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Noch ein „Friedensplan“ für Gaza. Das Töten geht unterdessen weiter

Friedensplan
Foto: The White House | Lizenz: gemeinfrei

Donald Trumps neuer „Friedensplan“ für den Gazakrieg wurde am 29. September vorgestellt. Hamas äußerte sich kritisch. Beobachter halten Ablehnung für wahrscheinlich.

(iz, dpa). Trump betonte, dass zahlreiche arabische und muslimische Staaten ebenfalls dahinter stünden und die Initiative als „historische Chance für Frieden“ bezeichnen.

Katar sieht Bedarf für klärende Details und weitere Verhandlungen. „Der Plan ist noch im Anfangsstadium und muss weiter entwickelt und erläutert werden“, teilte Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman Al Thani gegenüber Al Jazeera mit. Es gebe vor allem Klärungsbedarf zum Mechanismus für den israelischen Truppenabzug aus dem Küstengebiet.

Hamas hat den jüngsten „Friedensplan“ von Präsident Trump bisher nicht offiziell abgelehnt, aber Führungspersonen und Sprecher der Organisation haben sich sehr kritisch geäußert und eine Ablehnung gilt als wahrscheinlich.

Die Hamas prüft laut eigenen Angaben den US-Vorschlag, bezeichnet ihn als „völlig parteiisch zugunsten Israels“ und sieht darin „unmögliche Bedingungen“, wie etwa die komplette Entwaffnung sowie die gleichzeitige Freilassung aller Geiseln, was ihre eigene Verhandlungsposition aufgeben würde.

„Friedensplan“ im Kontext einer veränderten Weltmeinung

Der Gaza-Friedensplan von Präsident Trump wurde unmittelbar vor dem Hintergrund der diesjährigen UN-Generalversammlung entwickelt, deren Dynamik das Vorgehen maßgeblich beeinflusste.

Während die diplomatische Welt in New York um Einfluss und Deutungshoheit rang, nutzte Trump die Gelegenheit, um arabischen und internationalen Akteuren persönlich seinen Vorschlag zu präsentieren. Ziel war, möglichst viele relevante Staaten – darunter Katar, Ägypten und Vertreter Europas – unmittelbar einzubinden und ihre Zustimmung zu gewinnen.

Insbesondere Doha spielt eine zentrale Rolle, weil das Emirat traditionell als Vermittler zu Hamas gilt und entscheidenden Einfluss auf mögliche Verhandlungen ausübt.

Die Präsentation erfolgte zeitgleich mit Netanjahus Washington-Besuch; beide inszenierten vor den Kameras Geschlossenheit. Bemerkenswert war ein gemeinsames Telefonat Trumps und Netanjahus mit dem katarischen Premier Al Thani, das nach Angaben des Weißen Hauses live während des Treffens stattfand.

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Foto: UN Photo/Loey Felipe

Hintergrund des Gesprächs war ein auf Doha durchgeführter israelischer Angriff, der für diplomatische Verstimmung gesorgt hatte. Der Tel Aviver Premier sah sich im Oval Office gezwungen, sich für den Überfall zu entschuldigen und das Emirat zugleich zur Kooperation im Sinne der Planumsetzung zu bewegen. Trumps Ziel war es, Katar nicht nur als Hamas-Gesprächspartner zu gewinnen, sondern uch die Bereitschaft arabischer Staaten für Überwachung und Rekonstruktion des Gazastreifens zu erhöhen.

Trump positionierte sich in diesem Kontext nicht nur als Friedensstifter, sondern ebenfalls als Regisseur von Diplomatie – mit der Erwartung, die wichtigsten Akteure an einen Tisch zu bringen und den US-Einfluss auf die regionale Ordnung greifbar zu machen.

Das Vorhaben muss sich daher auch vor dem geopolitischen Anspruch der USA und der Konkurrenz diplomatischer Initiativen bewähren. Die UN-Generalversammlung diente Trump als Kulisse und als Hebel, um den multilateralen Charakter seines Vorgehens nach außen zu unterstreichen und maximalen internationalen Druck auf Hamas und deren Unterstützer auszuüben.

