Transparency International warnt vor enger Verflechtung von Unis und Unternehmen

Weil die Wirtschaft immer mehr Geld in Forschung und Lehre steckt, schlagen Korruptionswächter Alarm. Transparency International sieht die Unabhängigkeit der Hochschulen in Gefahr. Die Unis winken ab.

Berlin (dpa). Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International (TI) warnt vor einer immer engeren, undurchsichtigen Verflechtung von Hochschulen und Unternehmen in Deutschland. Gut 1,3 Milliarden Euro flössen derzeit pro Jahr als sogenannte Drittmittel aus der Wirtschaft an die Unis, doppelt so viel wie vor zehn Jahren. «Wir beobachten, dass zunehmend die Verwertungsinteressen der Wirtschaft die Lehre und auch die Forschung weitgehend bestimmen», sagte die TI-Vorsitzende Edda Müller am Dienstag in Berlin bei der Präsentation der Neuauflage des Portals hochschulwatch.de.

Die frühere Kieler Umweltministerin und Verbraucherschutzpolitikerin forderte Länder und Hochschulen auf, „eindeutige und klare Regeln“ für die Annahme von Forschungsaufträgen – insbesondere im medizinischen und technischen Bereich – sowie für die Offenlegung fremdfinanzierter Projekte zu schaffen. „Wir brauchen regelmäßige Sponsorenberichte: was wird in welcher Form an unseren Hochschulen finanziert.“ Trotz positiver Signale aus einigen Ländern – etwa Rheinland-Pfalz oder Bremen – gehe es auch nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes in punkto Transparenz kaum voran, sagte Müller.

Das Internetportal hat seit zwei Jahren mehr als 10.000 Kooperationen zwischen Wirtschaft und Hochschulen dokumentiert – dabei gehe es um Sponsoring-Verträge, Stiftungsprofessuren, geförderte Institute oder Forschungsaufträge, wie Transparency und die Berliner „tageszeitung“ (taz) als Initiatoren mitteilten. In Deutschland gebe es rund 1000 von Unternehmen oder privaten Stiftungen finanzierte Professuren. Auf der Website können Nutzer gezielt nach Geldgebern aus der Wirtschaft suchen oder eigene Angaben zu Beispielen von Einflussnahme machen.

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Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Der kritische Blick auf die Hochschulen ist völlig in Ordnung. Wenn allerdings das finanzielle Engagement von Wirtschaftsunternehmen unter Generalverdacht gestellt wird, skandalisiert man eine sinnvolle, für Unternehmen, Hochschulforschung, Studierende und Volkswirtschaft ertragreiche Zusammenarbeit.“ Wer auf die Drittmittel aus der Wirtschaft schaue, „wird nicht auf die Idee kommen, die Freiheit von Forschung und Lehre sei in Gefahr“.

Die Opposition im Bundestag äußerte sich kritisch. „Die zunehmende Verflechtung von Wirtschaft und Wissenschaft verbessert nicht die Qualität von Lehre und Forschung an den Hochschulen, sondern macht Lehrende und Studierende zu Bittstellern, die die Interessen der großen Unternehmen bedienen müssen“, so Linke-Expertin Nicole Gohlke. Ihr Grünen-Kollege Kai Gehring: „Das Verhältnis zwischen Grund- und Drittmitteln im Wissenschaftssystem ist im letzten Jahrzehnt strukturell aus dem Lot geraten.“ Es sei „dringend notwendig, die langfristige Grundfinanzierung der Hochschulen zu stärken und die Abhängigkeit von kurzfristigen Drittmitteln zu senken“.