Als Kind wollte sie nicht, dass ihr Vater in den Boxring steigt. Die Tochter von Box-Legende Muhammad Ali spricht jetzt über ihren prominenten Vater und dessen Erkrankung.
New York (dpa). Muhammad Ali war einer der erfolgreichsten Boxer des 20. Jahrhunderts, mit seinem politischen und religiösen Engagement war er nicht immer unumstritten. Regisseurin Clare Lewins hat nun ein Porträt gedreht, das nicht nur den Sportler, sondern auch den Familienmenschen Ali zeigen soll. Wegen seiner Parkinson-Erkrankung kann der 72-Jährige inzwischen kaum mehr sprechen. Seine älteste Tochter Maryum, genannt May May, erzählt von ihrem berühmten Vater.
Frage: Es gibt viele erfolgreiche Sportler – warum ist gerade Ihr Vater so berühmt geworden?
Antwort: Er hat einen Weg abseits von der Norm gewählt, er hat die amerikanische Verfassung herausgefordert. Man geht zur Schule und hört, dass alle Menschen gleichberechtigt sind und dass es Religionsfreiheit gibt. Aber wenn man in Louisville, Kentucky, zu dieser Zeit aufwächst, sieht man diese Verbotsschilder für Schwarze, man sieht Rassismus und Unterdrückung. Er hat gesehen, dass die amerikanische Verfassung nicht wirklich durchgesetzt wurde. Dann ist er zum Islam konvertiert, einer Minderheitenreligion in den USA. Er war ein Symbol für die Leute.
Frage: Im Film wird Muhammad Ali als sensibler Familienmensch dargestellt, im Boxring war er hart und zäh. Ist das ein Widerspruch?
Antwort: Nein, überhaupt nicht. Wir zeigen alle unterschiedliche Seiten in unterschiedlichen Beziehungen. Boxen ist ein Sport, eine Strategie, es ist nicht barbarisch, es ist eine eigene Wissenschaft. Es ist eine Disziplin wie zum Beispiel Jazzmusik. Mein Vater wollte niemals jemandem bleibende Schäden zufügen. Er hasst Hass.
Frage: Im Film sieht man eine Szene, in der Sie als junges Mädchen nicht wollen, dass Ihr Vater den nächsten Kampf antritt. Erinnern Sie sich, warum?
Antwort: Das war am Ende seiner Karriere. Meine Bitte kam nicht nur von einem Kind, das Zeit mit seinem Vater verbringen wollte, sie kam von einem Kind, das Angst um die Gesundheit seines Vaters hatte. Es war offensichtlich, dass seine Zeit abgelaufen war. Ich konnte es an seinem langsameren Sprachmuster sehen, an seiner Langsamkeit und seiner fehlenden Balance. Ich denke, das ist die Geschichte vieler Sportler. Es ist schwierig, aufzuhören, nicht länger im Rampenlicht zu stehen, die Aufmerksamkeit und das Gehalt zu verlieren, wenn man ein Boxer ist, der nichts anderes gelernt hat.
Frage: Hat er nach seiner Karriere etwas gefunden, was ihn ähnlich glücklich gemacht hat?
Antwort: Naja, Parkinson kam, und er hatte damit viele Jahre zu kämpfen. Er hat Lonnie Williams geheiratet, und sie hat ihm sehr geholfen. Er hat sich nach seiner Karriere darauf konzentriert, den Islam zu verbreiten. Er war wie ein Imam für seine eigene Gemeinde. Wenn er reden könnte, würde er seine eigene Moschee leiten, kein Zweifel!
Frage: Denken Sie, Ihr Vater vermisst das Rampenlicht immer noch?
Antwort: Nein, nicht mehr. Mein Vater ist älter und reif, er musste lernen, mit einer sehr schwierigen Krankheit umzugehen. Parkinson nimmt einem die Bewegungsfreiheit und die Unabhängigkeit. Er ist ein friedlicher Mann, er liebt sein Leben. Und er ist immer noch so selbstbewusst wie vor 40, 50 Jahren. Er vermisst nichts und bereut nichts. Er kommt sogar gut mit dem Parkinson klar.
Zur Person: May May Ali (46) ist die älteste Tochter des Boxers Muhammad Ali, der mit dem Namen Cassius Marcellus Clay 1942 in Kentucky geboren wurde. Im Jahr 1964 gewann er seine erste Weltmeisterschaft im Boxen, konvertierte vom Christentum zum Islam und änderte seinen Namen in Muhammad Ali. Nach dem Karriereende 1981 wurde bei Ali Parkinson diagnostiziert. Er hat sieben Töchter und zwei Söhne. May May Ali ist Sozialarbeiterin und engagiert sich für die Parkinsonforschung.
Muhammad Ali starb am 03. Juni 2016.