Frankfurt (KNA) In der Flüchtlingskrise wächst bei den Deutschen die Sorge vor den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Wie aus einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Mittwoch) hervorgeht, gaben 54 Prozent an, die Entwicklung der Flüchtlingssituation bereite ihnen «große Sorgen»; im August waren es 40 Prozent. Im selben Zeitraum ging die Zahl derer, die sich «etwas Sorgen» machen, von 45 Prozent auf 38 Prozent zurück.
Bei der Umfrage sprachen sich 56 Prozent für eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen aus. Eine große Mehrheit will Flüchtlinge aus Kriegsgebieten aufnehmen, andere aber rasch und konsequent abschieben.
Zwei Drittel der Bürger erwarten der Umfrage zufolge, dass der Flüchtlingszuzug Deutschland stark verändern werde. 62 Prozent fürchten, dass terroristische Organisationen den Flüchtlingszuzug nutzten, um Terroristen einzuschleusen. Die Sorgen wegen kurzfristiger Entwicklungen sind größer als wegen langfristiger. So gaben 64 Prozent an, der Zustrom der Flüchtlinge berge kurzfristig mehr Risiken als Chancen; langfristig sehen das lediglich 46 Prozent so. 57 Prozent der Bürger sind überzeugt, dass Deutschland jegliche Kontrolle darüber verloren habe, wie viele Flüchtlinge ins Land kommen. Jeder Zweite bescheinigt der Politik Realitätsverluste.
Der frühere Generalbundesanwalt Harald Range sieht keine Sicherheitsgefahr wegen ankommender Flüchtlinge aus Syrien. «Ich halte nichts von Panikmache», sagte Range der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung». «Die, die jetzt hierherkommen, sind ja vor dem 'Islamischen Staat' geflüchtet, vor Problemen, die der IS in den Bürgerkriegsregionen schafft. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Terrorist dabei ist, der jetzt hier unerkannt eingeschleust werden soll.»
Unterdessen übten der Politikwissenschaftler Aladin El-Mafaalani und der Publizist Mark Terkessidis scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: «Wir haben es mit einer Regierungskrise zu tun, weil es in Berlin offenbar kein Organ gab, dass die Situation überblicken oder gar antizipieren konnte», schreiben sie in einem Gastbeitrag für die «Süddeutsche Zeitung».
Der Berliner Politikwissenschaftler Klaus Schroeder mahnte die Medien, über Probleme und Gewalt im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise offen zu informieren. «Überregionale Medien schüren den Verdacht, etwas zu verschweigen, wenn sie über Gewalttaten von Asylbewerbern nicht berichten», sagte der Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität im Deutschlandfunk. Mit Tabuisierung erreiche man das Gegenteil.
Wenn überregionale Medien nicht über Gewalt von Flüchtlingen berichteten, während soziale Netzwerke sie thematisierten, entstehe nicht nur bei Rechtsextremisten der Verdacht, Medien wollten etwas verschweigen. «Es muss offen geredet werden, auch über Probleme, die es geben wird, ohne Frage. Wer jetzt sagt, es geht ohne Probleme, der lügt.»