(iz). Während sich Nordrhein-Westfalen auf den Islamunterricht (IRU) als Regelfach ab dem Schuljahr 2012/2013 an allgemeinbildenden Schulen vorbereitet, bleiben grundlegende Fragen. Nach der Einigung vom Februar 2012 zwischen den größten Landtagsparteien, der Landesregierung und dem Koordinationsrat der Muslime (KRM) hatte man den Eindruck, die deutschen Muslime hätten eine entscheidende Wegmarke passiert. Bei Tageslicht besehen dürfen die im KRM vertretenen Verbände bei der Gestaltung eines Schulfaches mithelfen.
Der aktuelle Aufsatz des Politologen Mounir Azzaoui „Auf dem Weg zur Anerkennung muslimischer Religionsgemeinschaften“ hilft, die Motivation der Beteiligten zu verstehen. In seinem gründlichen Text legt er den Schluss nahe, dass die NRW-Übergangsregelung mit Hilfe von Beiräten (in denen Moscheeverbände anteilig vertreten sind) den Weg für eine generelle Anerkennung freimachen soll.
„Der KRM übernimmt damit faktisch die Aufgaben einer Religionsgemeinschaft, auch wenn dies formaljuristisch durch den Umweg über den Beirat erfolgt“, schrieb der Politikwissenschaftler. Es sei gar eine „erste politische Anerkennung für den KRM“, meinte Azzaoui. Ob der Über-Dachverband durch seine reale Praxis als Religionsgemeinschaft gelten kann, ließ er unerwähnt. Offizielle Statements und Hintergrundgespräche legen nahe, dass der KRM momentan nicht viel mehr ist als ein „unverbindliches Beratungsgremium“ (B. Alboga). Über vergleichbare Strukturen anderer Religionsgemeinschaften verfügt er bisher nicht.
Der Kölner Jurist Prof. Stefan Muckel sieht die NRW-Lösung kritisch. Analog zur Position des hessischen Justiz- und Integrationsministers Jörg-Uwe Hahn (FDP) bestünden rechtliche Zweifel an dieser, als Erfolg gefeierten Regelung. Es könne nicht sein, dass „ein muslimischer Beirat“ an die Stelle der von Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetztes vorgesehenen Religionsgemeinschaft trete, damit der Unterricht erteilt werden könne. Für Muckel widerspricht die Beiratslösung „eindeutig dem Wortlaut des Grundgesetzes“. Die vom Bundesverwaltungsgericht 2005 gelieferte „Steilvorlage“ zur Realisierung einer Religionsgemeinschaft sei von den Verbänden nicht genutzt worden.
Wie der Pariser Islamwissenschaftler Rainer Brunner auch sieht Muckel die Gefahr, dass mit dem „staatsnahen“ Beirat ein „dem Land genehmer Islam“ geschaffen werden soll. Brunner bezog sich vor einiger Zeit auf die Gründung von Lehrstühlen für die so genannte „islamische Theologie“, die mit dem IRU in Verbindung stehen. „Diese ganze Angelegenheit einer Gründung der islamischen Theologie scheint mir politisch gewollt zu sein.“ Kritischen Beobachtern drängt sich seit Längerem der Verdacht auf, dass mit beiden Projekten ein politisch genehmer Islam geschaffen werden soll.