem Rückzug. Der Raum ist nicht islamisch geprägt, aber immerhin noch das, was im Raum bleibt: unsere Körper.

Das Kopftuch, ein Stückchen Tuch, braucht aber seinen Kontext um Sinn zu entfalten! In der Disco getragen, macht es das Etablissement nicht heilig und wer die Zakat nicht bezahlt, wird auch mit Kopftuch nicht „die gute Muslima“. Und, wer sich gar völlig in schwarz versteckt, lehrt der Männergesellschaft noch keinen Benimm. Darum geht es aber. Ehrlich gesagt, freundliches und respektvolles Verhalten gegenüber allen Frauen, davon kön­nen wir muslimischen Männer nie genug zeigen.

Das von jungen Muslimen getragene Projekt HIMA arbeitet für ein besseres Umwelthandeln

(iz). Islam und Umwelt – geht das zusammen? Und wenn ja, wie? Obwohl das Verhältnis von Islam zur Ökologie immer häufiger in den letzten Jahren auf Fachkonferenzen und -seminaren thematisiert, wird es bisher noch nicht so heiß diskutiert wie andere Fragen. In den letzten Jahren haben sich dazu verschiedene Initiativen gebildet. Das von jungen Muslimen getragene Projekt HIMA – Umwelt und Naturschutz aus islamischer Perspektive gehört dazu. Wir interviewten Yasemin Aydemir,die in die Arbeit der Initiative einführt.

Islamische Zeitung: Liebe Yasemin Aydemir, Du engagierst Dich bei HIMA – Umwelt und Naturschutz aus islamischer Perspektive. Was macht ihr bei HIMA?

Yasemin Aydemir: HIMA ist eine muslimische Initiative, die inspiriert und motiviert von islamisch-ethischen Handlungsprinzipien zu Umwelt- und Naturschutzthemen sensibilisiert. So geben wir in erster Linie Muslimen Impulse zu einem besseren Umwelthandeln. Auch für Nichtmuslime bietet diese islamische Umweltethik eine innovative Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit Umwelthemen.

Zu Beginn unserer Arbeit haben wir festgestellt, dass die bisherigen Umweltorganisationen Muslime meist aus sozio-kulturellen Gründen nicht erreichen konnten. Mit HIMA möchten wir Muslimen diesen Partizipationsraum im Umweltbereich bieten und somit auch einen interreligiösen und interkulturellen Dialog im Umweltschutz fördern. Schließlich ist die Natur unser größter gemeinsamer Nenner. 
Islamische Zeitung: Islam und Umweltschutz – die sind Begriffe, die selten in einem Atemzug genannt werden. Wodurch zeichnet sich im Islam das Verhältnis des Menschen zur Umwelt, aber auch zu seinem Schöpfer aus?

Yasemin Aydemir: Gott hat durch Seine Gesandten und Seine Schrift den Menschen angewiesen, für den Schutz der Erde einzustehen. Diese Anweisung ist sowohl spirituell als auch naturwissenschaftlich zu verstehen. Durch die Wissenschaft gelangen wir zu mehr Wissen über die Schöpfung und wie man am besten Sorge dafür tragen kann. Im Islam jedoch sagt Gott uns auch deutlich, dass wir Menschen einen Einfluss auf das, was Er geschaffen hat, haben und uns dabei gleichzeitig Wege zeigt, wie wir diesen Einfluss zum Positiven nutzen können. Der Islam umfasst eine Vielfalt an Prinzipien, die uns helfen die Einheit in Gott und seiner Schöpfung zu erkennen. Den Kern dieser islamisch-ethischen Prinzipien bilden diese Begriffe:

„Tawhid“ – die gesamte Schöpfung ist im Zusammenhang mit seinem Schöpfer zu betrachten. Alles kommt von Allah und kehrt zu Ihm zurück.

„Ayat“ – alles in der Natur ist ein Zeichen unseres Schöpfers. Nicht umsonst wird im Koran der Vers: „Darin liegen Zeichen für Leute, die nachdenken.“ so häufig wiederholt.

„Khalifa“ – Menschen wurden aus Erde erschaffen und sind Statthalter bzw. Sachwalter Gottes auf Erden. Im Koran heißt es auch, dass der Mensch in bester Form erschaffen wurde und so sollten wir dieser Verantwortung über die Schöpfung und unserem Schöpfer gegenüber versuchen gerecht zu werden, in dem wir für Umwelt, Tier und Mensch gerecht einstehen.

„Amana“ – die Erde ist ein uns Menschen anvertrautes Gut. Sie zu schützen und zu wahren liegt in unserer Verantwortung.

