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Deutsche Rüstungsexporte: Debatte um Merz-Entscheidung geht weiter

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Foto: Orso, Shutterstock

Am 8. August verkündete Kanzler Friedrich Merz einen Richtungswechsel bei Rüstungsexporten nach Israel. Die Diskussion darüber hält bis heute an.

Berlin (iz, KNA). Bundeskanzler Friedrich Merz hatte am 8. August 2025 in Reaktion auf die bewaffnete Eskalation im Gazastreifen eine weitreichende Entscheidung zur deutschen Rüstungsexportpolitik getroffen.

Hintergrund war der Beschluss des israelischen Sicherheitskabinetts vom 7. August, die Stadt Gaza militärisch einzunehmen und eine härtere Offensive gegen die Hamas im Gaza zu führen. Merz kündigte an, dass die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Genehmigungen für Exporte von Rüstungsgütern erteilen werde, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten.

Die Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts, den Krieg auszuweiten, sei für ihn überraschend gewesen. Daraufhin habe er beschlossen, die Waffenexporte teilweise zu stoppen. Auf die Frage, ob auch die öffentliche Diskussion eine Rolle gespielt habe, sagte Merz, von „öffentlichem Druck lasse ich mich nicht so sehr beeindrucken wie von meinem eigenen Bild, auch von den Beratungen mit unseren Fachleuten“.

Merz betonte: „Wir können nicht Waffen liefern in einem Konflikt, der jetzt ausschließlich versucht wird mit militärischen Mitteln gelöst zu werden.“ Der Kanzler fügte hinzu: „Wir wollen diplomatisch helfen und wir tun das auch.“

Diese Maßnahme stellt eine deutliche Kursänderung in der bisherigen, traditionell pro-israelischen Haltung Deutschlands dar und löste innerhalb der Regierung und der politischen Landschaft eine breite Debatte aus.

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Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Köhler / photothek

Chronologie der Debatte um die Rüstungsexporte

– Am 7. August 2025 beschließt das israelische Sicherheitskabinett eine militärische Offensive zur Einnahme von Gaza-Stadt.

– Am 8. August 2025 verkündet Bundeskanzler Merz, dass die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Exporte genehmigen werde, die im Gazastreifen eingesetzt werden können.

– Merz betont Israels Recht auf Selbstverteidigung, übt aber Kritik an der humanitären Verantwortung Tel Avivs in Gaza.

– Der Schluss führte zu heftiger Debatte, insbesondere in der Union (CDU/CSU), teils harscher Kritik, aber auch Unterstützung aus SPD und anderen Lagern.

– Der israelische Botschafter und Premierminister kritisieren die Entscheidung, der Kanzler weist Einflussnahme durch öffentlichen Druck zurück.

– Experten sehen die Maßnahme als Ausdruck einer deutschen Balance zwischen historischer Verantwortung und der Wahrung von Menschenrechten und Völkerrecht.

Kanzler kritisierte israelisches Vorgehen in Gaza

Merz erklärte, dass Tel Aviv grundsätzlich das Recht habe, sich gegen Terror zu verteidigen, und dass die Hamas in der Zukunft keine Rolle mehr in Gaza spielen dürfe.

Gleichzeitig äußerte er aber auch Kritik am militärischen Handeln von Tel Aviv, da das harte Vorgehen die politischen Ziele der Regierung Netanjahu kaum noch nachvollziehbar mache.

Aus Sicht der Bundesregierung erhöhe die Offensive die Verantwortung Israels erheblich für die Sicherstellung der Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, insbesondere für einen umfassenden Zugang für Hilfslieferungen. Diese Bedingungen sah Merz als notwendig an, um deutsche Waffenlieferungen weiterhin als vertretbar zu betrachten.

Heftige Reaktionen der Schwesterpartei

Der Schritt brachte heftige Reaktionen hervor. Innerhalb der CDU/CSU gab es Kritik, insbesondere aus der CSU, die den Schritt als Symbolpolitik und als einen Bruch mit der deutschen Staatsräson einschätzte.

