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Tausende Afghanen stehen auf Wartelisten für Familiennachzug

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Berlin (KNA). Mehr als 4.000 afghanische Staatsbürger haben vor Beginn der Luftbrücke in Kabul auf einen Termin in deutschen Auslandsvertretungen für ein Visum zum Familiennachzug gewartet. Mit Stand 16. August hätten sich „auf den Terminlisten der Botschaften für den Familiennachzug insgesamt für die Beantragung in Islamabad 2.775 Personen (davon 791 zu subsidiär Schutzberechtigten) und für Neu Delhi 1.388 Personen (davon 196 zu subsidiär Schutzberechtigten) registriert“, hieß es auf Nachfrage der Zeitungen der Funke Mediengruppe aus dem Auswärtigen Amt.

Insgesamt warteten demnach Mitte August noch 4.163 afghanische Staatsbürger auf einen Termin zur Familienzusammenführung. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu Anfang Mai 2021. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion warteten damals in Islamabad knapp 1.879 Afghanen auf einen Termin für den Familiennachzug, in Neu Delhi waren es 1.138.

Unklar ist, wie viele dieser Menschen in den vergangenen Tagen mit Hilfe von internationalen Rettungsfliegern aus Afghanistan ausgeflogen worden sind. In Deutschland anerkannte Flüchtlinge haben grundsätzlich das Recht, ihre engsten Angehörigen, etwa Ehegatten und Kinder, über das Verfahren zum Familiennachzug nach Deutschland zu holen.

Seit dem Terroranschlag auf die deutsche Botschaft 2017 in Kabul laufen die Visaverfahren für afghanische Staatsangehörige zum Familiennachzug in den deutschen Auslandsvertretungen in Pakistan und Indien. Nach Angaben der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion beträgt die Wartezeit für einen Termin zur Familienzusammenführung etwa im pakistanischen Islamabad sowie im indischen Neu Delhi „über ein Jahr“.

Außenminister Heiko Maas (SPD) hat angekündigt, in den kommenden Tagen in die Region zu reisen. Maas hatte unlängst mit Blick auf die dramatische Lage in Afghanistan zudem versprochen, die „Kapazitäten unserer Visastellen in Islamabad, Neu Delhi, Taschkent“ aufzustocken und die „Möglichkeiten der zentralen Visabearbeitung im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten voll zu nutzen“.a

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Die Mehrheit der Deutschen ist für härtere China-Politik

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Berlin (dpa). Eine deutliche Mehrheit der Deutschen ist für einen härteren Kurs gegenüber China. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Zeitschrift „Internationale“Politik» sagten 58 Prozent, dass die Bundesregierung auch dann eine härtere Haltung einnehmen und die eigenen Interessen offensiver vertreten sollte, wenn dies die Wirtschaftsbeziehungen mit China beeinträchtigen sollte.

17 Prozent unterstützen einen härteren Kurs nur, wenn die Wirtschaftsbeziehungen nicht darunter leiden. 19 Prozent sind grundsätzlich gegen eine härtere Gangart.

Dem autoritär regierten China werden massive Menschenrechtsverletzungen vor allem gegen Minderheiten wie die muslimischen Uiguren vorgeworfen. Unter den westlichen Staaten gibt es Differenzen, wie man damit umgehen sollte.

Während die USA für eine möglichst harte Haltung eintreten, ist die Bundesregierung deutlich zurückhaltender. Deutschland hat enge Wirtschaftsbeziehungen mit der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt.

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Deutsche Muslime bewerten Demokratie positiver

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Frankfurt (KNA). Deutsche Staatsbürger muslimischen Glaubens bewerten die Demokratie und das Funktionieren des politischen Systems in Deutschland positiver als der Durchschnitt der Bürger. Das geht aus einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch) hervor. So halten 81 Prozent der muslimischen Bürger die Demokratie für die beste Staatsform, gegenüber 70 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Noch ausgeprägter ist der Unterschied bei der Frage: „Wie zufrieden sind Sie im Allgemeinen mit dem Funktionieren der Demokratie in der Bundesrepublik und dem Funktionieren unseres ganzen politischen Systems?“ In der Bevölkerung insgesamt liegt der Anteil derjenigen, die mit dem Funktionieren der Demokratie sehr zufrieden sind, bei 26 Prozent, zufrieden äußern sich 44 Prozent. Unter den wahlberechtigten Muslimen dagegen liegt der Anteil der sehr Zufriedenen bei 53 Prozent, der Zufriedenen bei 27 Prozent.

Auch ist unter den deutschen Muslimen der Anteil derjenigen deutlich höher, die glauben, dass ihre soziale Lage besser sei als die ihrer Eltern. Bei der Gesamtbevölkerung sagen das 44 Prozent, bei den Muslimen 71 Prozent.

Auch in ihrer parteipolitischen Orientierung unterscheiden sich die Deutschen muslimischen Glaubens nicht sehr stark vom Durchschnitt der Bevölkerung. Tendenziell bevorzugen sie eher die SPD. Insgesamt zeigen die muslimischen Wahlberechtigten eine überdurchschnittliche Neigung zur linken Hälfte des Parteienspektrums mit SPD, Grünen und der Linken.

