
(iz). Die Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes gehören zu den existentiellen Erfahrungen im Leben nicht nur der Mütter, sondern auch der Väter. Der folgende Beitrag möchte versuchen, einen kurzen Einblick in die aus dem Islam und der muslimischen Tradition kommenden Hinweise und Empfehlungen zu geben. Sie wenden sich an werdende Mütter – bezüglich der Geburt und für die erste Zeit danach, als Ergänzung zu den allgemeinen Empfehlungen und Ratschlägen, die man von ärztlicher Seite und in der entsprechenden Literatur erhält.
Im Qur’an heißt es in der Sure Mariam, Vers 23-26: „Und die Wehen trieben sie (Mariam) zum Stamm einer Dattelpalme. Sie sagte: ‘Oh, wäre ich doch zuvor gestorben und ganz und gar in Vergessenheit geraten!’. Da rief es unter ihr: ‘Sei nicht traurig. Dein Herr hat schon unter dir ein Bächlein hervorgebracht. Und schüttele den Stamm der Palme in deine Richtung. So werden frische Datteln auf dich herabfallen. So iss und trink und sei frohen Mutes.’“
Nach dem Vorbild Mariams (Marias) nehmen viele muslimische Schwangere anlässlich der Geburt Datteln zu sich. Heute ist bekannt, dass diese ein die Wehen förderndes Hormon – Oxytocin – enthalten. Es verbessert darüber hinaus die Funktion der Milchdrüsen beim Stillen. In der Schwangerschaft sollte es vermieden werden, Dinge zu sehen, die gewalttätig, hässlich oder böse sind, sagt die Ärztin Fauziah Dahinden, die sich insbesondere mit der traditionellen malaysischen muslimischen Heilkunde beschäftigt. Man sollte sich in der bestmöglichen Stimmung halten. Es gehe darum, jegliche negativen Einflüsse auf das Baby zu vermeiden. Man sollte möglichst gutes und gesundes Essen zu sich nehmen. Der Körper reagiere während der Schwangerschaft auf die jeweilige Situation, sowohl was die Ernährung als auch andere äußere Einflüsse angehe. „Der Mann sollte in dieser Zeit geduldig mit seiner Frau sein“, sagt Fauziah Dahinden schmunzelnd.
Die Frage, ob eine Hausgeburt oder eine Entbindung in einer Klinik besser ist, wird oft diskutiert. Man kann hierauf keine generelle Antwort geben. Wenn keine Komplikationen zu erwarten sind, hat eine Hausgeburt den Vorteil, dass man sich in einer vertrauten Umgebung befindet und in Ruhe und mit weniger Stress die Geburt erwarten kann. Falls irgendwelche Ungewöhnlichkeiten oder Komplikationen auftreten, ist es selbstverständlich besser und sicherer, sich in ein Krankenhaus zu begeben. Auch unter den Kliniken gibt es Unterschiede in der Qualität der Betreuung, der Atmosphäre und der Art der Unterbringung der Gebärenden. Bei einer Hausgeburt ist die sorgfältige Auswahl einer Hebamme, zu der auch ein Vertrauensverhältnis bestehen beziehungsweise aufgebaut werden muss, ratsam. Die Hebamme kann auf die gebärende Frau persönlich eingehen und sie über ihre fachlichen Kenntnisse hinaus menschlich unterstützen. Bei der Geburt weiterer Kinder kann man sich erneut an die Hebamme, zu der bereits ein Vertrauensverhältnis besteht, wenden. Auch die Kinder des Gesandten Allahs wurden mit Hilfe derselben Hebamme zur Welt gebracht.
Eine Geburt bietet auch die Gelegenheit, Vertrauen in und Hingabe an Allah auf sehr unmittelbare Art zu erleben. Im Islam gilt, dass die Bittgebete einer gebärenden Frau besonders erhört werden. Man erinnert eine Frau vor einer Geburt daran, dass sie Du’as, Bittgebete, während der Wehen sprechen möge, und spricht natürlich ebenfalls Bittgebete für sie. Interessant ist, dass das arabische Wort für Mutterschoß, Rihm, der gleichen Wortwurzel r-h-m entstammt wie das Wort Rahma, das für die Barmherzigkeit Allahs steht.