„Adl“ – wenn wir die Erde als eine „Moschee“ (wörtlich Ort der Niederwerfung) ansehen, bedeutet das, dass wir die Natur in einer fairen und gerechten Weise behandeln sollten. Teilweise ist es unser Wirtschaftssystem, das zu einem ungerechten Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen führt. In diesem System wird die Natur nur als eine Möglichkeit zur Rohstoffgewinnung angesehen. Wir sind aber dazu angehalten sicherzustellen, dass jeder den gleichen Zugang zu unseren begrenzten Ressourcen hat.

„Mizan“ – Alles in der Schöpfung ist so geschaffen, dass es in einem perfekten Gleichgewicht existiert. Angefangen von der Gravitation bis hin zu einem ausgeglichenen Tagesablauf von Schlaf, Arbeit, Gebetszeiten etc. 
Islamische Zeitung: Sehen Muslime „Umwelt“ wie der Rest der Welt, oder gibt es hier eigene Ansätze?

Yasemin Aydemir: Als Muslim betrachtet man die Umwelt als eine Schöpfung Allahs, das bringt schon eine Verantwortung ihr gegenüber mit sich. Muslime glauben schließlich auch, dass sie über ihr Handeln auf der Erde zur Rechenschaft gezogen werden.

Viele praktische Lösungen bietet das Leben des Propheten Muhammad, Friede sei auf Ihn, der zum Beispiel von der Verschwendung von Ressourcen auch dann abgemahnt hat, wenn sie auch unerschöpflich erschienen. In einigen seiner Aussagen gibt er den Menschen gute Tipps für eine gesunde und nachhaltige Ernährung, indem er zu regionalem Essen rät und uns empfiehlt, den Magen zu einem Drittel immer frei zu lassen. Diese Empfehlungen könnten uns als heutige Konsumgesellschaft nur zu Gute kommen.

Islamische Zeitung: Das Islamic Foundation For Ecology and Environmental Studies sieht ein ungerechtes Finanzsystem als Ursache für die globalen Umweltprobleme. Spielen solche grundlegenden Analysen eine Rolle bei euch?

Yasemin Aydemir: Wir sind auch danach bestrebt, eine ganzheitliche Umweltethik zu erkennen und diese umzusetzen. Klar hängt das Finanzsystem mit einer Schieflage, die wir heute erleben, stark zusammen. Unser Lebensstil, insbesondere unser unreflektierter (Massen)-Konsum bestärkt die globale Ungerechtigkeit. Daran möchte HIMA etwas ändern.

Wir möchten mehr Menschen dazu bewegen bewusster zu leben. Dieses Umdenken wollen wir auch in muslimischen Gemeinden, Moscheen und Institutionen generell verankern. Nur so kann mehr Druck von unten entstehen, damit mehr Firmen gerechter handeln. In den Worten eines Unternehmers: Wenn die Nachfrage steigt, wird der Anbieter gezwungen sein Handeln umzudenken.

Daneben finden wir, dass viele Intiativen wie „Wir haben es satt“ oder Demonstrationen und Petitionen gegen Nahrungsspekulationen sehr sinnvolle Mittel sein können, um Druck für einen Wandel in der Politik auszuüben.

Islamische Zeitung: Richtet ihr euch bei HIMA an eine bestimmte Altersgruppe? Wenn ja, wieso?

Yasemin Aydemir: Bei HIMA richten wir uns ausschließlich an „Junge“ Menschen. Denn „Jung“ geblieben ist meiner Ansicht nach jeder, der aktiv im Leben steht, neugierig ist und zu lernen bereit ist. Mein Vater wird dieses Jahr inscha'Allah 71 und ist meist sogar „ jünger“ als ich. Sprich, wir sind offen für Alle.

Islamische Zeitung: Es gibt mittlerweile einige, wenige bekannte Initiativen weltweit, die im Bereich des Umweltschutzes praktisch arbeiten. Beinhaltet eure Arbeit auch praktische beziehungsweise angewandte Elemente?

Yasemin Aydemir: Leider noch nicht, bisher haben wir unseren Fokus hauptsächlich auf die thematische Auseinandersetzung mit der islamischen Umweltethik und das Organisieren von Informationsveranstaltungen gelegt. Aber für die Zukunft ist es eines der Ziele HIMAs, auch praktische Arbeit zu leisten.

Islamische Zeitung: Wer kann wie bei HIMA mitmachen und wie können Interessierte direkten Kontakt zu euch aufnehmen?

