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90.000 Mal satt werden

Foto: Franziskaner Pankow | pankow.franziskaner.de

Von Licht und Schatten berichten die Franziskaner vor dem silbernen Gründungsjubiläum ihrer „Suppenküche“ in Berlin-Pankow: Das Engagement ihrer Helfer ist groß, ebenso aber auch die Not ihrer Gäste.
Berlin (KNA). Einige graubärtige Männer mit zerfurchten Gesichtern löffeln ihr Frühstück aus dem Napf. In der „Suppenküche“ der Franziskaner in Berlin-Pankow gibt es an diesem späten Vormittag Eiersalat mit Brot. Manche Gäste sind schon satt und auf den Bänken eingeschlafen, die Mützen tief ins Gesicht gezogen.
Es ist um diese Zeit – wie an jedem Öffnungstag – die Ruhe vor dem Sturm in dem großen Speisesaal. Wenn die Sonne am höchsten steht, beginnt das Gedränge. Bis zu 500 Besucher kommen täglich in Berlins größte Einrichtung, die unentgeltlich warme Mahlzeiten an bedürftige Menschen ausgibt. Im April wird sie 25 Jahre alt.
Die Anfänge waren klein. Beim Start 1991 kamen täglich 20 Gäste, wie Franziskanerbruder Andreas Brands berichtet. Zunächst erhielten sie die Mahlzeiten an Tischen und Bänken unter freiem Himmel. Der wachsende Zustrom machte es notwendig, vor elf Jahren den lichten Speisesaal zu bauen. Dort werden jährlich nun rund 90.000 Mahlzeiten ausgegeben.
Mit der politischen Großwetterlage änderte sich auch die Klientel, erläutert Bruder Andreas, Sprecher von Kloster und Suppenküche. In den ersten Jahren kamen viele junge Menschen. Die sprunghaft steigende Arbeitslosigkeit nach dem Ende der DDR hatte sie aus der Bahn geworfen. Um das Jahr 2000 fanden sich zeitweise zahlreiche Punks und Drogenabhängige ein, die sich mit ihren Hunden auf dem Klostergelände niederließen.
Nun sind es zumeist Gäste im Alter zwischen 40 und 80 Jahren, die mit Mini-Renten nicht über die Runden kommen, so Bruder Andreas, der die Suppenküche einige Jahre selbst leitete. Weiterhin nehmen aber auch Alleinerziehende und kinderreiche Familien sowie psychisch Auffällige das Angebot dankbar an.
Die jüngste EU-Erweiterung brachte eine neue Gruppe von Besuchern aus Bulgarien und Rumänien. Auch die Flüchtlingswelle des vergangenen Jahres macht sich bereits bemerkbar. Sie schlägt sich bislang jedoch kaum an der Essensausgabe nieder. „Wir kochen auch mit Schweinefleisch“, äußert der Ordensmann Verständnis für den Bogen, den diese meist muslimischen Besucher um den Speisesaal machen. Sie gehen in der Regel in die Kleiderkammer, die der Suppenküche angegliedert ist.
Denn bald hatten die Franziskaner erkannt, dass es nicht reicht, nur hungrige Mägen zu füllen. Sie eröffneten auch eine „Hygienestation“ mit Duschen und Waschbecken. Dort gibt es auch Pflegeartikel vom Papiertaschentuch bis zur Zahnbürste. Zudem hilft eine Sozialarbeiterin regelmäßig bei Telefonaten oder Schriftverkehr mit Behörden. Einmal die Woche steht das Caritas-Arztmobil vor der Tür und bietet medizinische Hilfe an.
Unterstützt werden die sechs fest angestellten Mitarbeiter, unter ihnen Bernd Backhaus als Gesamtleiter, durch 80 ehrenamtliche Helfer. Bis zu 20 von ihnen sind jeden Tag im Einsatz. „Wir haben keine Nachwuchsprobleme“, freut sich Bruder Andreas. Sogar an Sonn- und Feiertagen ist der Betrieb durch sie sichergestellt, manche kommen seit über zehn Jahren. Die Helfer sorgen unter anderem dafür, dass Lebensmittelspenden aus Supermärkten pünktlich in die Speisekammer kommen.
„Darauf sind wir dringend angewiesen“, betont Bruder Andreas, der auch für das „Fundraising“ verantwortlich ist. „Wir finanzieren uns vollständig durch Spenden.“ Sie kommen unter anderen aus Kollekten von Kirchengemeinden und Benefizaktionen von Kindergärten, aber auch von rund 1.000 Einzelförderern.
Über mangelnden Rückhalt aus der Politik kann die Suppenküche nicht klagen. Im vergangenen Dezember stattete Bundespräsident Joachim Gauck ihr einen Besuch ab und zollte dem Engagement aller Mitarbeiter hohes Lob. Zum Auftakt der Jubiläumsveranstaltungen am 5. April hat sich Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) angesagt. Auf einem Podium im Speisesaal wird sie zum Thema „Armut“ Stellung beziehen.