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Heilmittel aus der Wüste

Ausgabe 328

Der Forscher Al-Kindi verwendete Kamille unter anderem, um Leber und Magen zu entspannen. (Foto: Monika Grabkowska)

(iz). Ob wir uns in Doha, Dubai, Manama, Salalah, Dscheddda oder einem unbekannten Dorf befinden, ob wir in einen Kräutermedizinladen eintreten oder durch die traditionellen Märkte (Suqs) wandern, so werden wir Verkäufer von Kräutern, Gewürzen, Rinden, Zweigen, Steinen und Salz finden, die alle für das Kochen, für kosmetische oder medizinische Zwecke gedacht sind. Während wir auf die Haufen verdrehter Rinden oder die unterschiedlichen Kombinationen getrockneter Blüten schauen, fragen wir uns: Was sind diese Produkte? Wo kommen sie her? Wie werden sie lokal verwendet?

Diese faszinierenden Güter flüstern Märchen von antiken Handelsrouten, die vielfach noch immer nach Arabien führen, aus Indien, China, Indonesien, Ägypten, Syrien und anderen Orten. Sie werden in den bestehenden Handelsnetzwerken auf der Halbinsel vertrieben. Andere werden vor Ort geerntet, manchmal unter harschen Wüstenbedingungen, und haben ihre eigenen faszinierenden Geschichten zu erzählen.

Die Menschen der Arabischen Halbinsel haben über Jahrhunderte Güter, die sie durch Handel und Tausch erworben haben, mit dem umsichtigen Gebrauch lokaler Pflanzen kombiniert und ein reiches Erbe der volkstümlichen Medizin entwickelt.

Viele der hier (mit nur wenigen Beispielen) angeführten natürlichen Medikamente waren das Ergebnis einer Befragung auf der ganzen Arabischen Halbinsel aus dem Jahr 2002. Der Fragebogen, auf Arabisch und Englisch, wollte von Familien wissen, wie sie – genauso wie ihre Eltern und Großeltern – verschiedene Kräuter, Gewürze und andere Substanzen verwendet haben. Gefragt wurde ebenfalls nach spezifischen Heilmitteln für Zustände wie Kopfschmerzen, Erkältungen und Husten, Halsschmerzen, Haarausfall, allgemeine Erschöpfungszustände, Wochenbett, etc.

Einige Beispiele aus der traditionellen arabischen Hausapotheke:

Kalialaun/Schabba – Erstmalige Besucher auf Märkten des Nahen Ostens sind vielleicht erstaunt, wenn sie Haufen von Steinen sehen, die inmitten von Kräutern und Gewürzen angeboten werden. Einer von ihnen ist Alaun, ein kristall-weißes Mineral, welches oft aus China importiert wird. Alaun ist eine Verbindung verschiedener Metalle, darunter Aluminium. Es wirkt blutstillend und wird im Nahen Osten oft benutzt, um Wunden zu reinigen und zu heilen. Schabba/Alaunpulver wird mit Henna zum Verzieren der Haut gemischt, und wenn es unter den Armen aufgetragen wird, wirkt es als Deodorant. Alaun wird nicht innerlich angewendet, noch wird es beim Kochen benutzt.

Im alten Babylon benutzten Ärzte es als Mundspülung, für die Nasendusche und zur Behandlung juckender Kratzer. Griechische und arabische Mediziner setzten diese Tradition fort und wandten Alaun für die Behandlung von Lepra, Mundgeruch und Ohrenschmerzen an. Die Benutzung von Alaun als Deodorant wird als sicher angesehen und verursacht keinen hohen Aluminiumspiegel im Stoffwechsel. Dies liegt daran, dass Kalialaunmoleküle eine negative Ionenladung haben und deshalb nicht durch Zellwände dringen können.

Anis/Anisun – Für viele leckere Dinge, von Keksen bis zu Kaltgetränken, dienen die kleinen, aromatischen, grau-braunen Samen-Familien auf der gesamten Arabischen Halbinsel. Saudische Händler importieren den größten Teil ihres Anis aus Syrien und Indien. Er wächst auch in Ägypten, Zypern, Kreta und an der östlichen Mittelmeerküste.

