
Kommentar: War die vergangene Bundestagswahl 2025 eine Abstimmung über Zukunftsentwürfe? Eher spiegelte der Wahlkampf eine verunsicherte Republik wider.
(iz). Ukrainekrieg, Migrationsprobleme und Abstiegsängste – wie kaum eine Wahl zuvor war die Entscheidung von negativen Motiven geprägt. Laut Infratest Dimap gaben über 80 % der Wähler an, eher „gegen etwas“ als „für etwas“ gestimmt zu haben. Der Entwurf der Zukunft wurde erst nach der Wahl deutlich.
Friedrich Merz hat die Bundestagswahl 2025 mit dem Versprechen gewonnen, Deutschlands Haushalt zu sanieren, neue Schulden zu vermeiden und die Prinzipien „solider bürgerlicher Finanzpolitik“ hochzuhalten.
Nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt legt die neue Koalition nun ein milliardenschweres Schuldenpaket auf – in krassem Widerspruch zu allem, wofür Merz im Wahlkampf stand.
Die Begründung des Kanzlers für den Kurswechsel: „Man habe keine Wahl“. Finanzminister Klingbeil versucht, eine Vision aufzuzeigen: „Wir bringen mit dem Bundeshaushalt und dem 500-Milliarden-Investitionspaket auf den Weg, was wir jetzt brauchen, um für neue wirtschaftliche Stärke zu sorgen, unser Land modern und zukunftsfähig zu machen und um auch in Zukunft in Deutschland sicher zu leben.“
Vor allem das Projekt, die stärkste Armee Europas zu schaffen, wird enorm kostspielig. Die Folge dieser Politik sind nicht abzusehen: Die Zinsausgaben des Bundes werden sich von 30 Mrd. Euro im Jahr 2024 auf 61,9 Mrd. im Jahr 2029 mehr als verdoppeln. Dann werden die Zinszahlungen fast 10 % des gesamten Bundeshaushalts ausmachen.
Der Rotstift muss in anderen Bereichen angesetzt werden. Absehbar wird sich die Schere zwischen Arm und Reich im Lande weiter verschärfen. Ja, die wirtschaftliche Lage ist angespannt, die Anforderungen an Verteidigung, Digitalisierung und Infrastruktur enorm.
Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Köhler / photothek
Merz hatte die Chance, sich als Alternative der instabilen Ampel zu profilieren – stattdessen betritt er das Kanzleramt mit einem Kurswechsel, der genau dieses Bild bestätigt. In Wahlkämpfen versprechen Parteien gern viel – Entlastungen, Investitionen, Steuererleichterungen. Über die Kehrseite, nämlich die Rückzahlung der dafür nötigen Schulden, wird dagegen auffallend selten gesprochen.
Und noch auffälliger: Die Mehrheit der Wähler scheint sich für die langfristige Rückzahlung staatlicher Schulden schlicht nicht zu interessieren.
Ob Milliarden neue Kredite aufgenommen werden oder nicht – Hauptsache, es gibt kurzfristig sichtbare Leistungen. Straßen, Schulen, Subventionen. Die politische Rechnung ist bekannt: Wer heute spart, wird abgestraft. Wer verteilt, gewinnt Stimmen.
Dabei sind Schulden nichts Abstraktes. Sie sind Verpflichtungen – nur eben verschoben in eine Zukunft. Hinzu kommt: Jahrzehnte niedriger Zinsen haben das Gefühl erweckt, Schulden seien risikolos.
Und in einer Welt, in der wirtschaftliche Komplexität schwer zu durchdringen ist, verlässt man sich eben auf „die da oben“. Langfristig sind hohe Schulden nicht nur ein Buchungsposten – sie engen politischen Handlungsspielraum ein, treiben Zinslasten nach oben und zwingen künftige Generationen zu Sparrunden.
Sie tragen eines Tages die Folgen von Entscheidungen, an denen sie selbst nie mitgewirkt haben.