Berücksichtigt man aber das vergleichsweise niedrige Durchschnittsalter der deutschen Muslime, ist allein bei der SPD ein bemerkenswerter Unterschied zwischen muslimischen und nichtmuslimischen Wahlberechtigten zu erkennen. Hier könnte sich noch immer die sozialdemokratische Orientierung vieler türkischer Gastarbeiter niederschlagen. Umgekehrt findet die FDP bei den wahlberechtigten Muslimen deutlich weniger Zuspruch als bei der Gesamtbevölkerung. Am größten ist der Kontrast – wenig überraschend – bei der AfD, für sie gibt es unter den muslimischen Deutschen praktisch keine Anhänger.

Allerdings ist die Zahl der Muslime mit deutscher Staatsbürgerschaft zu klein, um Wahlergebnisse maßgeblich zu beeinflussen. Laut der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz herausgegeben hat, leben derzeit etwa 5,5 Millionen Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland. Das entspricht 6,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. 47 Prozent dieser Muslime, 2,6 Millionen, besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft und machen damit 3,5 Prozent der 72 Millionen deutschen Staatsangehörigen aus.

Laut der neuen Umfrage bezeichnen sich 64 Prozent der deutschen Muslime als religiös; in der Gesamtbevölkerung sind es 36 Prozent. Protestanten bezeichnen sich laut Bericht zu 46 Prozent als religiös, Katholiken zu 63 Prozent.

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Ex-Außenminister Gabriel für eine internationale Afghanistan-Konferenz

Berlin (dpa). Der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich für eine internationale Afghanistan-Konferenz ausgesprochen. „Je eher sie stattfindet, umso besser“, sagte Gabriel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). Teilnehmen sollten auch Russland und China – auch wenn in beiden Ländern derzeit noch Spott und Häme wegen der Blamage des Westens dominierten.

„Das Triumphgeheul dieser Tage in Moskau und Peking wird bald verklingen“, so Gabriel. Tatsächlich blickten Russland und China mit sehr gemischten Gefühlen nach Afghanistan. Beide fürchteten einen neu aufflackernden islamischen Fundamentalismus in ihren eigenen Einflusszonen. Russland habe dabei die früheren Sowjetrepubliken Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan im Blick, China fürchte Unruhen in seiner an Afghanistan grenzenden muslimischen Provinz Xinjiang. Es gebe also quer durch die Region ein durchaus weit verbreitetes Interesse an Stabilität.

Gabriel betonte, an den Konferenztisch gehörten neben der EU nicht nur die Weltmächte USA, China und Russland, sondern auch Pakistan und der Iran. Mit Blick auf die Taliban sagte Gabriel, man werde hoffentlich mit jenen unter ihnen reden können, denen es schon immer darauf angekommen sei, bloß keine ausländischen Truppen im Land zu dulden: „Da gibt es eine lange nationalistische, identitäre Tradition.“

Die Frage sei, ob nach dem Abzug eine neue Art von Zusammenarbeit entwickelt werden könne, wenn der Westen diese Grundhaltung akzeptieren würde, so der frühere Außenminister. „Auch die Taliban wissen, dass ihr Land arm ist und dass eine Zusammenarbeit mit dem Westen in vielen Punkten in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse liegen kann.“

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Afghanistan: Die Debatte um eine „Schuldfrage“ hat begonnen

Nach dem Absturz Afghanistans ins Chaos steht die Schuldfrage im Raum. Hat die internationale Gemeinschaft versagt? Oder waren die afghanischen Streitkräfte einfach nicht bereit zu kämpfen? Die Meinungen der Regierenden in Washington und Berlin gehen auseinander.

Washington (dpa/iz). Trotz der faktischen Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat US-Präsident Joe Biden seinen Entschluss zum Abzug der US-Truppen aus dem Land gegen wachsende Kritik verteidigt. „Ich stehe voll und ganz hinter meiner Entscheidung“, sagt Biden am Montag (Ortszeit) im Weißen Haus. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) räumten dagegen ein, die internationale Gemeinschaft habe die Lage in Afghanistan falsch eingeschätzt und ihre Ziele bei dem Einsatz nicht erreicht. Biden wiederum betonte, die jüngsten Entwicklungen hätten ihn in seiner Entscheidung nur bestärkt. Den Taliban drohte er zugleich mit Vergeltung, falls sie US-Kräfte oder -Ziele angreifen sollten.

Bei Handlungen, die amerikanisches Personal oder deren Mission gefährden würde, müssten die Taliban mit einer „raschen und starken“ militärischen Reaktion der USA rechnen, sagte Biden. „Wir werden unsere Leute mit vernichtender Gewalt verteidigen, falls nötig.“

Der US-Präsident erhob schwere Vorwürfe gegen die entmachtete politische Führung und die Streitkräfte des Landes. „Die politischen Anführer Afghanistans haben aufgegeben und sind aus dem Land geflohen“, sagte er. „Das afghanische Militär ist zusammengebrochen, manchmal ohne zu versuchen zu kämpfen.“ Die jüngsten Ereignisse hätten bekräftigt, dass die Abzugsentscheidung richtig sei. „Amerikanische Truppen können und sollten nicht in einem Krieg kämpfen und in einem Krieg sterben, den die afghanischen Streitkräfte nicht bereit sind, für sich selbst zu führen.“ Biden räumte aber ein, die USA hätten das Tempo des Taliban-Vormarsches unterschätzt: „Dies hat sich schneller entwickelt, als wir erwartet hatten.“

Die Taliban hatten in den vergangenen Wochen nach dem Abzug der ausländischen Truppen in rasantem Tempo praktisch alle Provinzhauptstädte in Afghanistan eingenommen – viele kampflos. Am Sonntag rückten sie schließlich in die Hauptstadt Kabul ein. Kämpfe gab es keine. Der blitzartige Vormarsch überraschte viele Beobachter, Experten und auch ausländische Regierungen.

