Die „Stadtbild“-Debatte dreht sich immer weiter. Jetzt mischt auch der Rapper Eko Fresh mit. Was dahinter steckt und was daran neu ist, erklärt eine Soziologin.
(KNA). „Nee, wir sind brav, wir sind deine Putzkräfte“, rappt Eko Fresh. „Unsere Mamas feuert man für paar Schmutzreste, sofort kontrolliert, wenn ich mich in den Bus setze.“ Von Nikolas Ender
Der Song mit dem Namen „Friedrich“ geht, seitdem ihn der 42-jährige türkischstämmige Rapper in den Sozialen Medien gepostet hat, durch die Decke.
Was hinter den Zeilen steckt: das Gefühl, wegen des eigenen Aussehens wie Dreck behandelt zu werden; dass die eigenen Mütter in unterbezahlten Jobs arbeiten müssen, sozial prekär angestellt, ohne zu wissen, ob sie nicht jeden Moment diese Stelle verlieren; dass man „Racial Profiling“ erlebt, also dass Polizisten oder Zugpersonal nur wegen des Aussehens kontrollieren. Allein mit mehr als 100.000 Likes auf TikTok scheint Eko Fresh einen Nerv getroffen zu haben.
„Es sind nicht nur zwölfjährige Jungs, die Eko Freshs Musik gut finden“, sagt die Soziologin Heidi Süß von der Internationalen Hochschule IU in Erfurt, die sich seit langem mit Rap beschäftigt. „Freshs Fans kommen aus allen möglichen Alterskohorten. Viele von ihnen haben einen Migrationshintergrund und selbst Rassismus erlebt.“

Foto: Ö. Mutlu/X
Mit dem Lied knüpft Eko Fresh an eine Debatte an, die Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor etwa zwei Wochen bei einer Pressekonferenz ausgelöst hatte. „Bei der Migration sind wir sehr weit“, sagte der Kanzler. Binnen eines Jahres habe man die Zahl der Asylantragsteller um etwa 60 Prozent reduziert.
Und dann kam der entscheidende Satz, um den sich seitdem eine Debatte dreht in Deutschland; einem Land, das in einer der größten Wirtschaftskrisen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs steckt: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt auch in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“
Nach einem Kritikhagel bekräftigte der Kanzler seine Aussage noch mal – mit einer Erklärung, mit der Rapper Eko Fresh seinen Song einleitet: „Lieber Friedrich, du hast echt bezaubernde Töchter. Wir auch – aber unsere hausen in Löchern.“
In der Erklärung nach der CDU-Präsidiumsklausur hatte Merz gesagt: „Fragen Sie Ihre Kinder, fragen Sie Ihre Töchter, fragen Sie in Ihrem Freundeskreis herum. Alle bestätigen, dass das ein Problem ist.“ Das Problem – das ist laut Merz und einigen seiner CDU-Kollegen, die sich der Kritik angeschlossen haben, das viel besprochene „Stadtbild“.
Fresh beschäftigt mehr als das. Ihm geht es in seinem Song auch um die Armut, die Menschen in ihren eigenen vier Wänden erleben. Er fragt sich: Denkt der Kanzler auch an Frauen aus der Türkei, aus den arabischen Ländern oder anderen Gebieten? Oder spricht er nur für „weiße“ Frauen?
Kurzum: Wenn Merz über das Stadtbild spricht, beschäftigt ihn dann auch die wirtschaftliche Lage von Frauen mit Migrationshintergrund, die – so Eko Fresh – „in Löchern hausen“? Fresh wirft die Frage auf, für wen der Kanzler spricht, der ein Repräsentant aller Bürger des Landes ist. Dem Rapper geht es auch um migrantische weibliche Perspektiven.
„Rap war schon immer politisch“, erklärt Soziologin Süß. „In den Songtexten kamen immer auch mal Politikernamen vor.“ Rapper haben zum Beispiel über Angela Merkel gerappt, weil die Ex-Kanzlerin für viele eine weiße Mehrheitsgesellschaft repräsentierte.
Aber den Bundeskanzler so direkt mit Vornamen anzusprechen, ihm sogar einen ganzen Track zu widmen, so wie jetzt Friedrich Merz, sei eher die Ausnahme, so die Wissenschaftlerin.
„Die Erfahrung, sich fremd im eigenen Land zu fühlen, machen immer noch viele Menschen mit Migrationshintergrund“, sagt Süß. Fresh rappte dazu auch schon 2013 in seinem Lied „Quotentürke“: „Ganz egal, wie sehr ich mich auch änder’, ich bleib’ immer dieser Scheißausländer.“
Es lässt sich im Rap-Genre aber noch weiter zurückgehen: Die Heidelberger Hip-Hop-Gruppe Advanced Chemistry brachte bereits Anfang der 90er Jahre ein Rap-Lied zum Thema heraus. Es heißt: „Fremd im eigenen Land“. Heute hieße das Lied womöglich „Fremd im eigenen Stadtbild“.