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Islampolitik: Und noch eine Zeitenwende?

Ausgabe 366

Islampolitik
Innenminister Dobrindt hat sich verabschiedet vom Schäuble-Ansatz. (Foto: Dt. Bundestag/Thomas Trutschel/photothek)

Die Regierung beerdigt mit ihrer Islampolitik das Schäuble-Erbe und setzt im Umgang mit Muslimen auf Sicherheitsdiskurse sowie Sprachlosigkeit.

(iz). Die Einberufung des künftigen „Expertenkreises Islamismus“ durch das Bundesinnenministerium erzeugt neue politische Realitäten, markiert aber keinen abrupten Bruch mit der bisherigen Linie der Ampelkoalition – selbst wenn dies öffentlich häufig anders dargestellt wird.

Ein schrittweiser Kurswechsel war schon unter Faeser zu beobachten: Die von Wolfgang Schäuble (CDU) aufgebaute Dialog- und Integrationsstrategie zur Einbindung der Moscheeverbände wurde sukzessive zurückgedrängt und die DIK zunehmend zur Bühne für Kritik und Marginalisierung muslimischer Interessen umfunktioniert.

Hochrangige Ampelpolitiker – von Habeck bis Steinmeier – reagierten nach dem Terror vom 7. Oktober scharf auf palästinensisch bzw. arabischstämmige Bürger. Sie unterstellten ihnen pauschal Israelfeindlichkeit und klammheimlich Sympathien für die Massenmörder der Hamas.

Foto: KRM, Twitter

Gleichzeitig verschwand der zentrale Expertenbericht zu Muslimfeindlichkeit zeitweise vollkommen von den Seiten des BMI und wurde erst nach öffentlichem Druck wieder veröffentlicht.​ Die Ampel brach de facto Versprechen, die sie im November 2021 im Koalitionsvertrag gab. Was dazu führte, dass ihre Parteien partiell in Wahlkreisen mit einem hohen Stimmanteil von MuslimInnen bzw. MigrantInnen abgestraft wurden.

Mit dem aktuellen Strategiewechsel verabschiedet sich die Bundes-CDU endgültig von der bisherigen DIK, obwohl sie von ihr entwickelt wurde. Das gilt ebenso für den Austausch mit Moscheeverbänden auf Bundesebene und repräsentiert eine stärkere sicherheitspolitische Ausrichtung.

Kurzum: Die Vorstellung, etwas ließe sich durch das gemeinsame Gespräch bzw. eine Debatte verbessern, wurde fallengelassen.

In internen Unterhaltungen berichteten muslimische Vertreter, wenn es um den Bund geht, schon 2024 von einer faktischen Sprachlosigkeit ihrer Communities und der Bundesregierung.

Der neue Unionskurs – samt öffentlicher Radikalisierung von Rhetorik und dem Ende der Schäuble-DIK – ist weniger „Bruch“ als Verschärfung bestehender Trends im Verhältnis zwischen Staat und organisierten Muslimen.​ Dass die westdeutschen Landesregierungen hier bisher nicht in Gänze mitzogen, liegt an der Notwendigkeit zur Organisation praktischer Fragen.

Das BMI berief 15 Personen für den neuen Beraterkreis. Zu den bekannten Namen zählen Mansour, Khorchide, Koopmans, Balcı und Toprak.​ Kritisiert wurde, dass viele Mitglieder durch massive Islamkritik und Nähe zu umstrittenen Netzwerken auffallen. Insbesondere wird ein einseitiger Blick auf politische und gesellschaftliche Phänomene beklagt.

Bei den Personalien wurde offenkundig auf- und umgerüstet. „Faeser-Leute fliegen raus: Mansour berät Regierung und hat Anti-Terror-Plan“, titelte „FOCUS online“ hierzu. Selbst die jahrelang einflussreiche Claudia Dantschke musste ihren Hut nehmen.

Dieser sieht laut dem Magazin den „Islamismus“ als eines der größten Probleme der deutschen Gesellschaft: „Ich sehe Islamismus als eines der größten Probleme in unserer Gesellschaft. Und zwar nicht nur in Bezug auf die Sicherheitsebene, sondern auch bei den Themen Desintegration, Bau von Parallelgesellschaften, Ablehnung von Grundwerten in dieser Gesellschaft.“

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Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Die neue Bundesregierung legte keine verbindliche Definition vor, was unter „Islamismus“ zu verstehen sei. Das macht den Diskurs offen für subjektive Verzerrungen, spricht doch Mansour bspw. seit geraumer Zeit von „Unterwanderung“.

Bisher haben sich hiesige Leitmedien auf die Berichterstattung über die Entscheidung beschränkt, sie aber nicht eingerückt oder kommentiert. Eine Ausnahme ist die „Berliner Zeitung“, die den Theologen Scharjil Ahmad Khalid zu Wort kommen ließ.

Er warf dem BMI vor, dass nicht mit den Menschen geredet werde, die man vor „Islamismus“ schützen wolle. „Stattdessen finden sich dort Personen, die weniger durch Expertise und stärker durch antimuslimische Ressentiments auffallen: einige selbsternannte ‘Islamexperten’, die Muslimen pauschal misstrauen und aus Islamkritik ein Geschäftsmodell entwickelt haben.“

Einzelne Politiker, Journalisten und VertreterInnen muslimischer Verbände monierten, die Berufung von disproportional „Kritikern“ werde die Verdachtskultur weiter verstärken. Gleichzeitig sei die Deutsche Islamkonferenz, als bisherige Dialogplattform, erheblich geschwächt worden.

Für den Fachjournalisten Ahmet Şenyurt seien einige der berufenen Personen „ungeeignet und unterqualifiziert“. Es gehe nicht um Aufklärung, sondern um Meinungsmache.

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