Maas gestand ein, es gebe nichts zu beschönigen: „Wir alle – die Bundesregierung, die Nachrichtendienste, die internationale Gemeinschaft – wir haben die Lage falsch eingeschätzt.“ Merkel schloss sich ausdrücklich an. „Da haben wir eine falsche Einschätzung gehabt. Und das ist nicht eine falsche deutsche Einschätzung, sondern die ist weit verbreitet“, sagte sie. Jenseits der Bekämpfung des Terrorismus sei bei dem Einsatz auch alles „nicht so geglückt und nicht so geschafft worden, wie wir uns das vorgenommen haben“. Es seien „keine erfolgreichen Bemühungen“ gewesen, sagte sie mit Blick auf den Versuch, das Land zu Demokratie und Frieden zu führen und dort eine freie Gesellschaft zu entwickeln.

Auf dem Papier waren die Taliban den afghanischen Sicherheitskräften weit unterlegen. Rund 300.000 Kräfte bei Polizei und Armee standen Schätzungen zufolge rund 60.000 schlechter ausgerüsteten Taliban-Kämpfern gegenüber. Diese profitieren aber von ihrem brutalen Ruf, den sie während ihrer Herrschaft in den 90er-Jahren mit öffentlichen Exekutionen oder Auspeitschungen erlangt haben.

Damals hatten die Taliban mit teils barbarischen Strafen ihre Vorstellungen eines „islamischen“ Staates durchgesetzt: Frauen und Mädchen wurden systematisch unterdrückt, Künstler und Medien zensiert, Menschenrechtsverletzungen waren an der Tagesordnung. Befürchtet wird nun eine Rückkehr zu derart düsteren Zuständen.

Die Taliban hatten einst Al Qaida-Kämpfern und dem damaligen Chef der Terrororganisation, Osama bin Laden, Zuflucht gewährt. Die Anschläge der Terrorgruppe in den USA vom 11. September 2001 hatten dann den US-geführten Militäreinsatz in Afghanistan ausgelöst, mit dem die Taliban entmachtet wurden. Bin Laden selbst wurde im Mai 2011 bei einem Einsatz von US-Spezialkräften in Pakistan getötet.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte davor, dass Afghanistan wieder zu einem Zufluchtsort des Terrorismus werden könnte. Er kündigte eine Initiative mit den europäischen Partnern dagegen an. Großbritanniens Premierminister Boris Johnson kündigte nach einem Telefonat mit Macron an, in den kommenden Tagen auch im Kreis der G7 – einer Gruppe führender Industrienationen – über Afghanistan reden zu wollen. Auch Johnson hatte zuvor gemahnt, das Land dürfe nicht wieder zur Brutstätte von Terrorismus werden.

Biden hielt dagegen, das ursprüngliche Ziel des US-Einsatzes in Afghanistan, das Ausmerzen der Terrorgruppe Al-Qaida nach den Anschlägen vom 11. September 2001, sei erreicht. Auch bin Laden sei getötet worden. Die USA könnten islamistische Terrorgruppen wie Al-Qaida auch ohne eine permanente Militärpräsenz in dem Zielland effektiv bekämpfen – das US-Militär zeige dies in anderen Ländern wie Somalia oder Jemen. Der US-Präsident betonte außerdem, es sei nie Ziel des Einsatzes gewesen, dort eine geeinte Demokratie zu schaffen.

Die USA, Deutschland und andere westliche Staaten begannen derweil, in großer Eile ihre Bürger und gefährdete afghanische Ortskräfte aus Afghanistan auszufliegen. Die USA schickten mehrere Tausend Soldaten nach Kabul, um die Evakuierungsaktionen zu sichern. Das US-Militär ist dort nach eigenen Angaben inzwischen mit rund 2500 Soldaten im Einsatz. In einigen Tagen sollen es laut Pentagon bis zu 6000 werden.

Am Flughafen in Kabul spielten sich dramatische Szenen ab. Hunderte oder vielleicht auch Tausende verzweifelte Menschen versuchten, auf Flüge zu kommen, wie Videos in Online-Medien zeigten. Für Entsetzen sorgten Aufnahmen, die zeigen sollen, wie Menschen aus großer Höhe aus einem Militärflugzeug fallen. Es wurde gemutmaßt, dass sie sich im Fahrwerk versteckt hatten oder sich festhielten. Diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden.

Unter schwierigen Bedingungen angesichts der chaotischen Zustände begann das erste Bundeswehrflugzeug den Evakuierungseinsatz am Flughafen Kabul. Nach stundenlanger Verzögerung und Warteschleifen landete die Maschine vom Typ A400M dort in der Nacht zu Dienstag, setzte Fallschirmjäger ab, die die Rettungsaktion absichern sollen, nahm auszufliegende Menschen an Bord und startete schnell wieder.