Wie soll Trumps Ideen aussehen sollen

Der Plan sieht ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen vor, wenn beide Seiten zustimmen. Kernpunkte sind die Freilassung aller israelischen Geiseln durch die Hamas binnen 72 Stunden nach Inkrafttreten sowie die Entlassung palästinensischer Häftlinge durch Israel, darunter 250 zu lebenslangen Haftstrafen Verurteilte sowie rund 1.700 während der aktuellen Konfliktes festgenommene Personen. 

Tel Aviv soll zudem schrittweise seine Truppen aus dem Gazastreifen abziehen. Hamas-Mitgliedern wird unter der Bedingung einer Waffenabgabe Amnestie oder ein Ausreiseangebot gemacht.

Für die Verwaltung des Gebiets sieht der Plan die Einsetzung eines internationalen Übergangsgremiums („Board of Peace“) unter Trumps Vorsitz vor. Ein Komitee aus palästinensischen und weltweiten Experten soll die lokale Administration übernehmen, bis die Autonomiebehörde durch Reformen handlungsfähig ist.

Die Frage eines eigenen Staates der Palästinenser bleibt hingegen vage und an weitere Bedingungen gebunden.

Die Hamas hat bislang angekündigt, den Vorschlag „sorgfältig prüfen“ zu wollen, steht aber unter erheblichem Zeitdruck. Israel und die USA drohen im Falle einer Ablehnung mit einer massiven Fortsetzung der militärischen Operationen.

Politisch wird Trumps Vorstoß als Ultimatum gewertet, das den Druck auf Hamas und andere Beteiligte deutlich erhöht. Der Plan knüpft an frühere US-Initiativen an, bringt aber durch die breite internationale Zustimmung und die direkte Einbindung Trumps neue Dynamik in die festgefahrenen Verhandlungen.

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Nahostpolitik ist für den Trump-Clan mit Business verflochten

Der Kontext des angekündigten Plans für Gaza ist ebenfalls durch die seit Jahren bekannten ökonomischen Verflechtungen und undurchsichtigen Geschäfte von Verwandten des Präsidenten mit den Golfstaaten geprägt.

Insbesondere Schwiegersohn Jared Kushner hat enge Geschäftsbeziehungen in die Region aufgebaut: Seine Private-Equity-Firma erhielt etwa zwei Mrd. Dollar von einem saudischen Staatsfonds, und die Pläne zur wirtschaftlichen Entwicklung des Gazastreifens greifen Konzepte auf, die dieser ursprünglich entworfen hatte.

Der Immobilienunternehmer vertrat in der Vergangenheit offen die Position, dass die Zukunft des Gaza-Streifens als Immobilienmarkt bzw. „Riviera“ unter US- und arabischer Kontrolle zu begreifen sei – eine Sichtweise, die sich auch in Teilen des aktuellen Friedensplans widerspiegelt.

Diese personellen und finanziellen Beziehungen werfen kritische Fragen zur Interessenlage hinter Trumps Abrüstungsvorstoß auf. Beobachter sehen im wirtschaftlichen Wiederaufbau von Gaza – für den wesentliche Mittel von den Golfstaaten erwartet werden – ein potenziell lukratives Geschäftsfeld, von dem US-Privatunternehmen und Investoren aus dem Umfeld der Trump-Familie profitieren könnten. 

Die Struktur des Plans, der spezielle Entwicklungskomitees und Expertengremien vorsieht, öffnet institutionelle Zugänge, von denen geschäftliche Interessen profitieren könnten.

Zustimmung und Ablehnung allerorten

Arabische Staaten zeigten nach außen Zustimmung zum Friedensplan, sind aber traditionell zurückhaltend bei umfangreichen Investitionen, solange keine dauerhafte politische Lösung und ein klarer palästinensischer Selbstbestimmungsstatus absehbar ist.

