Göttingen (GfbV). Zwanzig Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton (21.11.1995) zieht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eine traurige Bilanz für den jungen Staat Bosnien und Herzegowina. „Dayton hat zwar den Bosnien-Krieg beendet, die Vertreibung von rund einer Million Menschen jedoch zementiert, die Teilung des Landes festgeschrieben und so die Kriegsverbrechen der serbischen Truppen belohnt. Das ist das niederschmetternde Ergebnis dieses vom westlichen Europa und den USA initiierten ungerechten Friedens, der Bosnien und Herzegowina nicht zur Ruhe kommen lässt“, sagte der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, am Freitag in Göttingen.
„Bevor die Führung des serbisch regierten Teils des Landes, der Republika Srpska, ihre Drohungen wahrmacht, einen Volksentscheid für die Abspaltung durchzuführen, und so einen neuen Konflikt provoziert, muss in Bosnien eine neue Verfassung durchgesetzt werden, die die ethnische Teilung des Landes aufhebt. Außerdem muss ein Marshall-Plan für den wirtschaftlichen Wiederaufbau erarbeitet werden, um der Bevölkerung endlich Zukunftsperspektiven zu geben.“
Daytons ungerechter Frieden
Während der Aggression Serbien und Montenegros gegen die Republik Bosnien-Herzegowina (1992-1995) hat das serbische Regime durch Völkermord- und Kriegsverbrechen den bereits international anerkannten und souveränen Staat Bosnien-Herzegowina zerstört und nach den Massenvertreibungen auf der Hälfte seines Territoriums die so genannte Republika Srpska errichtet. Von den mindestens 150.000 ermordeten bosnischen Opfern waren mehr als 90 Prozent bosnische Muslime/Bosniaken.
Das Regime von Slobodan Milosevic war zusammen mit Einheiten der bosnischen Serben unter Kommando von Mladic und Karadzic verantwortlich für die Errichtung von über Hundert Internierungs- und Konzentrationslagern, in denen etwa 200.000 bosnische Zivilisten inhaftiert waren und in denen über 30.000 Häftlinge brutal getötet wurden. Bis zu 30.000 bosnische Frauen wurden systematisch vergewaltigt, unter anderem in den Zwangsbordellen und Vergewaltigungslagern von Visegrad und Foca, die von den Karadzic-Einheiten eingerichtet wurden. Sie wurden kontinuierlich von Milizionären, Soldaten und Wächtern missbraucht.
Etwa 2,2 Millionen bosnischer Kinder, Frauen und Männer wurden als Vertriebene und Flüchtlinge Opfer „ethnischer Säuberungen“ und mussten ihre Heimat verlassen. Erst das Massaker in Srebrenica, das im Juli 1995 serbische Truppen an der Zivilbevölkerung der kleinen ostbosnischen Stadt begingen, bewegte die Weltöffentlichkeit und forderte Handlungen.
Das Massaker in Srebrenica gilt als schlimmster Massenmord auf europäischem Boden seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Mindestens 8.372 bisher namentlich bekannte unbewaffnete bosniakische Knaben und Männer wurden – unter den Augen der in dieser UN-Schutzzone stationierten niederländischen Blauhelme – kaltblütig getötet. Die überlebenden Frauen, Mütter, Schwestern und Töchter der Opfer suchen noch immer nach den Gebeinen vieler ihrer Angehörigen.
Unter Druck der Öffentlichkeit wurde unter Führung der US-Regierung in Zusammenarbeit mit westeuropäischen Regierungen das Dayton-Friedensabkommen im November 1995 im US-Staat Ohio, Dayton, geschlossen. Das Friedensabkommen beendete zwar den Krieg, löste die zahlreichen Probleme vor Ort jedoch nicht. Zwanzig Jahre nach dem Abkommen ist Bosnien und Herzegowina ein nicht funktionierender, geteilter und teurer Staat. Die Staatsverfassung, die Teil des Friedensvertrages ist, sieht eine unglaubliche Bürokratisierung der Institutionen im Staat vor: Neben drei Mitgliedern im Präsidium hat der Staat auch 14 Parlamente, 14 Regierungen, über 180 Minister, drei Schulsysteme, zwei Rentenfonds usw.
Die wahre Macht liegt bei den Entitäten, die monoethnisch organisiert sind, insbesondere die Entität Republika Srpska, die nach der Tötung und Vertreibung der Bosniaken und Kroaten entstanden ist und einen direkten Kriegsgewinn für die serbische Seite darstellt. Das Land Bosnien und Herzegowina kann keine Fortschritte auf dem EU- und NATO-Beitrittsweg machen, da der Großteil der für den Beitritt notwendigen Reformen von der Entität Republika Srpska blockiert wird.
Die USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland haben ihren Segen für die Teilung Bosnien und Herzegowinas gegeben und den Entitäten den Großteil der Befugnisse überlassen. Die übergroße Mehrheit der Verbrecher und Täter, insbesondere in der Republika Srpska, wurde nicht verhaftet und wird von ihnen weiterhin kontrolliert und angeführt. So konnten über eine Million vertriebener Bosniaken und Kroaten nicht mehr in ihre Häuser und Wohnungen in Orten der heutigen Republika Srpska zurückkehren und mussten aus Europa wieder in die USA, Kanada oder nach Australien emigrieren, von wo sie sicherlich nie wieder zurückkehren werden. Die etwa 5 Prozent in die Republika Srpska zurückgekehrten Bosniaken und Kroaten erleben täglich Angriffe, Einschüchterung wie auch Diskriminierung durch öffentliche Institutionen.
Der vom Westen 1995 initiierte ungerechte Frieden hat dem Land keine Zukunftsperspektiven gegeben. Bosnien steht am Rande eines neuen Konfliktes wegen den ständigen Drohungen der aktuellen Führung der Republika Srpska mit einem Volksentscheid für die Abspaltung der Republika Srpska.
Wegen seiner Mitverantwortung für die begangenen Verbrechen wie auch für den ungerechten Friedensvertrag fordern wir nun vom Westen, die begangenen Fehler wiedergutzumachen und dem Lande dabei zu helfen, eine neue Verfassung zu verabschieden, die ethnische Teilung aufzuheben und einen Plan des wirtschaftlichen Wiederaufbaus zu entwerfen. Wir erwarten hierbei eine Führungsrolle der USA, denen Länder Westeuropas folgen sollten. Es ist an der Zeit, nach 20 Jahren, die Fehler aus der Vergangenheit endlich zu beheben und den Bürgern des Landes Bosnien und Herzegowina, die schon genug Leid erfahren haben, wirksam zu helfen.
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