(Zaman). In der Welt der sozialen Netzwerke war Facebook lange führend, aber ein Projekt glaubt, dass der Markt reif ist für den Überraschungsschlag eines unbekannten Herausforderers: eine soziale Medienplattform für Muslime, von Muslimen. Facebooks Erfolg ist mittlerweile ins Stottern geraten. Die Webseite verlor in der Türkei seit März 400.000 Nutzer.
Yavuz Kurt ist PR-Direktor von Salamworld, eines neuen Netzwerkprojekts, dass im Kern auf muslimischen Werten beruhen soll. Auf dem Sofa eines der eleganten Empfangsräume in seinem Firmensitz mit Blick auf den Bosporus beginnt er mit seiner Vorstellung: „Es gibt 250 Millionen muslimische Facebook-Nutzer, die diese Seite benutzen, weil sie keine islamisch akzeptable Alternative haben. Wir werden ihnen diese bieten.“ Die Schöpfer von Salamworld glauben, dass das, auf das Individuum zentrierte Facebooksystem, das zum unbegrenzten Teilen von Bildern und persönlichen Informationen führt, Muslime nicht anspricht. Auf Salamworld werde der Schwerpunkt nicht auf dem Individuum liegen, sondern auf „Gemeinschaften“, denen man sich anschließen kann. Auf den Nutzerprofilen sollen sich Verweise finden, die zu den Gemeinschaften führen, bei denen der jeweilige Nutzer angeschlossen ist. Diese Gemeinschaften sollen ihren Usern erlauben, ihre Ansichten – mit einem angemessenen Content – mit unterschiedlichen Gruppen zu teilen.
Urlaubsbilder beispielsweise würden in einer „Reise“-Sektion auftauchen. Auf diese Weise teilen die Nutzer nur Informationen, die relevant für das Forum sind, an dem sie teilhaben. Das ist ein Abschied vom User-zentrierten Aspekt der sozialen Netzwerke. Ein fünfteiliger Filterungsprozess soll „schädliche“ Inhalte von anderen, führenden Webseiten fernhalten. Salamworld begann vor wenigen Tagen eine umfangreiche Testphase. Geplant ist, zum Oktober hin mit 17 Ländersprachen zu beginnen.
Aber ist es überhaupt möglich, ein kommerziell erfolgreiches Medium auf Grundlage religiöser Werte zu schaffen? Projekte, die auf ähnlichen Prinzipien basierten, floppten in der Vergangenheit immer. Godtube, eine Videoplattform für christliche Inhalte, wurde 2007 in Texas gegründet. Zwischen 2007 und 2008 war es die am schnellsten wachsende Webseite ihrer Art. 2009 begann jedoch ihre Beliebtheit zu schwinden und sie verlor 75 Prozent aller User. Heute gibt es Godtube immer noch, aber sie ist alles andere als eine erfolgreiche Video-Plattform für das weltweite Netz.
Anthony Rotolo, Fachbereichsleiter am Programm für soziale Medien der Universität Syracuse iSchool legt den Schluss nahe, dass Salamworld ein ähnliches Schicksal erleiden könnte. „Wird die Anziehung der ‘halal-Erfahrung’ genauso hoch sein, wie die Schöpfer der Seite glauben“, fragt Rotolo. „Viele Nutzer haben gelernt, ihre Privatsphäre und die anderer in sozialen Netzwerken zu respektieren. (…) Das Potenzial der Seite basiert auf der Annahme, dass die muslimischen User etwas anderes wollen. Diese Annahme könnte falsch sein.“
Die Macher von Salamworld haben gewichtige finanzielle Unterstützung, die ihre Arbeit für die ersten drei Jahre nach dem Start sichern soll. Wenn sie ihr angestrebtes Ziel von 50 Millionen Nutzer binnen der ersten fünf Jahre erreichen will, müssen sie einen Weg finden, das Interesse hoch zu halten, wenn die ursprüngliche Welle der User-Neuigkeit abgeebbt sein wird.“ Auch wenn Rotolo glaubt, dass Salamworld nicht die dominante oder bevorzugte Plattform für Muslime werden wird, glaubt er doch, dass „Salamworld Erfolg bei der Anziehung einer großen Besuchermenge haben kann.“
Salamworld will das potenzielle Problem der Entscheidung, wie viel persönliche Information zu viel ist, dadurch umgehen, indem es Nutzer animiert ihre Informationen mit bestimmten Gruppen zu teilen, anstatt ein Profil zu kreieren. Kurt meint, dass der Schwerpunkt auf Gemeinschaft „Salamworld antreiben und es erfolgreich machen wird“. Soziale Netzwerke auf „Gemeinschafts-“Basis können attraktiv für Geschäfte sein. Indem sie sich einer Gruppe anschließen, wird ein Unternehmen in der Lage sein, Zugang zu den Nischen des muslimischen Marktes zu bekommen, der rasant wächst.
Salamworlds eventueller Erfolg oder Scheitern werden offenbaren, was die augenblicklichen Medienoptionen wie Facebook für die muslimische Welt bedeuten. „Interessant an Salamworld ist, dass es auf der Idee einer religiösen Identität aufbaut. Ich bin auf Salamworld als Muslim“, meint Charlie Gere, Professor für Medientheorie der Universität Lancaster. Ob sich Muslime kleinen, auf Islam basieren Gemeinschaften anschließen wollen oder ob sie einen Nutzen in Systemen wie Facebook sehen, die auf Profil-Identität und Informationsaustausch berufen, wird sich erweisen müssen.