Nobelpreisträger Orhan Pamuk: Westen verrät in Ägypten eigene Werte

München (KNA). Der Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk wirft der Europäischen Union und den USA vor, in Ägypten die eigenen Werte zu verraten. Obwohl der Putsch des Militärs gegen die Regierung angekündigt gewesen und dann auch erfolgt sei, habe die ganze Welt weggeschaut, sagte der 61-jährige Pamuk der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag). Die ägyptische Armee töte, aber die öffentliche Meinung in den westlichen Ländern tue so, „als gäbe es da gar keine Verantwortung“.

Dass der Westen nach dem sogenannten arabischen Frühling weniger Einfluss in den arabischen Ländern besitze, könne schon sein, räumte der Schriftsteller ein. Doch ein „Nein“ zum Militärputsch hätte wenigstens erfolgen können, weil er kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein dürfe. Pamuk fügte hinzu: „Entweder gibt es so etwas wie westliche Werte, wie die Ideale von Demokratie, Meinungsfreiheit und so fort, oder es gibt sie nicht, weil sie immer wieder politischen oder ökonomischen Kalkülen unterworfen werden.“

Schon in seinem Roman „Schnee“, der sich auf die türkischen Verhältnisse bezog, habe er dieses Problem aufgegriffen, erinnerte der Nobelpreisträger. Jetzt existiere es global, „dieses Missverhältnis zwischen demokratischen Idealen auf der einen, den westlichen Interessen auf der anderen Seite“. Denn es stelle sich die Frage, ob die Ideale von Demokratie und freier Meinungsäußerung noch etwas gelten würden, wenn sich die Bevölkerung eines Landes gegen eine politische Nähe zu den westlichen Ländern entscheide. Der in Istanbul geborene Pamuk erhielt 2006 den Literaturnobelpreis.