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Das Mittelmeer als Brücke und Grenze

(iz). Das große Meeresbecken, zu dem auch das Schwarze Meer gehört, bedeckt eine Fläche von 2.700.000 Quadratkilometer. Es hat eine Ausdehnung von 3.860 Kilometern – von der Straße von Gibraltar […]

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Riem Spielhaus zum Hamburger Staatsvertrag: „Ein bundesweiter Impuls“

(KNA). 2012 hat Hamburg als erstes Bundesland Verträge mit drei Islamverbänden und der Alevitischen Gemeinde geschlossen. Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten sollen sie nun einer Neubewertung unterzogen werden. Auf einem Fachtag am Mittwoch spricht unter anderem die Professorin für Islamwissenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen, Riem Spielhaus. Sie forscht zur rechtlichen Anerkennung islamischer Verbände in Deutschland. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) schildert sie ihren Blick auf die Hamburger Verträge und bewertet ihre bundesweite Wirkung. Von Michael Althaus

Frage: Frau Professorin Spielhaus, haben sich die Hamburger Verträge mit den islamischen Verbänden und der Alevitischen Gemeinde aus Ihrer Sicht bewährt?

Riem Spielhaus: Ich nehme aus Hamburg einerseits Zufriedenheit sowohl auf staatlicher als auch aufseiten der Religionsgemeinschaften wahr. Die Verträge treffen Regelungen zu Feiertagen, Religionsunterricht und Bestattung und decken damit aus meiner Sicht die wichtigsten Fragen ab. Der interreligiös getragene „Religionsunterricht für alle“ scheint in Hamburg gut zu laufen. Auch die Feiertagsregelung scheint zu funktionieren. Auf der anderen Seite gab und gibt es auf muslimischer Seite auch immer mal wieder Frustration.

Frage: Worüber?

Riem Spielhaus: Über einzelne, konkrete Punkte kann ich als außenstehende Beobachterin wenig sagen. So eine Frustration muss nicht immer einen konkreten Grund haben. Manche Erwartungen sind gar nicht zu erfüllen, sondern liegen zum Beispiel auf der Ebene von gesellschaftlichem Diskurs. Man möchte zum Beispiel wertgeschätzt werden.

Frage: Und die Frustrationen auf staatlicher Seite?

Riem Spielhaus: Die islamischen Religionsgemeinschaften sind in Deutschland noch nicht so organisiert wie die beiden großen Kirchen. Auch wenn es beispielsweise in Hamburg bereits Professionalisierungskurse für das Personal in islamischen Gemeinden gegeben hat, können sicher nicht immer alle Erwartungen auf staatlicher Seite erfüllt werden. Frustration gibt es darüber hinaus immer wieder auch bei der Frage, ob die islamischen Verbände auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Da gab es in Hamburg etwa Debatten um die Teilnahme einzelner Vertreter des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) am Al-Quds-Tag oder um die Abhängigkeit der Ditib vom türkischen Staat. Die wurden teils auch innerhalb der islamischen Verbände kontrovers geführt, setzen aber natürlich vor allem die staatliche Seite unter Rechtfertigungsdruck.

Frage: Dem IZH wird eine unmittelbare Abhängigkeit vom iranischen Regime vorgeworfen. Das Zentrum ist Mitglied im Dachverband Schura, einem von drei Partnern der Stadt bei dem Islamvertrag. Sollte die Schura trotzdem Vertragspartner bleiben?

Riem Spielhaus: Mit konkreten Empfehlungen möchte ich mich zurückhalten. Die entscheidende Frage ist, wie sich die Schura in dieser Situation verhält. Sie prüft derzeit, ob das IZH seine Mitgliedschaft ruhen lassen kann und hat ein Schiedsgericht eingesetzt. Die Einflussnahme aus dem Iran auf das IZH ist offensichtlich stärker geworden. Das wird auch innerhalb der Schura diskutiert und einzelne Mitgliedsverbände haben sich bereits vom IZH distanziert, weil sie sich nicht aus dem Ausland lenken lassen wollen. Es kann weder aus Sicht der Verbände noch aus Sicht des Senats Ziel sein, eine solche Konstellation einzugehen. Ähnliche Debatten gab es auch zur Türkei-nahen Ditib. Allerdings hat sich die Hamburger Ditib immer als besonders selbstständig hervorgetan gegen Versuche aus Ankara, sie zu lenken.

