Zentralafrikanische Republik: Die ethnische Gewalt hat beinahe die ganze muslimische Gemeinschaft ausgelöscht

(iz). Als die Menschenmenge sich vor die Tür von Saleh Dido scharrte, war es morgens kurz vor dem Frühgebet. Dido, Vizebürgermeister der Stadt Mbaiki, wurde zuvor von CNN als „letzter Muslim der Stadt” bezeichnet.

Es spielte keine Rolle, dass er der Vizebürgermeister war. Es spielte weder eine Rolle, dass der christliche Bürgermeister ihn einen „Bruder” nannte, noch dass Didos Familie fast ein Jahrhundert lang in Mbaiki lebten. Nicht einmal, dass seine Frau im siebten Monat schwanger war, interessierte den Mob, der ihn kaltblütig ermordete. Das einzige, dass interessierte, war, dass er ein Muslim war.

Das Schicksal von Saleh Dido verdeutlicht, wie endlos die Brutalität in der Zentralafrikanischen Republik ist. Wer ist vor der eskalierten Gewalt sicher, wenn es nicht einmal ein berühmter Beamter ist, der von westlichen Hilfsgruppen interviewt wurde?

Kein Polizist versuchte, seine Ermordung zu verhindern, und kein Anwohner half ihm, als er rausrannte, um die Flucht zu versuchen. Als die „Friedenstruppen“ kamen, war es schon zu spät. „Die Ermordung Didos ist ein Schandfleck auf dem moralischen Gewissen der Welt”, so Joanne Mariner, führender Krisenberater des Amnesty International. „Es ist schrecklich enttäuschend, dass niemand in der Gemeinschaftt – nichtmal seine Nachbarn – ihn schützten”, sagte er weiter. Mariner hatte mehrere Male persönlichen Kontakt zu ihm. Weiter erklärte er, dass Christen, die Muslimen halfen, oft selbst angegriffen wurden, und Dido vergeblich darauf vertraute, von der internationalen Gemeinschaft beschützt zu werden.

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Als in der Zentralafrikanischen Republik die Übergriffe im Dezember letzten Jahres begannen, flohen die meisten Muslime in benachbarte Länder. Auch aus Mbaiki flohen Tausende Muslime in Konvois. Doch Dido blieb. Der 46-jährige Vater von sieben Kindern trug weiterhin stolz seinen Vizebürgermeister-Anstecker und schwor darauf seine Pflichten weiterhin zu erfüllen. So erhielt er seinen Beinamen als der „letzte Muslim von Mbaiki”. „Ich wurde hier geboren und ich bekam meine Kinder hier”, erklärte Dido der französischen Zeitung „Le Monde” noch Mitte Februar. „Ich bin seit fünf Jahren im Bürgermeisteramt. Ich habe ein Eid abgelegt. Warum soll ich fliehen? Ich will in meinem Land leben.”

Am 10. Februar plünderten Christen, die Dido loswerden wollten, sein Geschäft. Dido erklärte daraufhin dem Mob, sie würde nicht nur ihn bestehlen, sondern die Zukunft der Zentralafrikanischen Republik. Dann wurde der muslimische Bürgermeister einer anderen Gemeinde getötet und Didos Schwager flehte ihn an, zu fliehen, berichteten Freunde. Doch er weigerte sich nicht nur, sondern lud sogar einen vertriebenen Muslim zu sich nach Hause ein. Für die christliche Gemeinde war dies der Gipfel: Er lehnte es nicht nur ab zu gehen, sondern half Muslimen dabei, zurück zu kommen.

Am 28. Februar versammelten sich etwa 100 Menschen vor seinem Haus, erzählen Augenzeugen. „Alle Muslime sind weg. Was willst Du noch hier?”, reklamierte die Menge. Was dann geschah, ist umstritten. Manche behaupten, er hätte mit Pfeilen geschossen, und mehrere verletzt. Andere sagen, er tat dies nur in einem verzweifelten Versuch, sein Leben zu verteidigen. Dann rannte er los. Die nächste Polizeistation ist zwei Kilometer von seinem Haus entfernt. Wenige hundert Meter von der Polizeistation entfernt holte ihn der, mit Messern bewaffnete Mob schließlich ein und fiel über ihn her. Sie rissen ihm die Kleider vom Leib und schnitten ihn wiederholt durch die Kehle. Ein weibliche Täterin trennte sogar seine Genetialen ab.

Zwei Polizisten waren anwesend, griffen jedoch nicht ein. Die Angreifer drohten damit, die Familie von jedem zu schaden, der Muslime beschütze. Polizeichef Yvon Bemakassoui lehnte es ab, über den Fall zu sprechen. Als die Friedenstruppen aus Kongo eintrafen, war Dido schon tot. Sein Leichnam lag in einem Entwässerungsgraben an der Straßenseite. Die Friedenstruppen verhafteten 22 Verdächtige, darunter fünf Frauen, und übergaben sie der Polizei. Die Anwohner berichten, dass alle Verdächtigen wieder freikamen.

In der Zwischenzeit brachten Nachbarn die Familie Didos zum Schutz in einer katholische Kirche unter. Von dort aus wurden sie von den kongolesischen Friedenstruppen in die Hauptstadt gebracht. Die Witwe ist nur noch Wochen entfernt, ihr Kind zu bekommen.

Wochen nach der Tat gibt es immer noch Bewohner in Mbaiki, die in traditionellem weißen Gebetsanzug und Gebetsmütze herumlaufen. Allerdings sind es keine Muslime, sondern die geplünderten Klamotten aus Didos Geschäft. Die zwei Moscheen der Stadt wurden dem Erdboden gleichgemacht, genauso wie Didos Haus. Den blauen Toyota 4×4 der Familie zerlegten die Plünderer in Einzelteile. Das Rote Kreuz beerdigte den Leichnam Didos außerhalb von Mbaiki. Somit gibt es keinen einzigen Muslim mehr in der Stadt.