Das Chaos in Afghanistan hat international Entsetzen ausgelöst und Biden wegen seiner Abzugsentscheidung unter Druck gebracht. Er hatte im Frühjahr angekündigt, dass die damals noch rund 2500 verbliebenen US-Soldaten Afghanistan bis zum 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 verlassen sollten. Zuletzt wurde das Abzugsdatum auf Ende August vorgezogen. Angesichts des Rückzugs der US-Truppen holten auch die anderen Nato-Partner ihre Soldaten nach Hause.

Die Regierung von Bidens Amtsvorgänger Donald Trump hatte den Abzug eingeleitet. Biden entschied sich nach seinem Amtsantritt dafür, davon nicht abzurücken, sondern nur den Zeitplan zu ändern. Damit setzte er sich über Warnungen von Experten hinweg, die desaströse Folgen eines bedingungslosen Abzugs vorausgesagt hatten

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Debatte über Umgang mit Afghanistan geht weiter

„Ich habe der Welt von Afghanistan erzählt – aber weil ich nicht verarbeiten kann, was in meinem Land passiert, bin ich wie betäubt.“ Bilal Sarwary, afghanischer Journalist via Übermedien

Berlin (KNA). Während die Bundeswehr die Evakuierung deutscher Staatsbürger aus Afghanistan vorbereitet, debattiert die Politik weiter über den Sinn des Afghanistaneinsatzes und die Aufnahme von Afghanen, die mit den Deutschen zusammengearbeitet haben und deshalb als gefährdet gelten. Zugleich wurde am Wochenende deutlich, dass eine neue Flüchtlingswelle aus Afghanistan erwartet wird. Die Bundesregierung kündigte unterdessen an, fast alle Botschaftsmitarbeiter sowie die afghanischen Ortskräfte möglichst schnell auszufliegen.

CDU-Chef Armin Laschet forderte, dass Deutschland die ehemaligen Ortskräfte der Bundeswehr rettet. „Diese Leute, die uns geholfen haben, Afghanen, die mutig waren, der Bundeswehr zu helfen, müssen jetzt rausgeholt werden“, sagte er auf einer Veranstaltung der Jungen Union im hessischen Gießen.

Die Verteidigungspolitikerinnen Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Agnieszka Brugger (Grüne) kritisierten gegenüber dem Nachrichtenportal Watson die Bundesregierung scharf für ihren Umgang mit afghanischen Ortskräften. Strack-Zimmermann forderte die Regierung auf, diese Menschen schnellstmöglich per Flugzeug aus dem Land zu schaffen. Brugger sagte, es sei „extrem beschämend, dass die Bundesregierung eine Reihe von Ortskräften nach wie vor im Stich lässt“.

FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff warf der Bundesregierung Planlosigkeit vor. Die Evakuierungen hätten längst geplant sein können, sagte er der „Rheinischen Post“. Es gebe Schuldzuweisungen zwischen den Ministerien. „Das ist eine unwürdige Diskussion.“ Auch Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu verlangte eine Evakuierung der Ortskräfte.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) befürchtet, dass die Zahl der Geflüchteten deutlich ansteigen wird. „Man muss damit rechnen, dass sich Menschen in Bewegung setzen, auch in Richtung Europa“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ (Montag). Dabei müsse man nicht nur den Krisenherd Afghanistan im Blick behalten, sondern genauso Belarus, Pakistan, den Iran, die Türkei, Tunesien, Marokko und Libyen.

Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, warnte angesichts der massiv gestiegenen Zahl von Binnenflüchtlingen in Afghanistan, die Versäumnisse während des Syrien-Kriegs zu wiederholen. Fatalerweise seien die Europäer damals nicht auf die Geflüchteten vorbereitet gewesen, sagte sie im Deutschlandfunk. Man dürfe nicht warten, bis alle 27 EU-Länder bereit zur Aufnahme von Geflüchteten seien. Man müsse sich vielmehr mit jenen europäischen Ländern zusammenschließen, die das tun wollten.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), forderte ein Eingreifen des Westens gegen die Taliban – ausdrücklich unter Beteiligung der Bundeswehr. „Man darf nicht dabei zuschauen, wie Menschen, die uns lange verbunden waren, von den Taliban abgeschlachtet werden, wie Mädchen und Frauen alle hart erkämpften Rechte wieder verlieren“, sagte Röttgen dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), erteilte Forderungen nach einem erneuten Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr eine Absage. Er sagte der „Rheinischen Post“ (Samstag): „Wir haben gemeinsam mit unseren internationalen Partnern entschieden, den Einsatz zu beenden.“ Stattdessen müsse die internationale Gemeinschaft darauf drängen, „dass es zu einem politischen Dialog kommt“. Man werde nicht darauf verzichten können, die Taliban einzubinden.

Der Terrorismusexperte Peter Neumann vom Londoner King’s College glaubt, dass die afghanischen Taliban ihren Charakter geändert haben. „Die Taliban versuchen, aus den Fehlern der 1990er Jahre zu lernen. Damals wurden sie von Teilen der Bevölkerung sehr gehasst, weil sie zum Beispiel gegen religiöse Minderheiten vorgegangen sind.“ Sie gäben sich versöhnlicher und wollten auch Mädchen erlauben, zur Schule zu gehen, sagte Neumann dem RedaktionsNetzwerk. Große Hoffnungen auf einen Dialog mit den Taliban habe er dennoch nicht, betonte Neumann. Der Westen habe mit dem Rückzug seiner Truppen sein wichtigstes und einziges Druckmittel verloren.