Yasemin Aydemir: Jeder, der dazu bereit ist, für eine gerechtere Welt und ein ökologisch nachhaltiges Umweltbewusstsein in der Gesellschaft einzustehen ist herzlich dazu eingeladen, aktiv bei HIMA mitzuwirken. Auch wer sich noch zu wenig über diese Themen informiert fühlt und etwas dazu lernen möchte, kann sich bei uns melden und gleich unseren Newsletter über unsere Homepage abonnieren. Wie viele Organisationen arbeiten auch wir bisher ehrenamtlich und um unsere Arbeit weiterführen zu können und damit wir weiterhin produktiv bleiben können sind wir natürlich auf Mitglieder und Spenden angewiesen. Nähere Informationen findet ihr unter: www.hima-umweltschutz.de.

Yasemin Aydemir: Liebe Yasemin, vielen Dank für das Gespräch.

„IZ-Begegnung“ mit UN-Sonderberichterstatter Heiner Bielefeldt

(iz). Von deutschen Medien sollte man in Sachen Islam-Berichterstattung zumindest eine faire Haltung erwarten dürfen. Dies war einer der Schlüsse einer Fachtagung der Deutschen Islamkonferenz (DIK)Anfang Dezember 2012 zum Thema Muslimfeindlichkeit in Berlin. In den letzten Jahren haben sich im Verhältnis von Medien, Gesellschaft und Muslimen Fehlurteile und Missverständnisse verfestigt.

Neben einzelnen Diskus­sionen – wie die jüngste zum Thema Beschneidung – hat sich darüber hinaus eine tendenziell gruppenfeindliche Stimmung in die deutsche Debatte eingeschlichen. Zu ihren Vertretern gehören vermeintliche Tabubrecher wie der Ex-Banker Thilo Sarrazin, der seit Jahren auf der Welle des „das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ reitet.

Hierzu sprachen wir mit Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, der auf der DIK-Veranstaltung zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland sprach. Heiner Bielefeldt ist ein deutscher Theologe, Philosoph und Historiker. Er ist Inhaber des Lehr­stuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit Juni 2010 ist Heiner Bielefeldt Sonderberichterstatter für Religi­ons- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats. Bielefeldt engagiert sich im Interreligiösen ­Dialog und ist Mitglied des Kuratoriums der Muslimischen Akademie in Deutschland sowie des Kuratoriums der Christ­lich-Islamischen Gesellschaft. Daneben ist er Mitglied der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung des Politischen Denkens (DGEPD) sowie im Beirat der Zeitschrift für Menschenrechte (zfmr).

Islamische Zeitung: Lieber Prof. Dr. Bielefeldt, Sie sprachen im Rahmen einer Tagung der Deutschen Islamkonferenz über das ­Thema Muslimfeindlichkeit. Hat die Islam-Berichterstattung in unseren Massenmedien in den letzten Jahren Auswirkungen auf die Einstellung gegenüber Muslimen? Lässt sich ein Verhältnis zwischen beiden Phänomenen ausmachen?

Heiner Bielefeldt: Natürlich besteht ein Zusammenhang zwischen stereotypen Darstellungen des Islams in den Medien und der Einstellung der Bevölkerung gegenüber Muslimen, die sich laut der jüngsten Allensbach-Umfrage (veröffentlicht im November 2012) zwar leicht verbessert hat, aber immer noch recht negativ ausfällt. Ein allgemeines Medien-Bashing wäre aber ganz falsch. Wenn man die Berichterstattung in journalistisch gestalteten Medien mit Positionierungen im Internet vergleicht, wo Menschen ganz ungefiltert ihre Ressentiments vom Stapel lassen, wird einmal mehr deutlich, wie wichtig professionelle journalistische Arbeit ist. Ohne sie kann gesellschaftliche Aufklärung nicht gelingen, und gerade auch für die Überwindung von Vorurteilen braucht man Verbündete in den Medien, die es ja in gar nicht so geringer Zahl gibt.

Islamische Zeitung: In einem Bericht über Ihr Referat in der DIK-Tagung schlussfolgerte ein Magazin, dass die Medien zumindest ein „faires Bild“ von den Muslimen in Deutschland zeichnen sollten. Ließe sich dergleichen überhaupt durch äußeren Druck bewerkstelligen? Bis in die höchsten europäischen Gerichte waren solche Versuche zumeist gescheitert. Oder setzen Sie auf die Einsicht der beteiligten Medien?