„Für die Geburt kennen wir in Malaysia ein spezielles Dhikr“, sagt Fauziah Dahinden. „Auch während einer Schwangerschaft war es in meiner Familie üblich, den ganzen Qur’an zu rezitieren, und dass Mann und Frau in der Nacht aufstehen, um zu beten und Allah zu bitten, die Nachkommenschaft zu schützen und für ihr Wohlergehen zu sorgen. Das Kind hört die Rezitation des Qur’ans und dies hat einen positiven Einfluss. Es dient auch dem Schutz des Kindes vor allem Übel.“ Auch die Sure Mariam, aus der bereits oben zitiert wurde, eigne sich gut für die Rezitation während der Schwangerschaft, auch bei der Geburt, durch jemanden, der anwesend ist. Ohnehin sei es gut, während der Geburt eine Vertrauensperson dabei zu haben, insbesondere, wenn die Geburt im Krankenhaus stattfinde. Diese sei auch wichtig als Hilfe, wenn medizinische oder behandlungsbezogene Entscheidungen getroffen werden müssen, so Dahinden.
„Und die Mütter stillen ihre Kinder zwei volle Jahre. Für die, die das Stillen vollenden wollen.” (Al-Baqara, 233)
Wer stillen kann, sollte es auch tun. Denn sowohl für das Kind, als auch für die Mutter hat das Stillen viele Vorzüge. Muttermilch ist die gesündeste Babynahrung in den ersten Lebensmonaten, und das Stillen beschleunigt die Regeneration der Mutter und beruhigt das Kind. Der enge körperliche Kontakt zwischen Kind und Mutter beim Stillen tut beiden gut und ist in seiner Wichtigkeit nicht zu unterschätzen. Der kindliche Organismus kann die leicht verdaulichen Nährstoffe in der Muttermilch optimal aufnehmen und verwerten. Muttermilch enthält Eiweiße, welche wiederum Immunstoffe enthalten, die das junge Geschöpf vor zahlreichen Krankheiten beschützen. Durch die abwehrstärkenden Stoffe in der Muttermilch haben gestillte Babys einen gesundheitlichen Vorteil gegenüber jenen, die anders ernährt wurden. Forscher bezeichnen daher die Milchdrüse der Mutter als „immunologisches Organ“.
Die ersten 40 Tage nach der Entbindung gelten als wichtigster Teil der Nachbehandlung der Mutter. Die meisten Empfehlungen und Handlungsweisen in der muslimischen Tradition, die regional teils Unterschiede aufweisen, aber auch viele Gemeinsamkeiten, beziehen sich auf diese Zeit. Es ist die Zeit, in der die Mutter Kräuter, Kräuterbäder und Nahrung, die dabei hilft, den Körper zu verjüngen, nehmen sollte. Sie soll die Energie erhalten, um gesund zu werden und sich mit den Abläufen des Kindes gut vertraut zu machen. Sie sollte während der ersten 40 Tage möglichst zu Hause bleiben, wo ihr ihre Mutter, ihre Schwiegermutter oder eine Schwester in diesem Zeitraum hilft. Die Mutter verbringt diese Zeit damit, sich auszuruhen und das Kind zu versorgen.
Die Ernährung in dieser Zeit basiert auf Speisen mit anregender Wirkung auf den Körper, welche dabei helfen, die Vitalität des Körpers wiederherzustellen, erklärt Fauziah Dahinden. Sie verbessern die Zirkulation, wärmen den Körper und beseitigen Verstopfungen. Dazu gehören vor allem Fleisch, Eigelb, wärmende Gewürze wie Zimt, Koriander, Kardamom, Ingwer, Gewürznelken, Kreuzkümmel, Sternanis, Pfeffer, Fenchel oder Safran, getrocknete Datteln, Honig, Feigen, Zucker, Oliven und Haferflocken.