Grünen-Außenexperte Omid Nouripour befürchtet, dass Afghanistan unter den Taliban wieder zu einem Rückzugsraum für Terroristen wird. Der „Passauer Neuen Presse“ sagte er, sollten die Taliban die Macht übernehmen, stehe ihnen erst einmal ein Krieg mit dem Islamischen Staat (IS) bevor. „Das Land wird jedenfalls nicht zur Ruhe kommen.“a

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Hintergrund: Kräfteverschiebungen am Hindukusch

BERLIN/KABUL (GFP.com). Mit Blick auf den Vormarsch der Taliban in Afghanistan werden in Berlin Forderungen nach der erneuten Entsendung der Bundeswehr an den Hindukusch laut. Die Taliban müssten „durch Luftschläge“ daran gehindert werden, bedeutende afghanische Städte zu erobern, fordert der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen (CDU). Dies habe US-Präsident Joe Biden in der Hand; sollten allerdings „militärische Fähigkeiten der Europäer, auch der Deutschen“, gebraucht werden, „dann sollten wir sie zur Verfügung stellen“. Unterdessen schwindet der Einfluss des Westens in Afghanistan rasant.

Während die US-Streitkräfte noch Luftangriffe auf Taliban-Stellungen durchführen, bietet die Türkei ihre Soldaten für die Sicherung des Flughafens in Kabul an; die Aufgabe gilt als nötig, um im Notfall schnellstmöglich das westliche Botschaftspersonal aus der afghanischen Hauptstadt evakuieren zu können. Russland stärkt seine militärische Position in Zentralasien unweit der afghanischen Grenze; China sucht seine Kontakte zu den Taliban zu stabilisieren.

Der Vormarsch der Taliban

Die Taliban haben am gestrigen Montag ihren Vormarsch auf Afghanistans Städte fortgesetzt. Sie konnten gestern mit Aybak (Samangan) die sechste Provinzhauptstadt einnehmen. Bereits zuvor war es ihnen seit Ende vergangener Woche gelungen, die Provinzhauptstädte Zaranj (Nimruz), Sheberghan (Jowzjan), Kunduz und Sar-e Pol (in der jeweils gleichnamigen Provinz) sowie Taloqan (Takhar) zu erobern. Heftige Angriffe führen sie zudem auf die zweit- und die drittgrößte Stadt des Landes, Kandahar und Herat; gestern haben sie angekündigt, auch die viertgrößte Stadt, Mazar-e Sharif, attackieren zu wollen.

Weite Teile des ländlichen Afghanistans beherrschen sie ohnehin. Schwer wiegt zudem, dass die Taliban Stück für Stück die wichtigsten Geldquellen unter ihre Kontrolle bringen. So haben sie mindestens acht bedeutende Grenzübergänge zu Iran, Turkmenistan und Tadschikistan sowie zu Pakistan übernommen und kassieren dort einen signifikanten Teil der afghanischen Zolleinnahmen, die ungefähr die Hälfte der Inlandseinnahmen der afghanischen Regierung ausmachen. Mit Kunduz kontrollieren sie zudem eine Stadt, die als eines der zentralen Drehkreuze für den höchst lukrativen Opium- und Heroinhandel gilt. Ihr weiteres militärisches Vorrücken scheint nur eine Frage der Zeit zu sein.

„Militärische Fähigkeiten der Deutschen“

Der schnelle Vormarsch der Taliban belegt erneut, dass es den westlichen Mächten in den fast zwei Jahrzehnten ihrer Besatzungspräsenz am Hindukusch nicht gelungen ist, einigermaßen tragfähige politische sowie soziale Strukturen aufzubauen. Die Vereinigten Staaten intervenieren noch mit Luftangriffen, wollen ihre Truppen jedoch bis Ende August vollständig aus Afghanistan abgezogen haben. Ob und, wenn ja, wie sie weiter in die Kämpfe eingreifen wollen, ist bisher nicht bekannt.

Ansonsten entzieht sich die Entwicklung am Hindukusch zunehmend westlicher Einflussnahme. In Berlin werden jetzt mit Blick darauf erste Forderungen laut, die Abzugsentscheidung umgehend zu revidieren. Am Sonntag erklärte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), US-Präsident Joe Biden habe es noch „in der Hand“, das „große außenpolitische Desaster“ in Afghanistan zu stoppen; die Taliban müssten nun „durch Luftschläge“ daran gehindert werden, weitere große Städte zu erobern. Röttgen schließt dabei auch einen erneuten Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch nicht aus. Er fordert: „Wenn es … militärische Fähigkeiten der Europäer, auch der Deutschen, gibt, die jetzt benötigt würden, dann sollten wir sie zur Verfügung stellen.“

Die Türkei in Afghanistan

Während der Einfluss des Westens in Afghanistan in rasantem Tempo schwindet, bemühen sich andere Staaten – aus völlig unterschiedlichen Gründen und in höchst unterschiedlichem Kontext -, am Hindukusch Fuß zu fassen. So hat sich die Türkei bereit erklärt, in Zukunft den Hamid Karzai International Airport in Kabul militärisch zu sichern. Einerseits gilt der Schutz des Flughafens als notwendig, um im Notfall eine schnelle Evakuierung westlicher Diplomaten und des Personals westlicher Botschaften durchführen zu können; dies wiederum ist eine Voraussetzung dafür, diplomatische Vertretungen in der afghanischen Hauptstadt geöffnet zu lassen. Andererseits treibt die Türkei seit Jahren, anknüpfend an die gemeinsame Zugehörigkeit zum Islam, eigenständige Einflussmaßnahmen in Afghanistan voran, die sie jetzt zu nutzen sucht, um sich nach dem Abzug des Westens eine eigene Präsenz am Hindukusch zu sichern.