Heiner Bielefeldt: Zunächst braucht man ein Leitbild, zu dem meiner Meinung nach vor allem das Prinzip der Fairness gehört. Es kann nicht darum gehen, auf klischeehafte, negative Berichterstattung mit Image-Kampagnen zu reagieren, die letztlich doch nur Misstrauen schüren. Das Ziel muss vielmehr darin bestehen, Klischees durch die Bereit­schaft zur Differenzierung zu ersetzen. Es geht um Genauigkeit, komplexe Bilder und eine Berichterstattung, in der die betroffenen Menschen – hier also Muslime – in ihrer ganzen Vielschichtig­keit angemessen vorkommen. Dazu gehört auch, dass Muslime selbst stärker in den Medien aktiv werden.

All das ist anstrengend, dauert Zeit und fordert Frustrationstoleranz. Einen anderen Weg gibt es aber nicht. Niemand kann doch im Ernst wollen, dass die Gerichte ständig die Angemessenheit der Berichterstattung überprüfen; das wäre das Ende der freien Gesellschaft. Gericht­liche Klagen können nur in extremen und zugleich sehr eindeutigen Fällen in Frage kommen.

Islamische Zeitung: Sie verwiesen auf den Mechanismus, wonach führende Köpfe der Islamkritik sich „als letzte Heroen der Meinungsfreiheit“ aufgespielt hätten. Spielt dieser Mechanismus des vermeintlichen Tabubruches eine Rolle innerhalb der deutschen Islam-Debatte?

Heiner Bielefeldt: Das ist ganz offen­sichtlich der Fall. Der Gestus „man wird doch wohl noch sagen dürfen“ ist allzu bekannt. Er richtet sich übrigens nicht nur gegen Muslime, sondern auch gegen andere Minderheiten. Im Namen der politischen Unkorrektheit arbeitet man sich an angeblichen Tabus ab, die bei Licht gesehen meistens gar nicht existieren. Sprachliche Gemeinheiten (wie die „Produktion kleiner Kopftuchmädchen“) lassen sich auf diese Weise als öffentliche Mutproben inszenieren. Mit echter Aufklärung hat das nichts zu tun. Der Ges­tus ist letztlich albern, und die beste Reak­tion besteht darin, mit Ironie und Satire zu antworten. Es gibt ja mittlerweile auch in Deutschland ein paar begnadete Kabarettisten aus dem islamischen Milieu. Die sollen da mal verstärkt rangehen.

Islamische Zeitung: Sie sprachen von einer ­verbreiteten Muslimfeindlichkeit, die teilweise zum Rassismus tendiere. ­Welchen Grad hat das Ressenti­ment gegen Muslime in unserem Land erreicht?

Heiner Bielefeldt: Mit dem Begriff Rassismus sollten wir vorsichtig umgehen. Aber es gibt zweifellos hierzulande auch rassistische Tendenzen, unter ­denen unterschiedliche Gruppen leiden: Juden, Muslime, Roma, Menschen afrikanischer Abstammung und andere. Das Schlimme am Rassismus ist, dass er die Menschen ent-individualisiert: Sie verschwin­den gleichsam in einem negativ konnotierten anonymen Kollektiv und kommen mit ihren persönlichen Gesichtern, Stimmen und Überzeugungen nicht mehr zum Zuge. Deshalb ist Rassismus Gift für die Demokratie, und es muss uns allen ein Anliegen sein, dage­gen vorzugehen.

Islamische Zeitung: Nach einer Entscheidung des Bundestages hat sich der Streit um das Thema Beschneidung vorerst beruhigt. Welchen Stellenwert hatte diese Debatte Ihrer Meinung nach und wie einflussreich sind die anti-religiösen Stimmen?

Heiner Bielefeldt: Dass das Thema kontrovers diskutiert worden ist, konnte nicht wirklich überraschen. Geschockt war ich aber über den ätzend-verächtlichen Tonfall, der in der öffentlichen Debatte immer wieder durchbrach. Da war von „barbarischen Akten“ und „Angriffen auf wehrlose Kinder“ die Rede. ­Viele jüdische und muslimische Eltern haben verständlicherweise mit Entsetzen darauf reagiert, dass man ihnen absprach, für das Wohl ihrer Kinder zu sorgen. Die Diskussion hat Wunden geschlagen und gezeigt, dass sich in Teilen der Gesellschaft ein geradezu aggressives Unverständnis für religiöse Bedürfnisse und Fragen breit gemacht hat. Das wird uns noch lange beschäftigen müssen.