CSU-Außenpolitiker betonten, der Schritt sei emotional motiviert und ohne ausreichende Abstimmung mit den fachpolitischen Gremien gefällt worden.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Steffen Bilger, mahnt hingegen an, die Entscheidung akzeptieren zu müssen, da sie in einer Koalition mit der SPD getroffen wurde, die seit längerem eine deutliche Abgrenzung zur israelischen Kriegsführung in Gaza fordert.

Aufseiten Israels äußerte sich der israelische Botschafter Ron Prosor kritisch. Er bezeichnete die Einschränkung der Waffenlieferungen als „ein Fest für die Hamas“ und sah die deutsch-israelischen Beziehungen durch die Entscheidung belastet. Auch Premierminister Benjamin Netanjahu kommentierte, Merz habe dem Schritt unter öffentlichem Druck zugestimmt, was dieser zurückwies und seine Entscheidung als Ergebnis eigener Einschätzung und Kabinettsberatungen darstellte.

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Foto: Deutscher Bundestag 7 Marc-Steffen Unger

Zustimmung für den Beschluss

In Deutschland löste die Entscheidung nicht nur Kritik, sondern auch Unterstützerstimmen aus. Die SPD begrüßte den Schritt als längst überfälliges Signal gegen eine einseitige Parteinahme im Konflikt und als Ausdruck der deutschen Verantwortung gegenüber dem Völkerrecht und dem Schutz der Zivilbevölkerung. Auch Vertreter anderer politischer Lager zeigten Verständnis für die Notwendigkeit, Waffenexporte unter den gegebenen Umständen zu beschränken.

CDU-Mitglied Bosbach verteidigte den Kanzler in der Debatte, verwies auf die knappe Zeitspanne für die Entscheidung und betonte, dass die militärischen Auswirkungen des Teilstopps überschätzt würden.

Er wies darauf hin, dass bislang keine deutschen Waffen geliefert worden seien, die im Gazastreifen zum Einsatz gekommen sind, und die neue Regelung lediglich klarstellt, dass dies auch künftig nicht geschehen dürfe. Bosbach sprach von einem wichtigen außenpolitischen Signal, das allerdings Kommunikationsprobleme innerhalb der Union offenbarte.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Adis Ahmetovic, kritisierte, dass die israelische Regierung ihre ursprünglichen Militärziele aus den Augen verloren habe. Sie betreibe stattdessen eine „Politik von Vertreibung und Aushungern in Gaza und der Annexion“ im Westjordanland. Das stelle einen klaren Bruch von internationalem Recht dar. „Daher begrüßen wir, dass der Bundeskanzler unserer Forderung folgt.“

Lea Reisner, Sprecherin für internationale Beziehungen der Linke-Fraktion, sagte, nach humanitärem Völkerrecht sei Deutschland verpflichtet, aktiv zu verhindern, dass „von deutschem Boden aus Waffen für solche Verbrechen bereitgestellt werden“.

Nötig sind laut Reisner zudem ein „vollständiger und bedingungsloser Exportstopp, die Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens, gezielte Sanktionen gegen extremistische Minister der Netanjahu-Regierung, die Anerkennung Palästinas als souveräner Staat – und massiver internationaler Druck für die Freilassung aller Geiseln und ein Ende der Angriffe“.

Merz erklärte sich am 10. August

Die politische Debatte führte dazu, dass der Kanzler seinen Urlaub unterbrach, um seinen Entschluss im Fernsehen zu erklären und Klarheit über die Beweggründe zu schaffen.

Er stellte nochmals heraus, dass die Entscheidung kein grundsätzlicher Wandel in der deutschen Nahostpolitik sei, sondern ein differenziertes Signal angesichts der angespannten Lage und der humanitären Herausforderungen vor Ort.

Die Diskussion über die deutsche Rolle in diesem Konflikt, die historische Verantwortung für Israel und die Balance zwischen Sicherheitsinteressen und Menschenrechtsprinzipien bleibt angespannt.

Historiker und Nahostexperten bewerten die Entscheidung als einen Versuch, deutsche Werte und außenpolitische Prinzipien im Kontext eines komplexen und eskalierenden Konflikts zu wahren.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel dürften durch diese Entscheidung in eine herausfordernde Phase eintreten, ohne dass mittelfristig eine grundlegende Veränderung der Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich erwartet wird.

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