Köln (KNA/dpa). Der Moscheen-Dachverband Ditib sieht nach dem Anschlag auf die Redaktion der französischen Zeitschrift «Charlie Hebdo» eine erhöhte Gefahr für islamische Einrichtungen in Deutschland. Man müsse «damit rechnen, dass Neonazis, Pegida-Aktivisten und Islamhasser diesen schrecklichen Terrorakt zum Anlass nehmen, ihre Angriffe zu vermehren», sagte der Bundesvorstandssprecher der türkisch-islamischen Organisation, Bekir Alboga, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Donnerstag.
Die Möglichkeit von Racheakten sei auch in Deutschland «nicht auszuschließen», so Alboga. Der Moscheenverband vertraue bei der Einschätzung der Sicherheitslage auf die deutschen Behörden. Eine Überprüfung der Sicherheitsanforderungen sei aber wünschenswert. Er fürchte eine Gewaltspirale, so Alboga. Doch «jede Gewalttat verpflichtet uns neu, es gibt keine Alternative zum Dialog und gemeinsamen Handeln.»
Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), appellierte an die Politik, weiter über Religion aufzuklären. Religiöse Ansichten dürften «in keinster Weise damit gleichgesetzt werden, dass man terroristisch aktiv wird», so Özoguz gegenüber dem Sender n-tv. Auch mit der Frage, warum Jugendliche in Deutschland für den Kampf des «Islamischen Staat» (IS) in Syrien und dem Nordirak gewonnen werden könnten, müsse sich die Zivilgesellschaft stärker befassen.
Der Beauftragte der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit, Außenstaatsminister Michael Roth (SPD), warnte davor, den Anschlag politisch zu instrumentalisieren. Was sich ereignet habe, sei ein Terrorakt, zu dessen Rechtfertigung eine Religion «auf das Schändlichste missbraucht worden» sei, so Roth im SWR.
Mit Blick auf Deutschland kritisierte der Politiker die Reaktion der Pegida-Bewegung auf den Anschlag scharf. Es sei «ziemlich verwerflich», dass es offenkundig auch in Deutschland Trittbrettfahrer gebe, die nun ihr «politisches Süppchen» kochen wollten. Die Pegida-Bewegung hatte das Attentat auf Facebook als Beleg für eine angeblich drohende Islamisierung Europas gewertet.
Nach dem Terroranschlag auf das religionskritische Satiremagazin «Charlie Hebdo» könnte sich hierzulande die Stimmung mit anti-islamischen Tendenzen weiter aufheizen. Das befürchtet die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, die auch Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bunds in Köln ist. Auftrieb bekommen könnten islamische Fundamentalisten einerseits und Islamgegner wie die Pegida («Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes») auf der anderen Seite. Sie halte es für gefährlich, dass die Anti-Islam-Bewegung Pegida Tausende für ihre Demos gewinnen könne, betonte Kaddor. Viele Muslime in Deutschland seien innerlich zerrissen und frustriert.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Terroranschlag in Paris verurteilt und zugleich vor Intoleranz gewarnt. Terrorismus könne nicht religiös oder national sein und durch nichts gerechtfertigt werden, hieß es am Dienstag in einer Mitteilung des Präsidenten. Die Türkei werde weiterhin jede Art von Terrorismus bekämpfen. Erdogan teilte weiter mit, Intoleranz gegenüber Andersartigkeit und Hassreden hätten Spannungen den Weg geebnet. Das türkische Staatsoberhaupt hatte erst am Dienstag eine zunehmende Fremden- und Islamfeindlichkeit in Europa kritisiert.