Islamische Zeitung: Als Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrates haben Sie einen inter­nationalen Einblick. Wie nimmt man im Ausland die hiesigen Ansichten gegenüber Muslimen auf und können Sie einen Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien oder den Niederlanden ziehen? Amnesty International hielt sich mit Kritik an Deutschland in einem aktuellen Bericht zum Thema zurück.

Heiner Bielefeldt: In meiner UN-Funktion bin ich bislang eher selten auf Deutschland angesprochen worden. Insge­samt hat Deutschland ­international einen guten Ruf – auch hinsichtlich der Religionsfreiheit. Das Beschneidungsurteil aus Köln und die sich anschließen­de Debatte haben aber auch im Ausland Erstaunen ausgelöst.

Islamische Zeitung: Sie haben auf dem DIK-Treffen die Muslime dazu aufgerufen, sich mit Aufklärung und öffentlichem Widerspruch gegen „Hass­reden“ zu wehren. Hätten Sie konkrete Vorschläge?

Heiner Bielefeldt: Es gibt positive ­Beispiele. Bemerkenswerterweise hat ja die jüngste Provokation der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ gar nicht gegriffen. Muslimische Verbände hatten im Vorfeld dafür geworben, das Ganze zu ignorieren und den Provokateuren, die einmal wieder mit Mohammed-Karikaturen Aufmerksamkeit gewinnen wollten, gar keine Bühne zu ­verschaffen. Manchmal muss man aber auch öffentlich reagieren. Thilo Sarrazins Deka­denzphantasien konnte man natürlich nicht ignorieren. Die Debatte um sein Buch hat deutlich werden lassen, dass es nicht möglich ist, verschiedene Proble­me der Integrationspolitik in einen Topf zu rühren und dann schlicht das Etikett „Islam“ darauf zu kleben. An dieser Debatte haben sich bekanntlich auch Muslime beteiligt.

Islamische Zeitung: Lieber Herr Prof. Dr. Bielefeldt, wir danken Ihnen für das Interview.

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Wie kann ich es sagen?

(iz). Wer hätte das gedacht? Ein Kinderbuch – dazu noch der jahrzehntealte Klassiker von Ottfried Preußler, „die kleine Hexe“ (und keines der problembeladenen Jugendbücher aus den späten 1970ern) – hat […]

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In Frankreich nutzen interessierte Dritte den Konflikt in Mali aus

Paris (iz). Manchmal ist es mit Staaten wie mit Privatleuten: Wer viel Geld hat, unterliegt oft einem gewissen Neid und wird auch gerne mit nachteiligen Gerüchten überzogen. Katar geht es zur Zeit ähnlich. Das erdgasreiche Emirat liegt auf einer Halbinsel am Persischen Golf und verfügt über die größten Erdgasvorkommen der Welt. Der Wüstenstaat boomt, lockt sportliche Großereignisse an und investiert in die Wirtschaft – daheim und in aller Welt. Katar ist auch ein islamisches Land, nicht nur mit dem wichtigsten Fernsehkanal der muslimischen Welt ausgestattet, sondern auch aktiv mit diversen Stiftungen, die ­Muslime in aller Welt unterstützen.

Seit der Arabellion wird das Land in einigen westlichen Medien mit stellenweise recht abenteuerlichen Verschwörungstheorien überzogen. So soll Katar auch militante Gruppen in Syrien ­unterstützen oder direkt am Sturz des ­libyschen Despoten beteiligt gewesen sein. Diese Gerüchte sind nicht belegt und schüren eher den Verdacht, dass ­interessierte Dritte einige extremistische Kleingruppen mit dem offiziellen Islam in Verbindung bringen wollen. Ein neues Beispiel hierfür ist die Situation in Mali. Es wundert nicht, dass auch hier wieder der Name Katar fällt.

Die einflussreiche französische Internetseite France24 veröffentlichte am 22. Januar einen Artikel mit der Überschrift „unterstützt Katar die Krise im Norden Malis?“. Der Artikel unterstellt der ­Regierung in Doha die Parteinahme für die brutalen Rebellen in Mali. ­Angeblich wolle das Emirat mit Hilfe der ­Rebellen – so zumindest Segolene ­Allemandou in ihrem Artikel – die Verbreitung des fundamentalistischen Islam in Afrika fördern. Die unterschwellige Absicht der Kampagne ist klar: Eine belegte Parteinahme Katars für Terroristen würde das Image des Staates in Europa natürlich nachhaltig belasten. Verschwiegen wird dabei auch die klare Haltung Katars im internationalen Krieg gegen den Terroris­mus, für den der Staat auch von den Extremisten kritisiert wurde.

