,

„Unklar, wie es weitergeht“: Safran-Bäuerinnen aus Herat

Ausgabe 315

Foto: Conflictfood

(Conflictfood). Die Zukunft Afghanistans ist nach der Machtübernahme der Taliban ungewiss. Im Folgenden dokumentieren wir einen Text des Berliner Projekts Conflictfood von Safran-Bäuerinnen aus Herat.

Das junge Unternehmen will durch fairen Handel die Lebens- und Arbeitsbedingungen seiner Handelspartner in verschiedenen Ländern durch den Verkauf hochwertiger Lebensmittel verbessern helfen. „Wir möchten einen positiven Beitrag zur Veränderung leisten und Bewusstsein schaffen für die globalen Zusammenhänge und einen politisch motivierten Konsum“, heißt es auf der Firmenseite. Deshalb würden die Macher selbst an die Konfliktherde dieser Welt reisen, wo sie nach landestypischen Spezialitäten suchen und mit Bäuerinnen und Bauern vor Ort handeln. „Ehrlich. Direkt. Und fair.“

Wie ihr wisst handeln wir seit 5 Jahren mit Safran-Bäuerinnen in Afghanistan. Natürlich verfolgen wir die aktuellen politischen Geschehnisse vor Ort und sorgen uns um unsere Projektpartner*innen und ihre Familien. Heute haben wir sie endlich telefonisch erreicht – allen geht es gut! Sie bleiben in ihren Häusern und gehen aktuell nicht ihrer Arbeit nach. Sie bleiben in den Dörfern und haben nicht vor nach Turkmenistan oder in den Iran zu fliehen.

Derzeit ist es vollkommen unklar, wie es weiter geht und die Frauen warten ab, wie sich die Situation entwickelt. Laut offiziellen Verlautbarungen heißt es, Frauen dürfen künftig zur Arbeit gehen und ihrer Ausbildung nachkommen. Die Wahrheit einer Absicht ist die Tat und wir können nur abwarten, ob wir diesen Worten glauben schenken können.

Die Frage steht im Raum: Können die Bäuerinnen im Oktober auf ihre Felder, um Safran zu ernten!? Die Frauen haben die Befürchtung, dass sie in Zukunft wieder Schlafmohn auf ihren Feldern anbauen müssen. 

Der Opiumhandel bleibt, nebst dem Abbau von wertvollen Erzen und Seltenen Erden, eine der wichtigsten Einnahmequellen für die Taliban. Obwohl das Geschäft mit Drogen unislamisch ist und im Zuge der ersten Machtergreifung, vor über 20 Jahren, von der Führungsriege verboten wurde, war der Westen letztes Jahr bereit den Taliban 400 Millionen USD für das afghanische Opium zu zahlen.

Die Präsenz der Taliban ist für die Bäuerinnen grundsätzlich nichts Neues, weil diese de-facto schon über zwei Jahrzehnten in Herat und in anderen Provinzen vertreten sind. Die afghanische Regierung und die westlichen Truppen haben nie mehr als die Hälfte des Landes kontrolliert.

Der mutige Umstieg der Bäuerinnen, von der Opiumherstellung zum Anbau von Safran, war von den Taliban geduldet. Die Frauen konnten ihnen in den letzten Jahren aus dem Weg gehen oder sich mit ihnen arrangieren. Neu ist heute: die Machtposition der Taliban, ihre Ausdehnung in die Großstädte und die künftige Teilhabe an der afghanischen Regierung.

Sowohl der politische Umschwung, das Komplettversagen der NATO, die sich um ihre Verantwortung drückt und als erste das sinkende Schiff verlässt, und das Land im Chaos hinterlässt, als auch der komplette Rückzug der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, stellt alle Menschen in der Region vor neue, große Herausforderungen. Nun scheint es, dass die Guten das Land verlassen, in das sie vorher völkerrechtswidrig einmarschiert sind, und die Bösen die Macht übernommen haben – so ganz stimmt dieses nicht.

Die NATO-Staaten sind gescheitert und eine ehrliche Reflexion dieses schandvollen „Krieg gegen den Terror“ wird es nicht geben. Die deutsche Bundesregierung und alle Parteien haben jedes Jahr für diesen Einsatz gestimmt, den die Grünen und die SPD 2001 erst mit ermöglicht haben. Das selbsternannte internationale „Friedensbündnis“ wird seine eigenen Kriegsverbrechen nicht aufarbeiten. Dieses Bündnis hat mit Menschenrechtsverletzern und Drogenbaronen zusammengearbeitet, hat eine korrupte Regierung jahrelang gestützt, hat selbst gefoltert und über 200.000 Zivilist*innen in seinen Einsätzen getötet.

Unsere Mission – durch Handel einen Wandel zu erwirken – ist nun wichtiger denn je! Wir glauben weiterhin an eine selbstbestimmte Zukunft für die Menschen im Land und halten dich auf dem Laufenden, sobald es weitere Nachrichten aus Afghanistan und vom Frauenkollektiv gibt.

Kontakt: conflictfood.com