Frage: Befürworter des Vertrags argumentieren, man müsse ihn um des Dialogs willen beibehalten…

Riem Spielhaus: Einen Vertrag aufzulösen bedeutet ja nicht gleich, den Dialog aufzulösen. Ein Dialog wäre selbst mit einer Organisation, in der sich ausländische Kräfte engagieren, wichtig. Es kann durchaus interne Kräfte geben, die sich versuchen, davon freizumachen. Wir kennen das zum Beispiel von der katholischen Kirche genauso, dass es Organisationsstrukturen außerhalb von Deutschland gibt, sogar staatliche mit dem Vatikan. Auch hier kann es durchaus zu Problemen kommen. Aber darüber wird konstruktiv und transparent gesprochen. So könnte man sich das auch bei den islamischen Organisationen vorstellen.

Frage: Sind denn ansonsten aus Ihrer Sicht Änderungen an den Verträgen notwendig?

Riem Spielhaus: Das wird man im bevorstehenden Gesprächsprozess Punkt für Punkt klären müssen. Zudem wäre zu fragen, ob es weitere Bereiche gibt, für die man Vereinbarungen treffen möchte. Potenziale sehe ich bei der Jugendarbeit und der Wohlfahrtspflege. Hier könnte Hamburg bundesweit noch einmal neue Akzente setzen.

Frage: Als vor zehn Jahren die Verträge abgeschlossen wurden, wurde ihnen Vorbildcharakter für die ganze Republik zugesprochen. Gilt das immer noch?

Riem Spielhaus: Ja. Hamburg hat in der Tat einen Impuls gesetzt, der sehr stark über die Grenzen der Hansestadt hinaus wahrgenommen wurde. Nicht ganz ein Jahr später wurde ein ähnlicher Vertrag mit islamischen Verbänden und später auch mit der Alevitischen Gemeinde in Bremen geschlossen. In Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wurden Vertragsgespräche aufgenommen. In Niedersachsen ist der Prozess seit 2016 auf Eis gelegt. Rheinland-Pfalz hat 2019 einen Vertrag mit den Aleviten geschlossen. Mit den islamischen Verbänden wurden auch dort die Gespräche zwischenzeitlich gestoppt, inzwischen aber wieder aufgenommen.

Frage: Woran hapert es bei den Gesprächen, und warum tut sich in den anderen Bundesländern nichts?

Riem Spielhaus: Die Gespräche wurden vor allem wegen der Entwicklungen 2016 in der Türkei ausgesetzt. Nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der dortigen Regierung und ihren Gegnern war eine erhöhte Einflussnahme der Türkei auf die Ditib-Verbände hierzulande festzustellen. Rheinland-Pfalz geht nun einen spannenden Weg, bei dem sich die Partner Zeit nehmen und sich Zielvorgaben setzen. Ich denke, jedes Bundesland muss seine eigene Geschwindigkeit finden und seine jeweiligen Strukturen berücksichtigen. In Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen ist die Zusammenarbeit wesentlich einfacher als in Flächenländern, weil die Akteure viel näher beieinander und besser vernetzt sind.

Frage: Wären auch andere Modelle der Zusammenarbeit als ein Staatsvertrag erstrebenswert?

Riem Spielhaus: Natürlich. In Berlin gibt es seit 2005 das Islamforum, ein Koordinierungsgremium zwischen staatlichen, islamischen und weiteren gesellschaftlichen Institutionen. Auch dort wurden verschiedene Regelungen getroffen, zum Beispiel zu Bestattungen, zu Feiertagen und zum Religionsunterricht.

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Trügerische Ruhe in Kasachstan: Lage bleibt unübersichtlich

Die Lage in Kasachstan bleibt unübersichtlich. Während Machthaber Tokajew auf Unterdrückung setzt, reagieren Religionsgemeinschaften unterschiedlich auf die Unruhen. Von Heinz Gstrein

Nur-Sultan (KNA/iz). In Kasachstan hat der Befehl von Machthaber Kassym-Schomart Tokajew, „blind in die Massen zu schießen“, in der zweiten Woche zum Abflauen der Unruhen geführt. Vor allem in der alten und weiter heimlichen Hauptstadt Almaty trifft die Behauptung des Regimes und seiner russischen Verbündeten von einer „weitgehend“ beruhigten Lage zu.

Die besteht allerdings darin, dass sich die Straßen von Demonstranten geleert, doch dafür die Gefängnisse gefüllt haben. Die noch immer nicht überschaubare Zahl an Toten und Verletzten verwandelt die spontane Wut der Bevölkerung über explodierende Teuerung für die Armen und ausufernde Korruptionsgewinne in der herrschenden Schicht in feste Entschlossenheit, bis zum Sturz der Diktatur weiterzukämpfen.

Bislang herrschten in der zweitgrößten der einstigen Sowjetrepubliken nach Russland vergleichsweise stabile Verhältnisse. Ein Aufstand der Ölarbeiter von Schangaösen und seine blutige Niederschlagung 2011 wirken aus heutiger Sicht aber wie eine Vorwegnahme der jüngsten Proteste.

