,

Angriff auf die Person auch ein Teil der „Islamdebatte“

Ausgabe 311

Foto: Adobe Stock

(iz). Meldung, Bericht, Feature, Reportage… Dies sind journalistische Darstellungsformen wie sie die meisten Medienschaffenden gelernt haben. Doch die Welt ändert sich. Aktuelle Herausforderungen verlangen von Medien den Mut, neue Wege zu gehen. Insbesondere in der Islamberichterstattung erfreut sich seit einigen Jahren ein neues Genre zunehmender Beliebtheit: die Vernichtung.

In den Nullerjahren auf rechtsextremen Blogs wie pi-news entstanden, ist die Textform heute aus Medien wie BILD, Welt oder „Tagesspiegel“ kaum noch wegzudenken. Gleichzeitig scheuen immer noch viele Medienleute vor den neuen Möglichkeiten zurück: sei es aus Unkenntnis, journalistischer Professionalität oder Anstand. Dabei bietet die Vernichtung nicht nur ungekannte Karrieremöglichkeiten. Sie befreit den Schreibenden auch vom unbequemen Ballast journalistischer Prin­zipi­en. Vergessen Sie Sorgfaltspflicht, Faktentreue und Persönlichkeitsrechte. Mit diesen einfachen Schritten werden Sie zum Meister der Vernichtung.

1. Suchen Sie sich einen Muslim des öffentlichen Lebens

Im Zentrum der Vernichtung steht meist eine exponierte muslimische Person (im Folgenden: „das Opfer“). Ihr Opfer kann zum Beispiel kürzlich in ein öffentliches Amt berufen worden sein, ein vielversprechendes ­Projekt gestartet haben oder eine Kooperation mit staatlichen Ins­titutionen eingegangen sein. Auch eine anstehende Preisverleihung ist ein guter Anlass für eine Vernichtung. Ist keine Einzelperson zur Hand, kann auch ein Moscheeverein, eine islamische Religionsgemeinschaft oder irgendeine andere muslimische Gruppierung Gegenstand des Beitrages sein. Ziel ihres Beitrages ist es nun, diese Person oder ­Institution öffentlich so sehr zu beschädigen, bis alle Gelder gestrichen, Projekte beendet und Kooperationspartner sich abgewendet haben.

2. Machen Sie die Person zum Islamisten

Das erfolgreichste Instrument, um dies zu erreichen, ist das Opfer als „Islamisten“, „Muslimbruder“ oder Agenten des „politischen Islam“ zu brandmarken. Keine Angst, sie müssen dazu nicht wirklich den Aufwand betreiben, die ideologische Einstellung ihres Opfers in Erfahrung bringen. Auch Kenntnisse über echte islamistische Strukturen brauchen Sie nicht. Ein paar willkürlich konstruierte Verbindungen reichen völlig: Ein Foto zeigt, wie ihr Opfer bei einer Podiumsdiskussion neben jemanden sitzt, dem auch schon einmal Kontakt zur Muslimbruderschaft nachgesagt wurden? Ein Jahre alter Facebook-Post? Noch eine tendenziöse Bildunterschrift und schon haben Sie ihr Opfer als „Islamisten“ überführt.

3. Bleiben Sie so vage wie möglich

Sie können keine konkreten Verbindungen zu Islamisten finden? Das macht nichts. Lassen Sie sich von fehlenden Fakten nicht abschrecken und bleiben im Ungefähren. Schreiben Sie vage vom „Umfeld“ der Muslimbruderschaft oder nutzen sie Wortneuschöpfungen wie „Aktionsgeflecht“. Machen Sie zahlreich von Konjunktiven wie „soll“ und Passiv­formen wie „wird nachgesagt“ Gebrauch. Es gilt der Leitsatz: Je konkreter die ­Formulierung, desto größer die Gefahr, sie später auch beweisen zu müssen.

4. Ignorieren Sie das Gros der Tätigkeiten das Opfers

Personen, die sich ein Leben lang ­demokratisch engagiert haben, als „Islamisten“ zu diffamieren, ist nicht immer einfach. Schließlich hat sie sich ihr Opfer gerade durch sein Engagement erst jenes öffentliche Amt, jenen Preis oder jene Projektförderung verdient, die nun Anlass für Ihren Text ist. Das Gros der Tätigkeiten des Opfers müssen deshalb unter allen Umständen verschwiegen werden. Hinweise auf interreligiöses Engagement oder den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus bergen nur die Gefahr, unnötige Zweifel beim Leser zu säen. Unbedingt zu ignorieren sind auch Stimmen von Kollegen, Projektpartnern und anderen Weggefährten, die Ihren Anschuldigungen widersprechen. Stellen Sie sie im Zweifel als Naivling dar.

