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Persönlichkeitsentwicklung ist eine Investition

Ausgabe 357

Persönlichkeitsentwicklung
Foto: Ahmet Aydin

Essay: Ahmet Aydin beschreibt seine Erfahrung über Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung und des Coachings.

„Ich wäre nichts, wenn ich bliebe, was ich bin!“ (Johann W. Goethe)

(iz). Psychologen, Coaches und Speaker boomen. Sie waren wohl noch nie so gefragt wie heute, doch was nützen sie der Gesellschaft? Diese Frage ist mehr als berechtigt, denn Unternehmen geben Tausende von Euro aus, um die eigenen Führungskräfte und Mitarbeiter zu schulen. Als ich einem Arbeitskollegen aus Türkiye erzählte, dass ich an einer Masterclass und Ausbildung teilnehmen möchte zum Speaker und Coach wusste er nicht genau, was ich meine. 

Diese Berufe sind in Türkiye noch nicht angekommen. Als ich zurückkam, fiel ihm auf, dass ich mich verändert habe. Andere Freunde sagten, ich sei wieder wie zu meiner besten Zeit, in der ich mehrere Essays an einem Tag schreiben konnte. Ich machte einfach. Wurde ich abgezockt oder habe ich in mich investiert? Sind die großen Unternehmen verrückt, wenn sie viel Geld dafür ausgeben, dass jemand kommt und nicht einmal eine Stunde spricht und dafür mehrere Tausend Euro bekommt? Die Antwort: Sie sind brillant.

Wer nicht in sich selbst investiert, der entwickelt sich nicht. Wenn es nicht wehtut, Geld auszugeben, nehmen wir die Angelegenheit meist nicht ernst. Wenn wir Menschen für etwas Geld ausgeben, nehmen wir sie ernst und wollen, dass es sich lohnt; wir wollen, dass es sich rentiert und plötzlich nehmen wir uns selbst ernster.

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Und wenn das der einzige Effekt ist, den eine Masterclass oder ein Coaching macht, dann hat es sich bereits gelohnt. Die Aufgabe eines guten Speakers ist es, dass die TeilnehmerInnen ihre Glaubenssätze abändern. Das heißt: Ein Mensch, der zuvor nicht daran geglaubt hat, seine Gewohnheiten ändern zu können, glaubt nun daran.

Denkmuster verändern sich. Die Art und Weise, wie Begebenheiten im Leben betrachtet werden, ändern sich. Stück für Stück änder sich so der Mensch. Ist es eine Abzocke, dafür zu bezahlen? Oder ist es einfach die Summe, die wir als Abzocke bezeichnen? Da halte ich gegen und frage: Welche Investition ist wichtiger als die Investition in sich selbst?

Reden, die begeistern, können Glaubenssätze ändern

Ich habe die Predigten und Vorträge satt, in denen jemand vorne erzählt und bloß meine Vorurteile und Kenntnisse bestätigt.

Ich will herausgefordert werden. Ich will provoziert werden. Ich will mich verändern müssen. Es stört mich nicht, die immer wieder gleichen Zitate und Anekdoten zu hören. Was mich stört, sind die immergleichen Deutungen. Ich kenne kaum Menschen, die es schaffen, die klassischen Weisheiten in die Moderne zu tragen.

Wenn ich vortrage, höre ich von Zuhörern öfter, dass sie jemanden wie mich nie gehört haben. Ist es arrogant und hochmütig, das Feedback hier zu teilen? Ich weiß es nicht. Entscheide selbst. Eines aber weiß ich: Die Reden vom Propheten Muhammed (s) gingen unter die Haut. Die Reden von Abu Bakr, Umar, Usman und Ali (r) gingen unter die Haut. Wer nie Reden von ihnen las, sollte es lieber nicht tun. Er wird den heutigen Predigern nicht mehr zuhören können.

Eine Rede ist so viel mehr als bloße Rhetorik. Eine Rede ist der Ausdruck der eigenen Seele. Saadi sagte: „Der Mensch unterscheidet sich vom Tier durch das Sprachvermögen.“ Zu sprechen heißt, seiner Seele eine Kleidung geben. Worte sind die Kleidung der Seele. Und wenn diese Worte von Herzen kommen, bewegen sie Gesellschaften und Individuen.

Goethe sagte: „Im ganzen ist der Stil eines Schriftstellers ein treuer Abdruck seines Innern. Will jemand einen klaren Stil schreiben, so sei es ihm zuvor klar in seiner Seele, und will jemand einen großartigen Stil schreiben, so habe er einen großartigen Charakter.“

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Foto: Liubomir, Adobe Stock

Das gleiche gilt für eine Rede. Ich sage: Im ganzen ist der Stil eines Speakers ein treuer Abdruck seines Innern. Will jemand mit  klarem Stil sprechen, so sei es ihm zuvor klar in seiner Seele, und will jemand mit großartigem Stil sprechen, so habe er einen großartigen Charakter.“

Auf der Höhe der Zeit zu sein, heißt in seine eigene Bildung und die Persönlichkeitsentwicklung seiner Führungskräfte und Mitarbeiter zu investieren. Ein Mensch zu sein, der sich regelmäßig bildet, heißt seine Menschlichkeit auszudrücken.

Wer mit den immergleichen Themen beschäftigt ist, der stagniert und ist irgendwann resigniert. Johann W. Goethe lässt eine seiner Figuren folgende Worte sprechen: „meine Kenntnisse breiten sich täglich aus, meine Empfindungen erweitern sich, und mein Stil bildet sich immer wahrer und stärker.“

Die alte Generation war davon geprägt, dass Beruf, Heirat und Kinder als erfolgreiches Leben zu definieren. Diejenigen werden unsere Zukunft erfinden, die Persönlichkeitsentwicklung vereinen mit einem gesunden Familienleben. „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht aus den Ruinen“, schrieb Schiller.

Lies Bücher, die du noch nie gelesen hast, höre einen Podcast zu einem Thema, das du noch nie angehört hast, lies in Biographien großer Persönlichkeiten. Niemand kann mich zum besseren Menschen, das kann nur ich selbst.