France24 zitiert auch andere Nachrichtenquellen, die seit dem Sommer 2012 einfach behaupten, alle Gruppen die gegen die Zentralregierung in Mali agieren – also egal ob muslimische, nationalistische oder säkulare Gruppen –, hätten finanzielle Zuwendungen aus Doha erhalten. Gleichzeitig wird die ­bekannte humanitäre Hilfe seitens ­Katars für humanitäre Organisationen, die der Zivilbevölkerung in Mali helfen – zum Beispiel in Form von Brunnenbau und die seit den 1980er Jahren Tradition hat – plötzlich in den aktuellen „Terror“-Zusammenhang gestellt.

Besonders aktiv an der Verbreitung dieser Verschwörungstheorien ist in Frankreich das Netzwerk um die FN Chefin Marine Le Pen. Der Artikel in France24 zitiert ebenso die Chefin der französischen „Patrioten“, von denen viele überzeugt sind, sie seien auch „Rassisten“. Die rechtsextreme Partei schürt seit Jahren das öffentliche Ressentiment gegen die Muslime im Land und warnt immer wieder vor einer angeblichen ­“Islamisierung” Frankreichs. Jetzt behauptet Le Pen auf Ihrer ­Internetseite, dass sich das Emirat hinterhältig gegen die französische Intervention im Kampf gegen den Terrorismus stelle. Die abstruse Idee, dass die ­reichen Araber der Golfstaaten – zum Nachteil der Franzosen – Terroristen bezahlen, passt in das schräge Weltbild der Partei. Außerdem lenken die Vorwürfe von der brisanten Debatte ab, inwiefern Frankreich selbst ökonomische ­Interessen in der Region verfolgt. Die Populistin Le Pen, Abgeordnete im Europaparlament, hatte 2011 die Führung der ­umstrittenen Partei von ihrem Vater übernommen. Jenem Mann also, der verdächtigt wurde, im Krieg Frankreichs gegen ­Algerien auch muslimische Gefangene gefoltert zu haben.

Gremium der Bonner Muslime wendet sich gegen die Berichterstattung in der Bundesstadt

Bonn (iz/RMB). In den letzten Monaten wurde die muslimische Community in der Bundesstadt Bonn erneut in den Blickpunkt einer negativen Berichterstattung von lokalen und überregionalen Medien gerückt.

Vor einiger Zeit kam es zum Fund einer funktionsuntüchtigen Bombenattrappe an einem der Bonner Bahnhöfe. Schnell wurden „gewaltbereite Islamisten“ für den mutmaßlichen Anschlagversuch verantwortlich gemacht. Mittlerweile aber mussten die verantwortlichen Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften einräumen, dass es nicht ausreichend Indizien für diese Mutmaßung gebe. Die Ermittlungen sei laut Berichten auch auf Rechtsextremisten und psychisch gestörte Einzeltäter ausgeweitet wurden. Bisher sind sie im Sand verlaufen.

Ebenfalls in der jüngeren Zeit geisterte eine reißerische Meldung durch das Netz sowie einige Medien, wonach ebenfalls „Islamisten“ einen indischen Studenten unter Gewaltanwendung gezwungen hätten, den Islam anzunehmen. Relativ schnell erwies sich dies als Betrugsversuch: Der mittlerweile geflohene Student hatte sich das Schauermärchen offenkundig nur ausgedacht.

//1//Am Montag, den 21. Januar wandte sich der Rat der Muslime in Bonn mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit, in der Berichterstattung und öffentliche Haltung bei diesen Vorgängen kritisiert wurde. Namentlich beklagten sie den Zwang zur Distanzierung gegen eine mutmaßliche „salafistische Bedrohung“. Damit habe „also wieder“ eine Vorverurteilung stattgefunden.

Auch die öffentlichen Stellen hätten, so das Gremium, einen „einen Generalverdacht zum Nachteil der Muslime“ bedient und triebe derart einen Keil zwischen Muslime und die nichtmuslimische Mehrheitsgesellschaft. „Wenn der Rat in diesem Dickicht aus medialer Panikmache und politischem Spießrutenlaufen überhaupt eine Aufgabe wahrzunehmen hat, besteht diese darin, den rassistischen Diskurs zu entlarven und durch Richtigstellung der Fakten zu dekonstruieren. Freilich ist der vorliegende Rahmen einer Erklärung der jüngsten Ereignisse nicht ausreichend, um die Kontinuität des antiislamischen Diskurses aufzuzeigen, der in Bonn unter der ehemaligen Oberbürgermeisterin Dieckmann auf die Spitze getrieben wurde.“