Als Gegenleistung für das Offenhalten des Flughafens fordert Ankara Berichten zufolge die Übernahme der Betriebskosten durch die USA sowie logistische Unterstützung. Unklar ist, ob die Türkei einen modus vivendi mit den Taliban aushandeln kann. Präsident Recep Tayyip Erdoğan wird mit der Aussage zitiert: „Die Taliban sollten mit der Türkei viel leichter sprechen können, denn die Türkei hat keine Probleme mit ihren religiösen Standpunkten“.

Russland in Zentralasien

Nicht in Afghanistan selbst, aber unmittelbar an dessen Grenzen baut Russland seine militärische Präsenz aus. Es unterhält ohnehin bereits Militärbasen in Kirgisistan und in Tadschikistan und hat nun begonnen, seinen Stützpunkt in Tadschikistan zu verstärken. Darüber hinaus hat es zugesagt, die tadschikischen Streitkräfte mit Ausrüstung und mit Trainingsprogrammen zu unterstützen. Anlass ist die Befürchtung, mit der Übernahme der Kontrolle über die Grenzübergänge sowie das Grenzgebiet durch die Taliban könne der Krieg sich über die Grenze bis nach Tadschikistan hinein ausweiten.

In der vergangenen Woche starteten rund 2.500 Soldaten aus Tadschikistan, dem angrenzenden Usbekistan und Russland gemeinsame Manöver in rund 20 Kilometern Entfernung zur afghanischen Grenze. Schon zuvor hatten gut 1.500 Soldaten aus Russland und Usbekistan bei der usbekisch-afghanischen Grenzstadt Termez militärische Übungen durchgeführt.

In Termez war jahrelang die Bundeswehr mit einem Stützpunkt präsent, über den sie Militärtransporte nach Afghanistan abwickelte. Dies ist nun ebenso Vergangenheit wie die US-Militärstützpunkte in Usbekistan und Kirgisistan, die 2005 bzw. 2014 abgewickelt wurden. Mit dem westlichen Abzug geht nun ein Ausbau der militärischen Position Russlands in Zentralasien einher.

Auf Stabilität bedacht

Noch unklar ist die Rolle, die China in Zukunft in Afghanistan spielen wird. Am 28. Juli hatte der chinesische Außenminister Wang Yi in der Hafenstadt Tianjin eine Delegation der Taliban zu Gesprächen empfangen. Die Volksrepublik ist vor allem auf Stabilität am Hindukusch bedacht; sie fürchtet zum einen, Jihadisten – auch uigurische – könnten Afghanistan als Basis für Attacken im angrenzenden Xinjiang nutzen, zum anderen, Unruhen in Afghanistan könnten sich auf andere Nachbarstaaten wie Pakistan auswirken, mit denen Beijing im Rahmen der Neuen Seidenstraße immer enger kooperiert.

Den Anspruch, sich seinerseits in die afghanische Politik einzumischen, habe Beijing nicht, urteilt Andrew Small, ein Experte vom European Council on Foreign Relations (ECFR): In der chinesischen Debatte werde immer wieder darauf verwiesen, dass in Afghanistan noch keine äußere Macht sich habe festsetzen können; nicht umsonst werde das Land zuweilen als „Friedhof der Mächte“ bezeichnet.

China werde sich deshalb wohl darauf konzentrieren, seine unmittelbaren Stabilitätsinteressen in Afghanistan zu fördern. Dazu nutze es seine bestehenden Beziehungen zu den Taliban – und zwar vollkommen unabhängig vom Westen.

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Die Pandemieprofiteure: Aktuelle Studie zeigt Dimension der Gewinne

BERLIN/MAINZ (GFP.com). Eine aktuelle Studie der internationalen NGO The People’s Vaccine Alliance legt die Dimensionen der Profite offen, die die großen mRNA-Impfstoffhersteller, darunter BioNTech (Mainz), aus der Covid-19-Pandemie ziehen. Die Studie, die soeben unter dem Titel „Der große Impfstoffraub“ veröffentlicht wurde, beziffert den Verkaufspreis des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer auf das 6- bis 24-Fache der Produktionskosten. The People’s Vaccine Alliance kommt zu dem Schluss, die Einnahmen, die BioNTech und Pfizer aus dem Verkauf ihres Vakzins gezogen hätten, lägen um rund 24 Milliarden US-Dollar über dem Herstellungspreis.

Bei der Organisation handelt es sich um einen Zusammenschluss von ungefähr 70 internationalen NGOs, darunter Oxfam und Amnesty International. Berlin sichert die Profite der Impfstoffhersteller, indem es die zeitweise Aussetzung der Impfstoffpatente weiterhin blockiert. Größter Impfstoffversorger von Schwellen- und Entwicklungsländern ist China mit inzwischen über 570 Millionen Impfdosen. Deutschland hingegen geht zu Auffrischungsimpfungen über; die Bundesregierung will dutzende Millionen Impfdosen horten – zur „Vorsorge“.

