
Nach einem weiteren barbarischen Angriff auf Zivilisten werden UN-Vertreter deutlich. Sie sprechen von Kriegsverbrechen. Bei der Attacke starben Dutzende Menschen.
Genf/Gaza (KNA, iz). UN-Menschenrechtshochkommissar Volker Türk wertet die tödlichen Angriffe auf Zivilisten an Hilfsgüterstandorten in Gaza als mögliche Kriegsverbrechen. Zum dritten Mal in Folge seien verzweifelte Menschen beim Versuch getötet worden, Zugang zu den spärlichen Mengen an Nahrungsmittelhilfe zu erhalten, beklagte Türks Büro in Genf.
Israel tötet Wartende aus der Luft
Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa wurden am Dienstag mindestens 27 Zivilisten durch israelischen Beschuss aus der Luft getötet und mehr als 200 weitere verletzt, die westlich der Stadt Rafah im Süden Gazas auf humanitäre Hilfe warteten.
Augenzeugen und Reportern zufolge griffen Artillerie und Kampfflugzeuge Menschenmengen an, die sich nahe eines Hilfszentrums versammelt hatten. Ärzte ohne Grenzen (MSF) bestätigte laut Wafa, dass Dutzende Palästinenser an von den USA und Israel unterstützten Hilfsverteilungsstellen getötet worden seien.
Wegen leerer Blutbanken wären die medizinischen Teams vor Ort gezwungen gewesen, selbst Blut zu spenden, um die Verwundeten zu versorgen.
Ärzte ohne Grenzen: Neues System für Hilfsgüter ist unmenschlich
Das neue System zur Lieferung von Hilfsgütern sei äußerst gefährlich und unmenschlich, beklagt Ärzte ohne Grenzen (MSF). Weiter heißt es: Die Instrumentalisierung humanitärer Hilfe in dieser Weise könnte einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen.
Volker Türk forderte, jeder dieser Attacken müsse unverzüglich und unparteiisch untersucht werden. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Angriffe auf Zivilisten seien schwere Verstöße gegen das Völkerrecht und Kriegsverbrechen.
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Die Palästinenser stünden vor der grausamen Wahl, so Türk: entweder zu verhungern oder zu riskieren, getötet zu werden, wenn sie versuchen, Zugang zu den spärlichen Nahrungsmitteln zu erhalten, die über den militarisierten humanitären Hilfsmechanismus Israels bereitgestellt werden. Dieses System gefährde Leben und verstoße gegen internationale Standards.
Menschenrechtsaktivisten weisen militarisiertes Hilfssystem zurück
Amnesty International hat Staaten in aller Welt aufgefordert, den sogenannten „Hilfsplan“ Israels, der als Waffe im Gazastreifen eingesetzt werde, abzulehnen. Die renommierte NGO drängt auf konkrete globale Maßnahmen, um den anhaltenden Genozid an der palästinensischen Bevölkerung zu beenden.
In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung verurteilte die Organisation die internationale Gemeinschaft dafür, dass sie die Katastrophe und den Völkermord in Gaza viel zu lange geduldet habe. Sie unterstrich, dass die absichtliche Aushungerung der Zivilbevölkerung ein Kriegsverbrechen darstelle, das sofort beendet werden müsse.
Die Menschenrechtler betonten außerdem, dass Israel als Besatzungsmacht nach internationalem Recht verpflichtet sei, die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern sicherzustellen.
Amnesty nannte Schüsse auf hungernde Palästinenser in der Nähe einer Hilfsgüterausgabestelle in Rafah einen „schrecklichen Vorfall, der eine sofortige und unabhängige Untersuchung erfordert“.
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Türk: „Elemente schwerster Verbrechen“
Der UN-Kommissar weiter: „Die Gefahr des Hungertodes, zusammen mit 20 Monaten der Tötung von Zivilisten und Zerstörung in großem Umfang, wiederholten Zwangsumsiedlungen, unerträglicher, entmenschlichender Rhetorik und Drohungen der israelischen Führung, den Gazastreifen von seiner Bevölkerung zu säubern, stellen ebenfalls Elemente schwerster Verbrechen nach internationalem Recht dar.“
Der Generalkommissar des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, verurteilte den neuen Hilfsmechanismus als eine „tödliche Falle“. Er forderte Israel auf, die Blockade aufzuheben und den Vereinten Nationen einen sicheren und ungehinderten Zugang zu gewähren, um humanitäre Hilfe im gesamten Gazastreifen zu liefern und zu verteilen.
UN-Generalsekretär Guterres hatte ebenfalls eine sofortige und unabhängige Untersuchung von mutmaßlichen Attacken Israels bei Verteilzentren von Hilfsgütern gefordert.
US-Regierung verteidigt die umstrittene Einrichtung zur Lebensmittelverteilung
Trotz wachsender Kritik an der Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) verteidigt die US-Regierung die bislang durch die Organisation geleistete Hilfe im Gazastreifen – und hält zugleich an ihrer Distanz zu ihr fest.
Es handele sich um eine unabhängige Einrichtung, die kein Geld der US-Regierung erhalte, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce, auf Nachfrage in Washington. Man begrüße aber „kreative Lösungen“, um humanitäre Hilfe in das Kriegsgebiet zu bringen.