
Amnesty International und die Bertelsmannstiftung haben in aktuellen Berichten die Lage von Bürger- und Minderheitenrechte bewertet. Dabei gibt es in Deutschland viel zu tun.
(iz). Am 27. März veröffentliche die deutsche Sektion der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ihren aktuellen Bericht zur Lage der Menschenrechte in 156 Ländern. Das Dokument wurde von Deutschland-Generalsekretär, Markus N. Beeko, öffentlich vorgestellt. In dem Report wird gesondert auf die Lage der Rechte von Bürgern und Einwohnern in der Bundesrepublik eingegangen.
Amnesty International über verschiedene Problemfelder
Der Report ist in verschiedene Themen- und Problembereiche gegliedert, die von Diskriminierung, über Privatsphäre bis zur Klimakrise reichen. Grundsätzlich macht die Organisation deutlich, dass diskriminierende Personenkontrollen (oder Racial Profiling) Persönlichkeitsrechte verletzten und immer unzureichend zur Kenntnis genommen würden.
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So habe der Europäische Gerichtshof im Oktober 2022 entschieden, dass mangelnde Ermittlungen solcher Vorwürfe das Recht auf Nichtdiskriminierung missachteten. „Das Fehlen eines unabhängigen Beschwerdemechanismus auf Bundes- und Länderebene behinderte weiterhin die Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen durch die Polizei“, so Amnesty International.
Fremdenfeindlichkeit dominiert bei Hasskriminalität
2022 seien in Sachen Hasskriminalität „fremdenfeindliche Hassverbrechen“ in absoluten Zahlen „weiterhin am häufigsten“ gewesen. Allerdings stiegen andere Phänomene wie Antisemitismus, Geschlecht und Behinderung um zweistellige Prozentpunkte an.
Amnesty monierte bezüglich dieses Problemfeldes, dass der nationale Aktionsplan der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus vom März 2022 nicht auf „institutionellen und systemischen Rassismus“ eingehe. In Deutschland gehöre Rassismus „zum Alltag“.
Bei der Versammlungsfreiheit der Bürger sieht die Organisation weiterhin Nachholbedarf. Regelungen einzelner Bundesländer wie die von Nordrhein-Westfalen würden dieses Recht „unverhältnismäßig“ einschränken. Staatliche Zugriffsmöglichkeiten seien hier unangemessen ausgeweitet worden. „Trotz einiger Änderungen, die nach heftiger Kritik im Gesetzgebungsprozess vorgenommen wurden, blieben zahlreiche bedenkliche Regelungen bestehen.“
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Das Klima betrifft auch die Bürgerrechte
Neu im Vergleich zu früher ist, dass Menschenrechtsaktivisten wie Amnesty International den Klimawandel in Hinblick auf Menschen- und Bürgerrechte befragen. Ein Thema, mit dem das Deutschlandkapitel des Berichts endet.
Einerseits habe die Bundesregierung den innerdeutschen Klimaschutz beschleunigt, allerdings auch Investitionen in die Infrastruktur für fossile Brennstoffe genehmigt. International beteilige sich die Bundesrepublik an der globalen Klimafinanzierung, „hielt aber die zugesagte Erhöhung der Mittel auf 6 Mrd. Euro nicht ein“.
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Bertelsmannstiftung über Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft
Etwas weniger als vier Wochen später veröffentlichte die Bertelsmann Stiftung ihren aktuellen Report „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“. In dem Papier wird beschrieben, wie sich Haltungen zur Antidiskriminierung in den letzten 15 Jahren verändert haben. „Dabei steht vor allem die ethnische, rassistische und religiöse Diskriminierung im Fokus. Zudem erfolgt eine Analyse der Befunde nach sozialen Milieus“, hieß es von Bertelsmann.
Eine Kernerkenntnis sei, dass Maßnahmen vonseiten der Politik und der Wirtschaft seit 2008 „heute stärkere Unterstützung“ fänden. Zugleich hätten mehr als damals angegeben, selbst ethnische, rassistische oder religiöse Verächtlichmachung erlebt zu haben, und mehr Menschen sehen diesbezüglich Bedarf für ein Eingreifen.
Ali Mete, Generalsekretär der IGMG, sieht einen „klaren Handlungsbedarf für die Politik“. Denn mehr als 5,5 Millionen Muslime im Lande seien oft von Benachteiligung betroffen. „Ausgrenzung und Diskriminierung sind nach wie vor weitverbreitet, wie jetzt aus einer weiteren Studie hervorgeht. Danach machen Musliminnen und Muslime besonders oft Rassismuserfahrungen. 72 Prozent von ihnen geben an, ethnische beziehungsweise rassistische Diskriminierung erlebt zu haben.“
Daraus leite sich ein klarer Auftrag ab: Dem Kampf gegen antimuslimischen Rassismus müsse eine höhere Priorität eingeräumt werden. Die dafür notwendige Mehrheit ist laut Studie vorhanden: 54 Prozent sehen hier Handlungsbedarf. Man appelliere an den Gesetzgeber, den Schutz vor Benachteiligung zu stärken, „damit Opfer zu ihrem Recht kommen und Täter bestraft werden“.