Anis ist eine beliebte Volksmedizin mit einer langen Tradition in der muslimischen Pharmaziegeschichte. Er wird angewandt, um allgemeine Magenschmerzen, Koliken, Menstruationsbeschwerden, Husten und Kopfschmerzen zu lindern. Außerdem wird davon ausgegangen, dass er die Harnwege reinigt und Entzündungen verhindern kann. Manchmal wird Anis mit Fenchel, insbesondere den iranischen Sorten, verwechselt, welche eine ähnliche Form und einen ähnlichen Geschmack haben.

Arakbaum/Arak – Haben Sie sich manchmal auch gefragt, wie sich die Menschen vor der Erfindung der Zahnbürste die Zähne gereinigt haben? Eine Antwort drauf ist der Miswak. Ein Miswak ist ein fasriger Zweig, der aus der Wurzel des Arakbaums hergestellt wird. Er hat antiseptische und blutstillende Eigenschaften, die dabei mithelfen, die Zähne und den Gaumen zu reinigen und zu schützen. Der Prophet Muhammad empfahl seinen Gefährten den Gebrauch des Miswak. Es gilt als empfehlenswert, ihn vor dem Gebet zu verwenden. Diese Gewohnheit ist auch im heutigen Arabien noch gebräuchlich.

Der Arak ist ein niedriger, immergrüner Baum, der in den sandigen und trockenen Gebieten des Nahen Ostens und Afrikas gedeiht. Schafe und Ziegen mögen es, an seinen Zweigen zu knabbern. Seine Wurzeln enthalten Triklosan, ein effektives Antibakterium, welches in modernen Zahnpasten angewandt wird. Andere Inhaltsstoffe sind Fluoride, Vitamin C, Alkanoide und kleine Mengen an Tanninen und Flavenoiden.

Banane/Mus – Die Bananenpflanze ist das weltgrößte Kraut. Sie wird oft mit einem Baum verwechselt, aber sie hat weder einen hölzernen Stamm noch hölzerne Äste. Sie entstammt einem unterirdischen Rhizom, welches einen Scheinstamm von drei bis sechs Metern Höhe bildet, der von 10 bis 20 Bananen gekrönt wird. Historiker schreiben es arabischen Händlern zu, der Banane ihren Namen gegeben zu haben. Auch wenn es hunderte unterschiedliche Sorten mit verschiedenen Geschmäckern, Farben, Formen und Größen gibt, bemerkten die Händler, dass die in Afrika und Asien wachsenden Bananen klein waren und nannten sie deshalb Banan. Dies heißt auf Arabisch „Fingerspitze“. Bananen sind reich an Kalium, Riboflavin, Niacin und Ballaststoffen. Sie enthalten die Vitamine A und C sowie Calcium und Eisen. Sie sind eine schnelle Energiequelle.

Die Früchte können frisch und getrocknet verzehrt werden. Getrocknete Bananen können gemahlen in ein nährhaftes Bananenmehl verwandelt werden. Eine sehr alte Tradition für das Frühstück in Mekka ist das Omelett mit Bananen. Auf der Arabischen Halbinsel werden Bananen unter anderem zur Therapie von Durchfällen benutzt.

Kamille/Babunadsch – Jeder Beduine, jeder Landbewohner und jeder Städter sagt einem, dass Kamillentee entspannend ist und die Verdauung unterstützt. Hinzu kommt die weit verbreitete Ansicht, wonach die beste Kamille aus dem Norden komme. Aus diesem Grund sind abgepackte Kräutertees aus Syrien und Jordanien beliebte Waren in den Supermärkten. Für eine medizinische Anwendung werden die Blüten der Kamille verwendet. Viele Familien halten Kamille im Haushalt bereit. Um Kamillentee zuzubereiten, bringt man Wasser zum Kochen und gießt dann eine Tasse Wasser über vier Teelöffel getrocknete Blumen. Man lässt es zehn Minuten lang ziehen und gießt es schließlich mit einem Sieb ab.

Der Philosoph und Forscher Al-Kindi verwendete Kamille unter anderem, um Leber und Magen zu entspannen. Kamillentee wird im östlichen Mittelmeerraum auch dafür genutzt, um eine Mutter nach der Geburt zu stärken.

Literatur: Veröffentlicht als Buch unter dem Titel, Natural Remedies of Arabia, Robert W. Lebling and Donna Pepperdine, Al-Turath/Stacey International 2006, ISBN 1-905299-02-8