Not in Syrien immer größer

Mehr als 80 000 Tote sollen es schon sein, doch die UN streiten immer noch um eine gemeinsame Haltung zum Bürgerkrieg in Syrien. Während die USA und Russland eine Lösung suchen, leiden Millionen Zivilisten.

New York/Damaskus (dpa). Nach zwei Jahren Gewalt wird die Not der Menschen in Syrien immer größer. Lebensmittel, Strom und Wasser und auch Telefon und Internet sind für viele unerreichbar – und neue Kämpfe verschärfen die Lage noch weiter. Die UN-Vollversammlung verurteilte die Gewalt in Syrien und forderte das Regime in Damaskus zum politischen Wandel auf. Die Entschließungen der Vollversammlung sind aber nicht bindend.

Deutsche Hilfsorganisationen riefen für Donnerstag zu einem bundesweiten «Aktionstag Syrien» auf. «Rund ein Drittel der Menschen kommen inzwischen ohne die Hilfe von außen nicht mehr über die Runden», erklärte Rotkreuz-Präsident Rudolf Seiters am Mittwoch in Berlin. «Wir haben es mit einer humanitären Katastrophe zu tun», sagte Seiters. Zum zweiten Mal in einer Woche brachen am Mittwoch in Syrien die Telefon- und Internetverbindungen vorübergehend zusammen.

Der seit zwei Jahren andauernde Aufstand gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad hat nach UN-Schätzungen mehr als 70 000 Menschen das Leben gekostet, einige UN-Mitglieder sprechen von 80 000 und die syrischen Menschenrechtsbeobachter gehen inzwischen gar von 94 000 Toten aus.

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Dennoch wurde in New York stundenlang um eine Syrien-Resolution der UN-Vollversammlung. «Diese Resolution ruft nicht nach einem militärischen Einmarsch», sagte ein Vertreter Katars. «Aber das syrische Volk ruft nach Hilfe und wir rufen alle Parteien zur Mäßigung auf.»

«Das syrische Volk ist diesen Ländern egal», sagte hingegen Syriens UN-Botschafter Baschar Dschaafari. «Sie wollen einfach nur die rechtmäßige Regierung meines Landes stürzen.» Frankreichs Botschafter Araud sagte hingegen: «Das Regime setzt Artillerie und Raketen gegen Zivilisten und Wohngebiete ein. Das ist Terrorismus!»

Am Ende stimmten 107 der 178 anwesenden Staaten für die inzwischen dritte Syrien-Resolution, die vor allem von arabischen Ländern entworfen wurde, aber auch die deutsche Handschrift trägt. Deutschlands UN-Botschafter Peter Wittig sagte zu dem Entwurf: «Er spiegelt die furchtbare Situation im Land wider und drängt auf eine politische Lösung.» Bei 59 Enthaltungen waren 12 Staaten dagegen, darunter Russland, China, Kuba und Weißrussland.

Die Lage in dem Land wird von Tag zu Tag dramatischer. Neben Fleisch, Brot und Milchprodukten ist nun auch Gemüse zu einer Luxusware geworden, wie Bewohner des Landes berichten. Tomaten würden inzwischen «rotes Gold» genannt.

Nach der jüngsten Erhebung des UN-Welternährungsprogramms (WFP) lag die Inflationsrate bei Lebensmitteln im September 2012 im Vergleich zum Vorjahresdurchschnitt bei etwa 50 Prozent – am verheerendsten sei die Situation in Aleppo und Homs. Insbesondere Brot – das wichtigste Nahrungsmittel in dem arabischen Land – werde ständig teurer. Die Organisation brauche derzeit gut 15 Millionen Euro wöchentlich, um 2,5 Millionen Menschen in Syrien und etwa eine Million Flüchtlinge mit Nahrung zu versorgen.

Unterdessen gehen die Kämpfe weiter. Wie die syrischen Menschenrechtsbeobachter mit Sitz in London berichteten, gab es Gefechte zwischen Rebellen und Regierungstruppen in einem Gefängnis in Aleppo. Rund 4000 Häftlinge seien in akuter Lebensgefahr, hieß es.

Am Vormittag fielen zudem Internet und Telefon aus. Während man nach rund sieben Stunden wieder online gehen konnte, dauerte die Störung der Telefonverbindungen am Abend noch an. Bereits in der Vorwoche war das Internet fast 20 Stunden ausgefallen. Oppositionelle gingen von einer Störung durch die Regierung aus. Das Regime sprach von technischen Problemen.

Im Umland von Damaskus wandte sich ein SOS-Kinderdorf in einem dringenden Appell an die Konfliktparteien. Die Einrichtung gerate im Bürgerkrieg immer wieder zwischen die Fronten, teilte die Organisation mit. In dem Dorf leben den Angaben nach 117 Kinder, etwa 20 Mütter sowie 30 bis 35 erwachsene Betreuer.

Die USA und Russland bereiten derweil die geplante internationale Syrienkonferenz vor, die wohl frühestens Anfang Juni stattfinden kann. US-Außenminister John Kerry und der russische Außenminister Sergej Lawrow hoben am Rande des Arktis-Gipfels im schwedischen Kiruna hervor, dass sowohl die Teilnahme der syrischen Führung als auch die der Opposition angestrebt werde. Moskau will außerdem noch den Iran sowie Saudi-Arabien in die Lösungssuche einbinden.