
Für die Opfer von Srebrenica und des Bosnienkrieges insgesamt: Die Hilfsorganisation Islamic Relief Deutschland steht bis heute an der Seite der Überlebenden.
Köln (Islamic Relief Deutschland/iz). 30 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica bedeuten 30 Jahre Aufarbeitung, Erinnern, Gedenken und Trauma für die bosnische Gesellschaft. Sie zeugen aber auch von der Hoffnung und Widerstandsfähigkeit traumatisierter Menschen, die einen Völkermord überlebt haben.
Über 700 Tonnen Hilfsgüter während des Krieges
Islamic Relief Deutschland und ihr internationales Hilfsnetzwerk haben während des Bosnienkrieges mehr als 700 Tonnen Hilfsgüter bereitgestellt und die Menschen darin unterstützt, ihre eigenen Lebensmittel anzubauen. Die 70-jährige Überlebende und Zeitzeugin Tima erinnert sich an das Grauen von Srebrenica, die Kriegsjahre und das Leben danach.
Heute gedenkt die internationale Gemeinschaft des Völkermordes von Srebrenica im Jahr 1995, bei dem mehr als 8.372 bosniakische Männer und Jungen getötet wurden – aber auch der mehr als 100.000 größtenteils bosniakischen Todesopfer, die in den Kriegsjahren von 1992 bis 1996 in ganz Bosnien getötet wurden.
Das Trauma hält bis heute an und ist generationenübergreifend. Die 70-jährige Überlebende Tima erzählt von der Flucht aus ihrer Heimatstadt Sebioèina mit ihren drei Kindern: „Ich musste mein Zuhause verlassen, weil sie das Haus in Brand setzten. Sie töteten, wen sie konnten. Wir sind nie zurückgekehrt. Diejenigen, die geblieben sind, wurden getötet.“
Timas Heimatstadt Sebioèina wurde 1992 von serbischen Truppen angegriffen, was sie und ihre Familie zur Flucht zwang. Drei Monate lang trug Tima ihre Kinder durch den Schnee, bis sie Srebrenica erreichte, wo sie zunächst im Wald leben musste. „In Srebrenica erinnere ich mich an den Klang der Granaten. Ich erinnere mich daran, wie anstrengend es war, das schwere Essen auf meinem Rücken zu tragen, während ich gleichzeitig meine Kinder trug.“
Sie erinnert sich auch an die schwedischen Hilfsorganisationen, die etwas humanitäre Hilfe brachten. Sie sagt: „Diejenigen, die humanitäre Hilfe erhielten, hatten eine Überlebenschance, aber diejenigen, die keine erhielten, hatten keine Chance. Ich hoffe, dass es hier nie wieder Krieg gibt.“
Alija, Timas Ehemann, und ihr Sohn wurden von den serbischen Truppen gefangen genommen. Er wurde auf tragische Weise in Kasaba, im Osten von Bosnien und Herzegowina, getötet; im Jahr 1995, wie das rote Kreuz später herausfand. Ihr Sohn Nedzad wurde zu einer Massenhinrichtungsstätte gebracht. Trotz der vier Schüssen auf ihn, überlebte er und kehrte schwerverletzt zu seiner Mutter nach Tuzla zurück.
Jetzt, 30 Jahre später, lebt Tima zeitweise bei Nezdad in Srebrenica. Und bis heute verfolgen sie die Kriegsjahre: „Wenn man einmal etwas extrem Beängstigendes erlebt hat, dann erschüttern einen danach selbst kleine Dinge. Ich würde meinen Sohn gerne aus Srebrenica wegbringen, aber was kann ich tun? Da Nedzad hier beschäftigt ist, müssen wir hierbleiben.“
Tima und ihre beiden damals noch kleinen Töchter erhielten später Unterstützung durch das Waisenpatenschaftsprogramm von Islamic Relief. Tima konnte einen kleinen Kredit aufnehmen, der ihr half, die Kinder in die Schule zu schicken. Sie sagt: „Ich bin Islamic Relief sehr dankbar, denn ich hätte nirgendwo anders einen Kredit bekommen. Ich möchte Ihnen und der Organisation, die die Patenschaft für meine beiden Mädchen übernommen hat, einfach nur sehr danken.“
Derzeit teilt sie ihre Zeit zwischen Tuzla und Srebrenica, wo Nedzad lebt, auf, doch die Rückkehr dorthin fällt ihr immer noch schwer. „Ich wollte nicht zurückkehren“, sagt sie.
Auch 30 Jahre nach dem Krieg und dem Völkermord von Srebrenica findet sie keine Worte, die auch nur annähernd das Leid ausdrücken, welches ihr wiederfahren ist. Täglich beweist sie ihren Mut und ihre Willenskraft aufs Neue, indem sie auch jetzt für ihre Kinder da ist.
Trauma
Das Trauma der jahrelangen Belagerung, des Völkermordes, der Hungersnot und der massenhaften Vergewaltigungen von schätzungsweise 50.000 Frauen hält bis heute an. Mehr als 104.000 größtenteils bosniakische und muslimische Menschen starben im Krieg, dessen Spuren die Gesellschaft bis heute durchziehen.
Zwischen dem 13. und 19. Juli 1995 wurden beim Genozid von Srebrenica mehr als 8.372 Bosniaken hingerichtet und unzählige Frauen vergewaltigt.
Als Hilfsorganisation hat Islamic Relief während des Bosnienkrieges Lebensmittel an die Flüchtenden und Überlebenden verteilt und unterstützte sie in den schweren Folgejahren dabei, ihr Leben wiederaufzubauen.
Um die Menschen auch danach zu unterstützen, setzte Islamic Relief in den 30 Jahren seit dem Krieg zahlreiche Projekte um, die Frauen und Kinder in ihrer Resilienz durch psychosoziale Betreuung stärken, aber auch Familien dabei unterstützen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Waisenpatenschaften halfen den vielen Witwen und Waisenkindern dabei, Zugang zu Bildung zu erhalten und Mikrokredite zu nehmen, um sich eine kleine Existenz aufzubauen.
30 Jahre humanitäre Hilfe in Bosnien für eine Zukunft voller Hoffnung
Der Bosnienkrieg ist eng mit der Gründung Islamic Relief Deutschlands verbunden, denn noch vor der offiziellen Gründung 1996 sammelten deutsche Helferinnen und Helfer erstmalig Geld für die Opfer und Überlebenden des Bosnienkrieges und des Völkermordes von Srebrenica.
Mittlerweile leistet die Kölner Hilfsorganisation seit 30 Jahren humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit in dem Land, das den Krieg und andere Katastrophen erlebt hat.
Die Hilfsorganisation hat während des Krieges in Bosnien Soforthilfe geleistet und unterstützt bis heute schutzbedürftige Gemeinden vor Ort – ob durch die jährliche Winterhilfe, saisonalen Ramadan- und Kurban Lebensmittelverteilungen oder Patenschaften für Waisenkinder.
Heute noch steht das internationale Islamic Relief Hilfsnetzwerk den Überlebenden des Völkermordes, insbesondere Witwen und Waisenkindern zur Seite, mit bis zu 1400 laufenden Waisenpatenschaften.
Islamic Relief als globales Netzwerk ist seit 1992 in Bosnien und Herzegowina tätig. Mit dem Kriegsende halfen lokale Teams den Überlebenden beim Wiederaufbau ihrer Häuser und bei der Bewältigung ihres Traumas; halfen den Kindern, wieder zur Schule zu gehen, und bei der Gründung von Bauernhöfe und kleinen Unternehmen.