Die Mutter sollte sich stets warm halten und kaltes Wasser sowie Nässe vermeiden, sich also etwa nach einem Bad schnell abtrocknen. In den ersten drei Tagen nach der Geburt sollte sie gar kein Bad nehmen und nicht die Haare waschen; das Waschen mit warmem Wasser ist ausreichend. Auch kaltes Essen, etwa direkt aus dem Kühlschrank, sollte vermieden werden. Die Mutter sollte sich nicht niederhocken und nicht im Schneidersitz sitzen, Druck auf den Beckenbereich vermeiden, nicht schwer heben und in der ersten Woche weitgehend im Bett bleiben.
Gelegentliche Massagen mit speziellen Kräutern und Ölen ab dem dritten Tag, das Auflegen heißer Steine (welche die Wärme besser halten als Wärmflaschen und auch aus der europäischen Tradition bekannt sind) zwei Mal am Tag sowie ein Sitzbad zwei bis drei Mal die Woche sind Dinge, die laut Fauziah Dahinden traditionell überliefert sind und sich in der Praxis vielfach bewährt haben.
Anlässlich der Geburt eines Kindes gibt es bestimmte Handlungen, die auf die Sunna des Gesandten Allahs, Muhammad, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, zurückgehen. So wird dem Neugeborenen der Adhan, der Gebetsruf, ins rechte Ohr geflüstert sowie die Iqama, der Ruf, der kurz vor Beginn des Gebetes ausgerufen wird, ins linke Ohr. Dieser enthält auch die islamische Glaubensbezeugung „Es gibt keinen Gott außer Allah, und Muhammad ist Sein Gesandter“. Dadurch ist diese wichtige Bezeugung das Erste, was das Kind nach der Geburt hört. Es dient außerdem dem Schutz des Kindes vor Schlechtem.
Die erste feste Nahrung, die das Neugeborene zu sich nimmt, sollte etwas Süßes sein, am besten eine Dattel.
Es wird auch vom Propheten überliefert, dass der obere Mundraum des Neugeborenen mit einer gekauten Dattel eingerieben wird. Asma berichtete: „Als Abdullah bin Zubair auf die Welt kam, setzte ich ihn in den Schoß des Propheten. Er nahm eine Dattel, zerkaute sie und steckte das Zerkaute in den Mund des Neugeborenen. Er betete danach für das Wohl des Kindes.“
Eine weitere der Sunna entstammende Handlung ist die ‘Aqiqa, die am siebten Tag nach der Geburt stattfindet, wobei ein Schaf oder eine Ziege geschlachtet wird. Das Fleisch wird sowohl von der Familie gegessen als auch als Sadaqa (Spende) gegeben. Ebenfalls am siebten Tag, zusammen mit der ‘Aqiqa, sollte die Namensgebung stattfinden. Bei der Schlachtung sollte der Name des Kindes erwähnt werden. Man lädt anlässlich der ‘Aqiqa oft auch Gäste aus dem Familien- oder Bekanntenkreis ein. Ist es nicht möglich, die ‘Aqiqa nach sieben Tagen durchzuführen, kann man sie auch nach 14 oder 21 Tagen durchführen. Eine weitere Sunna ist das Schneiden der Haare des Neugeborenen, das auch am siebten Tag durchgeführt werden sollte. Es ist eine erwünschte Praxis, es mit Silber aufzuwiegen, welches dann als Sadaqa gegeben wird. Laut einer Überlieferung vom Propheten sagte dieser anlässlich der ‘Aqiqa seines Enkels Al-Hasan ibn ‘Ali zu dessen Mutter, der Tochter des Propheten: „Fatima, rasiere seinen Kopf und gib Sadaqa in Silber entsprechend dem Gewicht des Haares“ (At-Tirmidhi).