Exzessive Profite

Der Preisanalyse für die mRNA-Impfstoffe gegen das Covid-19-Virus legt The People’s Vaccine Alliance eine aktuelle Studie zugrunde, die die US-NGO Public Citizen und Experten des Imperial College London gemeinsam erstellt haben. Demnach könnte eine Dosis des BioNTech/Pfizer-Vakzins für rund 1,18 US-Dollar produziert werden, eine Dosis des Moderna-Vakzins für 2,85 US-Dollar.

Soweit die tatsächlich gezahlten Preise bekannt sind, liegen sie bei Moderna um das 4- bis 13-Fache über den von The People’s Vaccine Alliance geschätzten Produktionskosten, bei BioNTech/Pfizer sogar um das 6- bis 24-Fache. Der niedrigste bekannte Preis für eine Dosis des BioNTech/Pfizer-Vakzins wurde von der Afrikanischen Union (AU) gezahlt; er liegt mit 6,75 US-Dollar pro Dosis beim 6-Fachen der geschätzten Produktionskosten. Den höchsten Preis bezahlte Israel mit 28 US-Dollar pro Dosis. Moderna wiederum soll von Kolumbien 30 US-Dollar pro Impfdosis verlangt haben – das Doppelte dessen, was die US-Regierung zahlte. Südafrika hat sich gezwungen gesehen, ein Angebot von Moderna als unbezahlbar abzulehnen; Berichten zufolge verlangte der Konzern 42 US-Dollar pro Dosis.

Coronamilliardäre

The People’s Vaccine Alliance hat als Beispiel einige Beträge berechnet, die über die geschätzten Herstellungskosten hinaus gezahlt wurden und von den Impfstoffherstellern nun vermutlich als Profite verbucht werden können. Im Fall Südafrikas liegt dieser Betrag bei 177 Millionen US-Dollar – genug, wie The People’s Vaccine Alliance feststellt, um die gesamte Bevölkerung des Landes und die Bevölkerungen Namibias und Sambias zum Produktionspreis zu impfen.

Die AU hätte demnach 279 Millionen US-Dollar zuviel gezahlt, Kolumbien 375 Millionen US-Dollar. BioNTech/Pfizer und Moderna haben laut der Analyse einen Betrag von zusammengenommen 41 Billionen US-Dollar über den geschätzten Produktionskosten kassiert, davon BioNTech/Pfizer 24 Milliarden US-Dollar. Tatsächlich verzeichnete BioNTech bereits im ersten Quartal 2021 einen Gewinn von 1,13 Milliarden Euro bei einem Umsatz von 2,05 Milliarden Euro; die Pfizer-Vergleichsdaten lassen einen deutlichen Anstieg in den weiteren Quartalen erwarten.

Es kommt hinzu, dass die Impfstoffproduktion bereits bis Mai neun neue Milliardäre hervorgebracht hat, darunter BioNTech-Chef Uğur Şahin, vier Manager und Investoren von Moderna sowie drei Manager des chinesischen Impfstoffherstellers CanSino.

Die Großzügigkeit der EU

Besondere Profite verdanken die Impfstoffhersteller dabei der EU, die laut Einschätzung von The People’s Vaccine Alliance die Preise „besonders schlecht verhandelt“ hat. Soweit bekannt, hat Brüssel für seine ersten 600 Millionen BioNTech/Pfizer-Impfdosen 15,50 Euro pro Stück bezahlt. Der Preis sei dann bei den nächsten 900 Millionen Impfdosen auf 19,50 Euro pro Stück gestiegen, hält The People’s Vaccine Alliance fest. Zähle man den Aufschlag auf die Produktionskosten der 460 Millionen Moderna-Impfdosen hinzu, dann belaufe sich der Betrag, den die Union über den reinen Herstellungspreis hinaus ausgegeben habe, auf gut 31 Milliarden Euro, 19 Prozent des gesamten EU-Haushalts für das Jahr 2021.

Berichten zufolge ist es den Pharmakonzernen darüber hinaus gelungen, den Preis für die jüngste Bestellung der EU von zusätzlich 2,1 Milliarden Impfdosen nach oben zu drücken. Hieß es zunächst, BioNTech/Pfizer würden 15,50 Euro pro Impfdosis erhalten, so sind es nun 19,90 Euro; Moderna wiederum hat den Preis von 19 auf 21,50 Euro pro Dosis erhöht.[4] Dies wird die Profite der Konzerne weiter in die Höhe treiben – auf Kosten der Steuerzahler in der EU.

Deutschlands Blockade

Dafür, dass die mRNA-Hersteller aus Deutschland und den USA auch weiterhin Milliardenprofite aus der Covid-19-Pandemie ziehen können, sorgen unverändert die Bundesregierung und die EU: Sie haben in der vergangenen Woche zum wiederholten Male die Forderung, die Patente auf die Covid-19-Impfstoffe zumindest zeitweise auszusetzen, in den zuständigen Gremien der WTO ausgebremst.[5] Indien und Südafrika hatten die Forderung bereits im Oktober 2020 zum ersten Mal vorgebracht; wäre sie damals erfüllt worden, könnten längst große Mengen an Impfstoffen in ärmeren Ländern produziert werden und deren Versorgung sicherstellen.

