Die IGD Jahreskonferenz 2012 und der Beigeschmack des Verfassungsschutzes. Ein Kommentar von Morad Bouras

(iz). Es ist knapp sechs Monate her als das Bayrische Verwaltungsgericht in München entschied, dass der Realschullehrer Marwan Al-M. nicht unterrichten darf (Az. M 5 K 10.285). Unter anderem deswegen nicht, weil er einst eine Veranstaltung der Islamischen Gemeinschaft Deutschlands (IGD) besucht hatte und Informationsmaterial der Muslimbrüderschaft auf seinem Laptop gefunden wurde. Dies, so Al-M., um sich mit ihrem Selbstverständnis auseinanderzusetzen. Auch wurde ihm angelastet, dass er der Ideologie der angegebenen Organisationen nahesteht.

Unter dem Motto „Frühling weckt Hoffnung und Willen zur Veränderung“, findet am 16. und am 17.06.2012 die IGD Jahreskonferenz in Bonn und München statt. Öffentlich und für jedermann zugänglich. Für diese Konferenz eingeladen sind beispielsweise Prof. Tariq Ramadan, Prof. Udo Steinbach und Rashid Al-Ghannouchi. Ca. achtzehn Monate nach den Arabischen Revolutionen, werden die Diskutanten über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges debattieren und ihre Ansichten dem Publikum vor Ort präsentieren.

eder politisch interessierte Mensch, der sich die Entwicklungen der vermutlich größten emanzipatorischen Leistungen der jüngsten Zeitgeschichte vergegenwärtigt, wird aufhorchen und sich diese Jahreskonferenz in den Terminkalender eintragen. Die Arabischen Revolutionen, die der Ausgang der Menschen aus ihrer unverschuldeten Unmündigkeit sind – die durch imperiale und koloniale Weltpoltik verschuldet wurde, halten noch immer an.

Das Interesse ist also groß, doch was ist, wenn unter den Interessierten Menschen sitzen, die danach streben in den Staatsdienst einzutreten um Lehrer, Polizisten, Richter, Verwaltungsbeamte und Staatsanwälte zu werden? Ist da die Beschattung vom Verfassungsschutz vorprogrammiert und damit ein zukünftiges Berufsverbot? Kann allein der Besuch so einer Veranstaltung die berufliche Karriere beeinflussen? Oder ist dies eine gewollte Abschreckung, um ambitionierte Muslime von Veranstaltungen dieser Art fernzuhalten?

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Dem Marwan Al-M. anzulasten, dass er sich mit den Grundlagen der Muslimbrüderschaft und der IGD auseinandergesetzt hat, vermittelt den Eindruck, dass dies nur der Verfassungsschutz selbst tun darf. Doch wie soll sich eine differenzierte und objektive Meinung der Muslime und Nicht-Muslime heranbilden, wenn es nicht erlaubt ist, ihr Selbstverständnis zu analysieren? Wie soll ein Muslim sich von etwas distanzieren, dass er nicht kennenlernen darf? Darüber hinaus ist die Frage offen, warum die IGD seit ihrer Gründung 1958 noch immer besteht, wenn sie doch einer Ideologie nachgehen soll, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung missachtet.

Ob der Fall Marwan Al-M. nun ein Präzedenzfall für zukünftige Entscheidungen verschiedener Verwaltungsgerichte darstellt, scheint nicht weit her geholt zu sein. Wie von Seiten der Muslime mit diesem Signal seitens des Bayrischen Verwaltungsgerichts München umgegangen werden kann, bleibt offen. Erreicht wurde damit lediglich ein erweitertes Misstrauen der Muslime und der verschiedenen Verbände gegenüber dem dubiosen Verfassungsschutz (NSU, Agent Provocateur, V-Männer) und deren Recherchen gegenüber den islamischen Organisationen im Allgemeinen, die nun als sachliche Grundlage für ein Berufsverbot im Jahre 2012 verwendet worden ist.