
Gestern wandten sich mehrere muslimische, europäische Organisationen mit einem Aufruf zu Gaza an die Öffentlichkeit.
(iz). Am 9. Juli 2025 haben führende muslimische Organisationen aus Europa in einer gemeinsamen Erklärung, der sogenannten „Gaza-Deklaration“, ein sofortiges Ende der Gewalt im Gazastreifen gefordert.
Die Erklärung prangert an, dass durch israelische Angriffe mehr als 58.000 Menschen im Gazastreifen getötet worden seien, darunter viele Kinder. Es wird betont, dass ganze Familien ausgelöscht und Landstriche zerstört wurden. Der Zugang zu Wasser und Nahrung sei lebensgefährlich, und Hunger werde gezielt als Kriegswaffe eingesetzt.
„Der Schmerz der palästinensischen und israelischen Familien, die Angehörige verloren haben und auf Lebenszeichen ihrer entführten bzw. zu unrecht festgehaltenen Familienangehörigen warten, sitzt tief. Palästinensern wird zudem jede Lebensgrundlage genommen. Wir wollen Frieden und Gerechtigkeit. Beides ist untrennbar miteinander verbunden.“
Der Text drückte das Mitgefühl der Unterzeichner mit allen betroffenen Familien aus. Sie dankten europäischen Staaten, die Palästina anerkennen. Und würdigten jene Stimmen aus Kunst, Sport, Medien und Wissenschaft, die auf das Leid hinweisen.
Die Organisationen unterstrichen ebenso den langjährigen respektvollen Dialog mit jüdischen Gemeinden in Europa und lehnten jede Form von Rassismus, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus ab. „Wir werden nicht zulassen, dass Extremisten – woher sie auch kommen – einen Keil zwischen unsere Gemeinschaften treiben.“
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Die Erklärung wurde im Rahmen einer Pressekonferenz in Brüssel vorgestellt und vereinte Vertreter islamischer Religionsgemeinschaften aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Belgien, Norwegen, den Niederlanden, Dänemark und Italien.
Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM), der Französische Rat für den Islam (CFCM), die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), das Exekutivorgan der Muslime in Belgien (EMB), der Islamrat Norwegens (IRN), das Kontaktorgan der Muslime und der Regierung in den Niederlanden (CMO), die dänisch-muslimische Union (DMU) sowie die Union islamischer Gemeinschaften und Organisationen Italiens (UCOII).
Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrats in Deutschland, verlas die Erklärung auf Deutsch. Die Organisationen vertreten nach eigenen Angaben über 15.000 Moscheen in ganze Europa und erreichen damit Millionen Gläubige. Sie sehen sich in der Verantwortung für Gerechtigkeit, Leben, Völkerrecht und menschliches Miteinander.
Muslimische Organisationen wollen Verantwortung „für Gerechtigkeit (…) und das Völkerrecht“ übernehmen
Muslimische Gemeinschaften und Dachverbände aus Europa, die über 15.000 Moscheen und unzählige Gläubige repräsentieren, wollten mit dieser Deklaration Verantwortung für Gerechtigkeit, das Leben und das Völkerrecht übernehmen.
In der vorgestellten Erklärung schildern sie die Situation im Gazastreifen als „massive humanitäre Krise“. Über 58.000 Menschen seien durch israelische Angriffe getötet worden, darunter viele Kinder, Familien seien ausgelöscht, Landstriche zerstört. Hunger werde als Kriegswaffe eingesetzt, humanitäre Hilfe eingeschränkt, Hoffnung schwinde. „Die Situation im Gazastreifen ist eine massive humanitäre Krise. Mehr als 58.000 Menschen wurden bisher durch direkte Angriffe des israelischen Militärs getötet.“
Die Organisationen betonten, dass sie das Töten Unschuldiger – egal durch welche Partei – stets verurteilt haben. Zivile Opfer seien niemals akzeptabel. Sie hätten sich immer für Waffenruhe, humanitäre Hilfe, Geiselfreilassung, Frieden und die Zweistaatenlösung eingesetzt. Doch die Lage habe sich verschärft, nicht verbessert.
Im gemeinsam getragenen Text sprachen die Organisationen for dem Presseclub in Brüssel von einer „systematischen Zerstörung der zivilen Infrastruktur und der Lebensgrundlagen der palästinensischen Bevölkerung“.
Hochrangige israelische Politiker hätten offen zugegeben, dass Palästinenser in Gaza „keine Zukunft“ haben sollten. „Internationale Juristen, Menschenrechtsorganisationen und UN-Vertreter sprechen inzwischen von einem Genozid.“
Die Unterzeichner sprachen von menschenunwürdigen Zuständen an den Lebensmittelverteilstationen der Gaza Humanitarian Foundation (GHF). Diese hat die UNRWA bei der Verteilung abgelöst, was Not und Vertreibung nur noch weiter verschärft habe.
Hierzu gab es in den letzten Wochen verschiedene Berichte israelischer Medien, der AP sowie von Hilfsorganisationen. Die israelische Tageszeitung „Haaretz“ nannte die Gebiete um die Abgabestellen „Todeszonen“ und bezog sich in ihrer Berichterstattung auf Berichte israelischer Soldaten.
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Kritik an Europas Politik und Forderungen zugunsten der Zivilbevölkerung in Gaza
In Bezugnahme auf das konkrete Handeln europäischer Politiker und Staaten nannten die Unterzeichner der Brüsseler Deklaration diese „weitgehend symbolisch“. Es fehle an klaren Konsequenzen. Im verlesenen Erklärungstext wurde die Frage gestellt, wie sich das Bekenntnis zu Menschenrechten mit dieser Zurückhaltung vereinbaren lasse.
Dabei teile die Mehrheit der europäischen Bevölkerung laut Umfragen eine menschenrechtsorientierte Haltung gegenüber dem Krieg und dem Leid der Zivilbevölkerung. Doch in vielen Parlamenten fänden sie dafür kein Gehör.
Auch aus der muslimischen Welt fehle eine gemeinsame diplomatische Initiative. „Es wird gesprochen, aber konkrete Maßnahmen bleiben oft aus. Symbolik ersetzt Verantwortung – auch das sorgt für Enttäuschung.“
Mit der Brüsseler Deklaration wandten sich die teilnehmenden muslimischen Organisationen und Dachverbände nicht nur zur Kritik am Krieg und ihrer Anteilnahme mit der Zivilbevölkerung an die Öffentlichkeit. Sie forderten auch konkrete Schritte zu einem Ende von Gewalt und Kriegsverbrechen:
- einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende des Völkermordes,
- die Freilassung aller Geiseln und zu Unrecht verhafteter Menschen,
- freien Zugang für humanitäre Hilfe,
- keine Waffenlieferungen, solange diese für Kriegsverbrechen und völkerrechtswidrige Einsätze missbraucht würden,
- der Internationale Strafgerichtshof solle seine Arbeit ohne politischen Druck fortsetzen können,
- ungehinderten Zugang für Journalisten nach Gaza und Gewährleistung ihrer Sicherheit für eine unabhängige Berichterstattung, und
- Anerkennung eines freien und souveränen palästinensischen Staates auf der Basis einer Zweistaatenlösung, für einen dauerhaften Frieden, damit beide Länder und Völker gemeinsam und in Würde leben können.