Kommentar: In den Konflikten Afrikas sind längst nicht nur Staaten beteiligt

(iz). Es ist der Beginn einer literarischen Karriere. Schiller schreibt die „Räuber“ und kehrt dabei geläufige moralische Bilder um. Die Guten sind auch böse, die Bösen auch gut. Die Lehre aus dem Meisterwerk, das in seiner Zeit einen Skandal auslöst, fällt mit dem Beginn einer neuen Epoche zusammen. Sie entzieht sich dem alten Schwarz-Weiß. In jedem Moment offenbart sich eine neue Wirklichkeit, die man immer neu und mit höheren Maßstäben beurteilen muss; fixe Ideologie und feste Parteiungen trüben dagegen den Blick.

Seit 1961 hat Frankreich Dutzende Male in Afrika interveniert. Dabei ging es um den Schutz dubioser Diktatoren, um Rohstoffe und um imperiale Ziele. Bis zum heutigen Tag sind marodierende Unternehmen ebenfalls an den Konflikten beteiligt. Der Krieg ist längst nicht mehr nur die Sache von Staaten, sondern wird auch zum Vorteil von börsennotierten Unternehmungen organisiert.

Der Kampf in Mali mag man nun der Einfachheit halber ebenfalls in diese Kategorie der widerwärtigen Rohstoffkriege einordnen, wäre da nicht das Phänomen, dass eine souveräne Position auszeichnet: das Erkennen der Ausnahme.

Die Horden so genannter „Islamisten“ in der Region sind tatsächlich nicht nur ein Ärgernis, sondern eine schwerwiegende Gefahr. Die ignoranten Zerstörungen in Timbuktu sprachen bereits Bände über den ideologischen Kern der Bewegung. Die kalte Umsetzung von Normen durch eine Heerschar relativ ungebildeter Raufbolde beschädigt nicht nur das Bild des Islam in der Welt, sondern birgt tatsächlich die Gefahr, dass in der Region ein bedrohliches Rückzugsgebiet für Terroristen entstehen könnte. Ein weiterer Alptraum wäre natürlich der anschließende Export des Terrors nach Europa. Es muss gleichzeitig nüchtern untersucht werden, welche Staaten, Firmen oder Parteien die Rebellen logistisch unterstützen.

Klar ist auch: Wer die isoliert agierten Rebellen und Gruppen in den Rand einer offiziellen muslimischen Bewegung befördern will, dem geht es in Wirklichkeit um eine Kampagne gegen den Islam. Die Fakten dagegen sprechen für sich. Über Jahrhunderte waren islamische Gelehrte nicht nur durch eine umfassende Bildung, sondern auch durch Nachsicht, Vorsicht und Rücksicht gekennzeichnet. Sie verkörperten – charakterlich ausgezeichnet – als ehrwürdige Persönlichkeiten das Recht. Die radikale Umsetzung einer ideologischen Systematik war ihnen so fern, wie die tägliche Reflexion über das tiefere Wesen der Gerechtigkeit ihnen nah war. Die verzweifelten Armen Afrikas sind in dieser Zeit weder das Problem, noch können sie – ohne in den Zynismus zu verfallen – ernsthaft Gegenstand von strafrechtlichen Maßnahmen sein.

Man muss – auch als Muslim – also vorsichtig sein mit einer vorschnellen Verurteilung der Franzosen; wenn auch mit einem wachsamen Auge, dass beurteilt, ob die Militärführung im Umgang mit der muslimischen Zivilbevölkerung die nötige Vernunft walten lässt. Durch die Einbeziehung der Tuareg könnte Frankreich klarstellen, dass es der Militärführung nicht nur um die Sicherung von Rohstoffen geht. Es ist auch kein Nachteil, wenn verantwortliche Kommandeure der Bundeswehr die Lage beobachten.

Ein Überlassen der Angelegenheit allein den afrikanischen Truppen wäre – wie viele Beispiele der afrikanischen Wirklichkeit zeigen – nicht unwahrscheinlich nur zum Nachteil der Zivilbevölkerung eine Einladung zur Barbarei.

Deutschland: Debatte um Kampfeinsatz. GfbV fordert langfristige Einigung mit unzufriedenen Tuareg

Bamako/Paris/Berlin (dpa/KNA). Französische Bodentruppen sind auf dem Vormarsch in den Norden Malis. „Die französischen Landstreitkräfte sind dabei, sich in Richtung Norden zu bewegen“, sagte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am Mittwochmorgen dem französischen Sender RTL. Bisher hätten die Bodentruppen die Hauptstadt Bamako gesichert, die Menschen dort, Franzosen und EU-Bürger, sagte Le Drian. Derzeit befinden sich etwa 800 französische Soldaten in Mali.

