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Grundsatzentscheidung: Rechtsstreit um Islamunterricht endet mit Niederlage

Foto: Florian Adler, Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und der Zentralrat der Muslime in Deutschland sind auch weiterhin nicht als Religionsgemeinschaften anzusehen.
Münster (KNA). Ein fast 20 Jahre währender Rechtsstreit zwischen muslimischen Dachverbänden und dem Land Nordrhein-Westfalen ging am 09. November zu Ende. Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) entschied in einem Revisionsverfahren, ob der Zentralrat der Muslime und der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland als Religionsgemeinschaften anzusehen sind.
Beide Dachverbände hatten 1998 mit einer Klage gegen das Land die Einführung des islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen gefordert. Die Anerkennung als Religionsgemeinschaft ist eine Voraussetzung dafür. Der Entscheidung von Münster werden Auswirkungen auf die Gestaltung des derzeitigen islamischen Religionsunterrichts an NRW-Schulen zugesprochen.
In einem ersten Verfahren hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf 2001 den Anspruch der Organisation gegenüber dem Land NRW zurückgewiesen, einen Religionsunterricht nach von ihnen benannten Grundsätzen einzuführen. Diese Auffassung bestätigte in der Berufung 2003 auch das OVG Münster. Die Rechtsgrundlage für die Forderung nach islamischem Religionsunterricht sei nicht erfüllt, da die klagenden Dachverbände keine Religionsgemeinschaften seien, hieß es damals. Beide Dachverbände bestünden ausschließlich oder überwiegend aus muslimischen Organisationen auf örtlicher oder überörtlicher Ebene.
2005 hob dann das in der Revision angerufene Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig das OVG-Urteil auf und verwies den Fall nach Münster zurück. Die Richter dort sollten klären, ob und unter welchen Bedingungen Islamrat und Zentralrat doch als Religionsgemeinschaften anzusehen sind. Dass es sich bei ihnen um eingetragene Vereine und keine Vereinigungen von natürlichen Personen handele, reiche als Ausschlussgrund nicht aus. Auch dass in den Verbänden keine umfassende Pflege religiöser Angelegenheiten stattfinde, sahen die Leipziger Richter anders.
Ausschlaggebend für die Entscheidung war nach Angaben des Vorsitzenden Richters insbesondere, dass in beiden Dachverbänden laut deren Satzung eine reale Durchsetzung von religiösen Lehrautoritäten bis in die untersten Ebenen der Mitgliedsverbände und Moscheegemeinden hinein nicht gegeben sei. Hinzu komme, dass der Zentralrat nicht als zuständig angesehen werde, identitätsstiftende Aufgaben wahrzunehmen. Beide Kriterien waren zuvor vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Leipzig als notwendig für eine Anerkennung als Religionsgemeinschaften formuliert worden.
Dem Urteil geht ein fast 20-jähriger Rechtsstreit voraus. Bereits 1998 hatten Islamrat und Zentralrat der Muslime gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf Einführung des islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen geklagt. In mehreren Instanzen – darunter auch am OVG Münster – war ihnen aber der Status der Religionsgemeinschaft abgesprochen worden. Schließlich hob das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig ein OVG-Urteil auf und verwies den Fall nach Münster zurück.
„Das Gericht hat die Chance verpasst, den islamischen Religionsunterricht auf juristisch solide Beine zu stellen und die Institutionalisierung der islamischen Religionsgemeinschaften zu beschleunigen“, erklärte Burhan Kesici, Vorsitzendes des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland e.V., anlässlich der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster zum Verfahren des Islamrats und des Zentralrats der Muslime gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen der Einführung islamischen Religionsunterrichts.
Burhan Kesici weiter: „Die Entscheidung des Gerichts ist bedauerlich. Der Senat hat mit seinem Urteilsspruch die Chance verpasst, den islamischen Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen auf juristisch solide Beine zu stellen. Das aktuelle Beiratsmodell steht verfassungsrechtlich auf sehr dünnem Eis und ist allen voran ein politisches Konstrukt ohne Gewähr auf Dauerhaftigkeit. Vielmehr ist sie abhängig von der politischen Großwetterlage. Mithin ist er nur bedingt geeignet, muslimischen Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern das notwendige Vertrauen zu geben in die Nachhaltigkeit des islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen.
Ein positiver Richterspruch hätte zudem die bereits überfällige Institutionalisierung der islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland beschleunigen können. Das wäre ein wichtiges Signal an die Muslime im Land gewesen und ein wichtiger Schritt hin zu ihrer weiteren Beheimatung in Deutschland. Dies ist leider ausgeblieben.
Nichtsdestotrotz bedeutet diese Entscheidung nicht das Ende unserer Bemühungen, weiter konstruktiv an der dauerhaften Etablierung eines islamischen Religionsunterrichts zu arbeiten. Wir werden uns auch in Zukunft nach bestem Wissen und Gewissen an diesem Prozess beteiligen, um für die muslimischen Schülerinnen und Schüler den qualitativ wie quantitativ bestmöglichen Religionsunterricht anbieten zu können. Insofern werden wir Modelle, die diesem Anspruch näherkommen, auch in Zukunft weiter unterstützen. Eine rote Linie ziehen wir nach wie vor dort, wo die Bekenntnisgebundenheit nicht mehr gegeben ist.
Der Senat hat die Entwicklungen der vergangenen Jahre nicht hinreichend gewürdigt: Weder wurde das von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten über die Islamische Religionsgemeinschaft NRW e.V. berücksichtigt, noch wurden Sachverständige gehört. Insofern hat das Gericht nicht alle relevanten Umstände in seine Urteilsfindung einfließen lassen, sondern der Landesregierung einen Bonus gewährt, das Gutachten weiterhin der Öffentlichkeit vorenthalten zu können. Ebenso wenig wurde das Selbstverständnis des Islamrats berücksichtigt. Jetzt gilt es die schriftliche Urteilsbegründung abzuwarten. Über das weitere Vorgehen werden wir in aller Ruhe beraten.“