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Neuerscheinung: Muslimische Denker im Gespräch

Ausgabe 364

Sprache Urteilskraft islam Neuerscheinung
Foto: Freepik.com

Ecevit Polat stellt die Neuerscheinung „Europas Erben im Zwietracht“ vor.

(iz). „In den hochentwickelten [westlichen] Ländern macht sich indes das Gefühl eines unaufhaltsamen Niedergangs breit.“ Mit diesem Satz konstatiert einer der prominentesten Soziologen Frankreichs, Emmanuel Todd, den gegenwärtigen Zustand, auf den die westlichen Länder kontinuierlich zuzusteuern scheinen. Tatsächlich lassen sich die Symptome einer Sinn- und Wertekrise kaum noch leugnen.

In dieser Form waren Kriminalität, der Zerfall familiärer Strukturen und die allgegenwärtige Drogensucht in allen Teilen der Gesellschaft bislang kaum je so deutlich wahrnehmbar.

Die grundlegenden Urfragen – Woher? Weshalb? und Wohin? – scheinen im Zeitalter der sozialen Medien wie Instagram und TikTok kaum noch jemanden zu interessieren. Könnten die eigentlichen Ursachen für das Fehlen eines spirituellen Sinns womöglich tiefer liegen, als bisher angenommen?

Bereits 1950 wies ein in Kairo veröffentlichtes Buch auf den sogenannten fundamentalen psychologischen Unterschied zwischen Orientalen und modernen Westlern hin und stellte dazu Folgendes fest:

„Der orientalische Charakter neigte schon immer zum Spirituellen. Seit Menschengedenken sind dem Orientalen tausende von Fragen in den Sinn gekommen. Was ist das Ende dieser Welt? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Wo sollte man nach Führung in Bezug auf das Leben nach dem Tod suchen? Was ist das Geheimnis des ewigen Glücks? Den Orientalen ließen diese Fragen nie los; auch nicht in Zeiten seiner völligen Vereinnahmung durch weltliche Gelüste und Interessen. Trotz der ganzen Ablenkungen in seinem Leben hatten sie für ihn immer Priorität. Im Verlauf seines gesamten intellektuellen und kulturellen Schaffens war er ständig damit beschäftigt, befriedigende Lösungen für sie zu finden. Seine Askese, seine Philosophie, seine Metaphysik, sein Mystizismus waren alle darauf ausgerichtet. Manchmal führte ihn diese Suche auf falsche Wege. Manchmal irrte er und stolperte. Doch nie verschloss er seine Ohren vor der Stimme seiner Seele.“

Annemarie Schimmel (1922–2003), die Nestorin der deutschen Islamwissenschaft, wurde einmal gefragt, was sie besonders am Glauben der Muslime wertschätze. Sie antwortete mit folgendem Satz:

„Ich würde nicht behaupten, dass ich eine sehr gute Christin bin. Was mich am Islam wirklich fasziniert, ist die Gläubigkeit, die absolute Hingabe. Den wirklichen Islam, den finde ich wunderbar. Gerade jetzt, wo wir immer mehr entchristlicht werden und uns von der Religion entfernen, merke ich, dass dies die Seite am Islam ist, die mich wirklich anzieht und der ich mich zugehörig fühle […] aber dieses ungeheuer starke Gefühl der Gegenwart Gottes hat mich am Islam schon immer angezogen.“

Nach wie vor werden muslimische Denker im Westen kaum gehört oder wahrgenommen. Im Band „Muslimische Denker: Zwischen Tradition und Moderne“ (2. Auflage, Astrolab Verlag 2025) wurden einige von ihnen vorgestellt, um sie als Personen und vor allem ihr Gedankengut in Deutschland bekannter zu machen.

In der Tat haben auch muslimische Gelehrte zu den gesellschaftlichen Missständen Wichtiges zu sagen. Im vorliegenden Buch wird jedoch nicht über sie geschrieben; vielmehr kommen sie diesmal in Interviews selbst zu Wort. Diese Interviews sind erstmals ins Deutsche übersetzt worden, in der Hoffnung, dass diese Intellektuellen in Zeiten der Zwietracht mehr Gehör finden.

Herausgegeben von Ecevit Polat: „Muslimische Denker im Gespräch: Europas Erben im Zwietracht“, tredition Verlag, Ahrensburg 2025, 238 Seiten, Paperback, ISBN: 978-3384696373, Preis: EUR 15,90

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