Bei dem Einsatz gegen die Rebellen in dem westafrikanischen Land rücken nach Medienberichten etwa 30 Panzer, die erst wenige Stunden zuvor aus der Elfenbeinküste eingetroffen waren, in nördlicher Richtung vor. Außerdem wollten französische und malische Verbände die von den Rebellen gehaltene Stadt Diabali im Zentrum des Landes zurückerobern. Neben Diabali wird nach französischen Angaben auch die Stadt Konna im Zentrum Malis weiterhin von Rebellen kontrolliert. Im Osten sei es gelungen, die Offensive der terroristischen Gruppen zu stoppen, sagte Le Drian.

Mit zwei Transportmaschinen und humanitärer Hilfe
Deutschland beteiligt sich am internationalen Militäreinsatz in Mali zunächst nur mit zwei Flugzeugen. Die beiden Maschinen vom Typ Transall sollen Truppen der westafrikanischen Wirtschaftsunion Ecowas in die malische Hauptstadt Bamako bringen. „Diese Maßnahme kann unverzüglich beginnen“, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch in Berlin. Der Einsatz erfordere kein Mandat des Bundestags. Zuvor war die Entsendung von insgesamt fünf Maschinen geprüft worden.

Die Bundesregierung stellt eine weitere Million Euro für die humanitäre Hilfe in Mali zur Verfügung. Zusammen mit den seit Ende 2011 zugesagten 13,65 Millionen Euro sollen die Gelder die Not der Menschen in dem afrikanischen Land lindern, wie Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Mittwoch in Berlin erklärte. Trotz des sich zuspitzenden Konflikts will die Bundesregierung laut dem zuständigen Minister Dirk Niebel (FDP) ihre Entwicklungshilfe nicht komplett stoppen. Zwar sei die bilaterale Zusammenarbeit derzeit ausgesetzt, aber „was wir nie beendet haben, waren die Maßnahmen, die unmittelbar den Menschen nutzen“, sagte Niebel im ARD-Morgenmagazin. Fortgeführt werden laut Angaben aus dem Ministerium „regierungsferne und bevölkerungsnahe Projekte“ etwa im Bereich der Wasserversorgung und der Gesundheitsvorsorge.

NGO's: humanitäres und militärisches Engagement getrennt halten
Nichtregierungsorganisationen forderten eine strikte Trennung von militärischem und humanitärem Engagement. Andernfalls werde die Arbeit der Helfer gefährdet, betonte „Ärzte ohne Grenzen“. Die Welthungerhilfe warnte, die Lage der Menschen in Mali werde „von Tag zu Tag schwieriger“. Care mahnte, einen Korridor zu schaffen, damit die Zivilbevölkerung im umkämpften Norden Malis erreicht werden könne.

Für einen gewaltfreien Dialog machten sich die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sowie medico international stark. Ohne „maßgebliche Zugeständnisse“ an die Tuareg werde es keinen dauerhaften Frieden in Mali geben, so die GfbV mit Blick auf die Anfänge des Konflikts. Laut medico international planen Menschenrechtler in Mali eine „Bürgerkarawane für den Frieden“. Sobald es die Sicherheitslage zulasse, wolle die Partnerorganisation Association Malienne des Expulses mit Demonstrationszügen nach Bamako und in die in der Landesmitte gelegene Stadt Mopti ziehen, um einen „Nationalen Rat“ zur Wiederherstellung von Stabilität und Sicherheit zu fordern.

Keine schnelle Lösung in Sicht
Eine schnelle Lösung des Konflikts in dem Wüstenstaat ist nach Einschätzung des Politologen Hans-Georg Ehrhart nicht in Sicht. Weder freie Wahlen noch eine Stabilisierung der derzeitigen malischen Regierung seien in nächster Zeit absehbar, sagte der Politikwissenschaftler im Deutschlandradio Kultur.

Nach Einschätzung der Gesellschaft für bedrohte Völker kann der Konflikt nur durch Verhandlungen gelöst werden. Die Gesellschaft erinnerte daran, dass nicht „radikale Islamisten“, sondern ein Tuareg-Aufstand den Konflikt ausgelöst hätten. „Ohne maßgebliche Zugeständnisse an die Tuareg wird es auch keinen dauerhaften Frieden im Norden Malis geben“, erklärte der Afrikareferent der Gesellschaft, Ulrich Delius.