Vor allem die Nähe der Trump-Familie zu Fonds und Entscheidungsträgern der Golfmonarchien nährt den Verdacht, dass geopolitische und profitorientierte Interessen im Hintergrund eine Rolle spielen und die US-Initiative ebenso der wirtschaftlichen Expansion ihres Umfelds dienen könnte.

Die führenden arabischen Staaten haben Trumps „Friedensplan“ für Gaza überwiegend positiv aufgenommen und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den USA und Israel bekräftigt, während Tel Aviv den Plan offiziell unterstützt und als Möglichkeit zur Beendigung des Konflikts hervorhebt.

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) zeigt sich grundsätzlich offen für den Plan und signalisiert Reformbereitschaft, sieht darin auch eine Perspektive für eine Zwei-Staaten-Lösung.

Hamas und andere äußerten sich bisher kritisch bis ablehnend bzw. prüfen ihn kritisch. Zentrale Forderungen wie Entwaffnung und sofortige Geiselfreilassung wurden als unrealistisch und einseitig zugunsten Israels kritisiert.

Die Außenminister von Katar, Jordanien, den Vereinigten arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Ägypten begrüßen das Abkommen und wollen „konstruktiv mit den USA und den Konfliktparteien zusammenarbeiten“. Sie betonen insbesondere humanitäre Hilfe, Rückzug Israels aus Gaza, Freilassung der Geiseln und eine Perspektive auf die Zweistaatenlösung.

Auch die Türkei, Pakistan und Indonesien schließen sich der positiven Haltung an. Es gibt ein gemeinsames Interesse an einer politischen Lösung, die Stabilität und Frieden in der Region sichern soll.

Die Führungsspitzen der wichtigsten EU-Institutionen begrüßten die Ankündigung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilte mit, sie ermutige alle Beteiligten, diese Möglichkeit zu ergreifen. Die Außenbeauftragte der EU, Kaja Kallas, sprach davon, der Plan sei die beste unmittelbare Chance, den Krieg zu beenden. „Die EU ist bereit, zum Erfolg beizutragen2, so die Estin.

EU-Ratspräsident António Costa rief alle dazu auf, diese Gelegenheit zu nutzen. Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, teilte mit: „Der Plan könnte Israel Sicherheit geben; er könnte den Palästinensern eine echte Perspektive für ihre legitimen Bestrebungen nach Selbstbestimmung und Staatlichkeit bieten und der gesamten Region Hoffnung geben.“

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Foto: Anas-Mohammed, Shutterstock

„Wir sind erschöpft“ – geteiltes Echo bei den Betroffenen

Bei Einwohnern des weitgehend zerstörten Gazastreifens stieß der Plan auf geteiltes Echo. Dschamil al-Masri, Vater von sieben Kindern, zurzeit in der Stadt Gaza, sagte: „Seit zwei Jahren leben wir unter unvorstellbar harten Bedingungen, als wären wir in endlosem Leid gefangen. Trumps Plan erscheint mir als einzige Option, die uns bleibt.“

Die Palästinenser hätten keine Kraft mehr für Widerstand und seien müde von leeren Versprechen. „Vielleicht bringt er eine Waffenruhe oder bessere Lebensbedingungen. Jede Initiative, die unser Leiden lindern kann – von Krieg zu Krieg, von Vertreibung zu Vertreibung – wäre willkommen. Wir sind erschöpft“, sagte der 52-Jährige.

Der 35-jährige Humam Obeid, Apotheker aus Chan Junis, sagte: „Selbst wenn der Plan ungerecht ist, könnten wir ihm zustimmen, wenn er das Blutvergießen stoppt.“ Er hoffe darauf, dass die arabischen Staaten klar Stellung beziehen. „Unser Wunsch ist schlicht: Der Krieg muss sofort enden.“

Mohammad al-Masri, ebenfalls Apotheker, der in den Süden von Gaza vertrieben wurde, sprach von einem „Fenster der Hoffnung“. Er lehnt allerdings eine internationale Verwaltung ab. „Der Gazastreifen ist Teil des künftigen Staates Palästina.“ Er rechne mit einem „Ja, aber“ als Antwort auf Trumps Plan.

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