Berlin und die Union tragen mit ihrer Blockadepolitik maßgeblich Verantwortung dafür, dass in Ländern mit niedrigem Einkommen bisher nur 1,1 Prozent der Einwohner eine erste Impfdosis erhalten haben. BioNTech/Pfizer und Moderna, die Pharmakonzerne, die von der deutsch-europäischen Blockade der dringenden Patentfreigabe wohl am meisten profitieren, sind zugleich diejenigen, die laut Angaben von The People’s Vaccine Alliance die wenigsten Impfstoffe an ärmere Staaten liefern: BioNTech/Pfizer haben Ländern mit mittlerem oder niedrigem Einkommen lediglich acht Prozent ihrer weltweiten Produktion zugeteilt, Moderna nur sieben Prozent.

Impfstoffe für ärmere Länder

Als mit Abstand bedeutendster Impfstoffversorger der Schwellen- und Entwicklungsländer tut sich längst die Volksrepublik China hervor. Die Vereinigten Staaten haben zugesagt, ärmeren Ländern 500 Millionen Impfdosen zu liefern – bis Mitte kommenden Jahres. Großbritannien hat in der vergangenen Woche die ersten neun Millionen Impfdosen in ärmere Länder auf den Weg gebracht. Die Volksrepublik hat laut Angaben des Beratungsunternehmens Bridge Beijing mittlerweile 570 Millionen Impfdosen an Staaten mit einem mittleren oder niedrigen Einkommen geliefert. 45,4 Millionen davon gingen an zahlreiche Länder Afrikas – mehr als die Hälfte der fast 83,3 Millionen Dosen, die diese laut Angaben der WHO insgesamt erhalten haben.

Deutschland hingegen wird in Kürze beginnen, vollständig geimpften Personen Auffrischungsimpfungen zu verabreichen, und geht zur Immunisierung von Kindern und Jugendlichen über. Die Bundesregierung plant zudem, große Mengen an Vakzinen zu bunkern – laut Berichten vermutlich eine Dosis pro Einwohner, also über 80 Millionen Dosen, zum Zwecke der „Vorsorge“, wie es heißt.

Ärmere Länder können aktuell höchstens darauf hoffen, einige der Impfdosen abzubekommen, die aufgrund mangelnder Impfbereitschaft in Deutschland ungenutzt lagern und deren Verfallsdatum sich nähert. Gelingt es, sie rechtzeitig aus dem Land zu schaffen, dann fällt für ärmere Staaten also auch noch etwas aus Deutschland ab.

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Die IZ-Blogger: Die Ice-Bucket-Challenge

(iz). Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich nominiert werde. An keinem ist der neue Trend vorbeigegangen: Ice-Bucket-Challenge. Ursprünglich (gar nicht so lange her) erfunden worden, um aufmerksam […]

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Andersdenkende immer häufiger ein Dorn im Auge: Randaliererinnen von FEMEN stören Berliner Islamwoche

(iz). Es hätte ein ungestörter zweiter Abend der dreitägigen Berliner Islamwoche 2014 werden sollen. Zumindest hätte alles nach Plan verlaufen sollen, wäre es nach den OrganisatorInnen und den meisten Gästen gegangen. Das Event ist mittlerweile zu einem festen Bestandteil der muslimischen Gemeinschaft in der Hauptstadt geworden. Es zieht auch immer mehr Interesse von Seiten der Berliner Zivilgesellschaft an.

Nicht jedem passt das. Bereits im Vorfeld wurde in öffentliche Briefen und in einem Boulevardblättchen gegen diese neue deutsche Tradition aus der zweiten Reihe geschossen. In dem beunruhigenden Trend, Andersdenkende zu stören, anstatt mit ihnen zu diskutieren, reihten sich am Donnerstag, den 20. März auch Mitglieder des Demonstrationskollektivs FEMEN ein.

Mitten in ein Podiumsgespräch sprangen die leicht bekleideten Damen unerwartet auf die Bühne und hielten Banner hoch, auf denen sie ihren Unmut gegenüber den religiösen Ansichten anderer zum Ausdruckt brachten. Nach Berichten von Anwesenden und Mitgliedern des anwesenden IZ-Teams „muss ein großes Lob an die Veranstaltung ausgesprochen“ werden. Sie hätten abgewartet und angemessen reagiert. Die Unterbindung der Störung sei der Polizei überlassen worden. Nachdem die Randaliererinnen unter lautem Geklatsche und Gelächter abgeführt wurden, setzten die Teilnehmer ihre Diskussion fort.

Die Beobachtung eines Besuchers, wonach „heute sehr viel mehr Kameras als gestern vor Ort waren“, erhärtet die Mutmaßung Berliner Muslime, dass das keine spontane Unmutsbezeugung der FEMEN-Mitgliederinnen war. Verstärkt wird diese Ahnung durch die Deklaration der Organisation. Darin finden sich die stellenweise die gleichen Behauptungen und Formulierungen, wie sie schon in einem Brandbrief zu finden waren, der sich zuvor gegen die Organisatoren und ihre Gäste richtete. Dass FEMEN glaubt, ein Redner werde angeblich von einem „europäischen Verfassungsschutz“ beobachtet, belegt erneut, dass noch erheblicher Aufklärungsbedarf in der Islamdebatte besteht. (sw)