, , , ,

Quo vadis Europa?

europa
Foto: mandi77, Adobe

Aus muslimischer Sicht können die Ergebnisse der Europawahl 2024 nur Sorgen bereiten. Ein Kommentar.

(iz). Eine große Überraschung ist es nicht: Die Zuwächse der Rechten in Europa gefährden zunehmend die europäische Idee. Offensichtlich sehnen sich Millionen von BürgerInnen des Kontinents nach den guten alten Zeiten und verlangen Ruhe in Zeiten des Veränderungsdruckes. Der Wunsch nach Heimat und der eigenen Kultur ergibt sich aus der Spiegelung des Phantasmas einer „Islamisierung“ des Abendlandes.

In Europa hat das Spiel mit den Ängsten Erfolg

Dabei fürchtet die Rechte nichts mehr als Differenzierung. Zu gut funktioniert das Spiel mit den Ängsten und dem Ressentiment der eigenen WählerInnen. Dieses Gedankengut treibt auch die bürgerlich-konservativen Parteien vor sich her.

Denn die reale, schnelle Lösung für ein Ende der starken Immigration nach Europa, zumindest innerhalb der rechtsstaatlichen Grenzen, ist nicht in Sicht. Das könnte man ehrlich zugeben. Nur Wahlen lassen sich so nicht gewinnen.

cdu hamburg

Foto: Jürgen Nowak, Shutterstock

Anzeige:

Bedenklich ist ein anderer Aspekt: Immer mehr junge Leute finden es chic, rechts statt links oder grün zu wählen. Dieser Trend nimmt die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Renaissance des Nationalismus.

Denn die Probleme der nächsten Jahre – Abwendung der ökologischen Krise, Gefährdung des Wohlstandes und dauerhafte Inflation – werden nicht kleiner. In der Sprache des Wetters formuliert: Die dunklen Wolken über Europa sind nicht mehr zu übersehen.

Und wo stehen die Muslime?

Einerseits: Der vielbesungene politische Islam ist bisher nicht in der Lage, auch nur einen Sitz im Europaparlament zu erringen. Das Wählerpotential bei den Europawahlen summiert sich bei etwa 0,5%. Versuche, eine überzeugende Liste zu formieren, die der Vielfalt der Community tatsächlich entspricht, sind gescheitert. 

Andererseits: Das Engagement in den etablierten Parteien hat viele Muslime ernüchtert. Eine nennenswerte Willkommenskultur der Parteien, zumindest gegenüber praktizierenden Muslimen, besteht bisher nicht.

Im Ergebnis sind die Muslime kein politischer Faktor, sondern dienen nur als ein wichtiges Projektionsfeld in der politischen Auseinandersetzung. Das ist keine sonderliche angenehme Rolle.

Pandemie Muslime Großbritannien

Foto: Rocketclips, Inc., Shutterstock

In der Öffentlichkeit wird die Realität von Millionen Menschen, die in diesem Land Steuern bezahlen und sich absolut gesetzestreu verhalten, von den Rändern und mit Blick auf die Extreme beurteilt. Welche Schlüsse man aus dieser Lage zieht, bleibt in der inner-muslimischen Diskussion offen. Aber auch die Gesellschaft muss sich fragen lassen, ob die Millionen Muslime in Deutschland eine entsprechende faire Repräsentanz in unseren Institutionen erhalten.

Klar ist: Die einzige Alternative für die Muslime in Europa besteht darin, ihr Engagement für den sozialen Frieden und Gerechtigkeit weiter vorzuleben. Die Flucht in Parallelgesellschaften ist keine Option.

Und der Einsatz für die Idee eines freien Europas, das nicht in die gefährlichen Mechanismen der Vergangenheit zurückfällt, verdient nach wie vor unser ganzes Engagement. Die Hoffnung, wonach eine wachsende Zahl der EuropäerInnen einsehen, dass muslimische und europäische Identität keine Widersprüche sein müssen, besteht weiterhin.