5. Nur Personen zu Wort kommen lassen, die ihr Opfer schlecht dastehen lassen

Gilt im konventionellen Journalismus die Maxime, Experten nach ihrer fachlichen Kompetenz auszuwählen, sollten Vernichtungsjournalisten stets auf jene Zitatgeber zurückgreifen, die Ihrem Opfer am feindlichsten gesinnt sind. Manche Redaktionen haben dazu bereits einen aus „Islamkritikern“, „Ex-Muslimen“, und Rechtsaußen-Politikern angelegt, die auf Zuruf passende dramatische Statements liefern. Dass viele dieser Personen den demokratischen Ansprüchen, an ­denen Sie ihr Opfer messen, selbst nicht gerecht werden, sollte Sie nicht abschrecken. Kritische journalistische Distanz ist hier fehl am Platz. Betrachten sie die Zusammenarbeit lieber als Kampf gegen den gemeinsamen Feind.

6. Nutzen Sie die Autorität von Sicherheitsbehörden

Selbiges gilt für Sicherheitsbehörden. Informationen des Verfassungsschutzes haben gleich zwei Vorteile: Sie genießen in der Öffentlichkeit große Autorität, sind gleichzeitig aber häufig so schwammig formuliert, dass sie sich kaum wider­legen lassen. Ist beispielsweise in einem Verfassungsschutzbericht von unbestimmten „Erkenntnissen“ zum „Umfeld“ einer Organisation die Rede, zu der Sie Ihrem Opfer wiederum „mutmaßliche Berührungspunkte“ nachsagen, platzieren Sie diese so prominent wie möglich. Unterlassen Sie alle Hinweise, dass es sich auch beim Verfassungsschutz um einen politischen Akteur mit eigenen ­Interessen handelt. Machen Sie sich ­zusätzlich die föderale Gliederung der Geheimdienste zu nutze. Kommen die Jahresberichte von 16 der 17 Verfassungsschutzämter zum Ergebnis, dass Institution X nicht „islamistisch“ ist, sollten sie stets aus dem verbliebenen Bericht ­zitieren.

7. Nach der Vernichtung ist vor der Vernichtung

Sie haben ihren ersten Vernichtungstext veröffentlicht? Herzlichen Glückwunsch! Doch damit ist es nicht getan. Erinnern Sie sich: Ihr Ziel ist nicht die Öffentlichkeit über einen bestimmten Sachverhalt zu informieren. Ihr Ziel ist Vernichtung. Und dieses Ziel ist erst erreicht, wenn sämtliche Preise ihres Opfers aberkannt, Förderungen zurückgezogen und Projekte beendet worden sind. Veröffentlichen Sie deshalb täglich weitere Texte, in denen sie neue alarmistischen Statements sammeln oder nun Behördenvertreter, Politiker und Kooperationspartner der „Kapitulation vor dem politischen Islam“ beschuldigen. Haben Sie schließlich ihr Ziel erreicht, geht es von vorne los: Nutzen Sie nun die eben ­erfolgreich als „islamistisch“ markierte Person oder Institution, um deren ­Projektpartner, Förderer oder entfernte Bekannte zu vernichten.

8. Lassen Sie sich nicht irritieren

Befolgen Sie all diese Schritte, können Sie es mit der Zeit auf diese Weise zu einer stattlichen Sammlung an Vernichtungen bringen: eingestellte antirassistischen Projekte, beendete interreligiöse Kreise, zurückgezogene Förderungen für Flüchtlingsiniativen, gescheiterte Zusammenarbeiten zur Extremismusprävention… Lassen Sie sich nicht davon irritie­ren, dass all dies nichts mit „Islamismus“ zu tun hat. Mit Journalismus hat Ihre Arbeit schließlich auch nichts zu tun.

Ein Kommentar zu “Angriff auf die Person auch ein Teil der „Islamdebatte“

  1. Genau auf den Punkt gebracht. Ich habe das selbst erlebt. Die deutschen Medien haben sich seit dem 12.09.2001 in erster Linie auf die Vernichtung von muslimischen Projekten und Persönlichkeiten konzentriet. Seit kurzem bekommt es auch jeder Nichtmuslim zu spüren, der die Corona-Politik und den Impfwahnsinn kritisiert. Querdenken wird kriminalisiert und unbequemen Ärzten wird die Approbation entzogen und die Existenz vernichtet. Unbequeme Schauspieler müssen öffentlich zu Kreuze kriechen und werden in den sozialen Medien mit Hasskommentaren überschüttet. Nebenbei gesagt scheint es hier auch ein neues Genre zu geben: das des Hasskommentators. Diese Typen sind so eifrig, dass sich der Gedanke aufdrängt, sie könnten dafür bezahlt werden.
    Kurz gesagt; Willkommen in der Neuen Weltordnung.
    Wenn wir so weiter schlafen, wie bisher, haben wir sie auch verdient.

Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.