Die Motive waren damals dieselben wie heute: Obwohl das Feld von Ösen 70 Prozent des Erdöls in Kasachstan lieferte, musste die Belegschaft unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen zu Hungerlöhnen schuften, während die Petro-Oligarchen mit Ölprinzessin Darigha Nasarbajewa, einer Tochter des damaligen Präsidenten, im Geld schwammen.

Nursultan Nasarbajew sicherte dem postkommunistischen Ausbeutungssystem von 1990 bis 2019 Stabilität. Auch nach seinem Rücktritt als Präsident blieb er Vorsitzender der Einheitspartei „Nur Otan“ („Lichtvolles Vaterland“) und gab die eigentliche Macht als Chef des Sicherheitsrates erst jüngst zum Jahreswechsel auf. Sofort zeigte sich, dass sein Nachfolger Tokajew der autoritären und sozial repressiven Führung Kasachstans nicht gewachsen ist. Der kasachische Exilpolitiker Muchtar Abljazow hält ihn für unfähiger, doch auch bösartiger als Nasarbajew, dem er eine gewisse „Gemütlichkeit“ bescheinigt. Tokajew hingegen habe mit seiner überzogenen Reaktion auf die Proteste diese erst zum Überkochen gebracht.

Abljazow weist auch auf einen indirekten, aber maßgeblichen Beitrag der Deutsch-Kasachischen Universität von Almaty auf eine kritischere, weniger obrigkeitsgläubige politische Meinungsbildung hin. Aus ihrer Sozialwissenschaftlichen Fakultät seien die führenden Köpfe der neuen Demokratiebewegung hervorgegangen.

Auch die volkstumsnahe Türkei spielt in Kasachstan heute eine wichtige Rolle. Sie war schon mit ihrer Einführung der lateinischen anstelle der arabischen Schrift von 1928 ein Vorbild, dem Almaty im Jahr darauf folgte. Nach der Wende trat Kasachstan dem „Türkischen Rat“ und der Kulturgemeinschaft Türksoy bei. Yasi – heute Türkistan – eine der ältesten Städte des Landes, wurde zur „spirituellen Hauptstadt der türkischen Welt“ erklärt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützte in Kasachstan den Kurs einer Re-Islamisierung, schlägt sich aber im aktuellen Konflikt als einziger außerhalb des Moskauer Einflussbereichs auf die Seite der Führungsclique. Zu groß ist die Ähnlichkeit seines eigenen Gewinnschöpfungssystems im türkischen Finanz-, Bau- und Rüstungswesen mit der jetzt von den Kasachen infrage gestellten Korruption. Erdogan fürchtet, dass ein Umsturz bei den „volkstürkischen Brüdern“ in Kasachstan auf die Türkei ausgreifen könnte.

Obwohl 70 Prozent der Bevölkerung Muslime sind, spielten islamische Kräfte bei diesem Volksaufstand bislang kaum eine Rolle. Und die Christen? Die orthodoxe Kirche in Kasachstan verurteilte die Unruhen und stellte sich hinter den Kurs von Präsident Tokajew. „Unser Land war einem heimtückischen Überfall von Extremisten ausgesetzt“, so der oberste Geistliche, Metropolit Alexander von Astana (Nur-Sultan). Die Angreifer hätten den Menschen auf grausamste Weise ihren bösartigen Willen aufzwingen und die staatliche Souveränität zerstören wollen.

Ein anderes Bild biete sich bei den Katholiken sowie den Protestanten und Freikirchlern, die allerdings nur einen unteren einstelligen Prozentsatz am Bevölkerungsanteil haben. Sie wollen offenbar ihre schon gelebte, vom kirchlichen Osteuropa-Hilfswerk Renovabis unterstützte Geschwisterlichkeit und Hilfsbereitschaft zu Andersgläubigen und Ungläubigen (rund 18 Prozent) fortsetzen.

Überblick: Islam in Kasachstan

Kasachstan ist das nördlichste mehrheitlich muslimische Land der Erde. 70 Prozent der mehr als 18 Millionen Einwohner sind Muslime, überwiegend Sunniten der hanafitischen Rechtsschule. Neben den Kasachen zählen auch Usbeken, Uiguren und Tataren zum muslimischen Bevölkerungsteil.

Die Ausbreitung des Islam begann mit dem Vordringen muslimischer Heere im achten Jahrhundert und dauerte bis ins Spätmittelalter. Mit dem wachsenden russischen Einfluss seit dem 18. Jahrhundert geriet der Islam zunehmend in die Defensive. In der Sowjetzeit wurde er von den Kommunisten unterdrückt, viele Moscheen verfielen oder wurden umgewidmet. 

Nach der Unabhängigkeit der früheren Sowjetrepublik Kasachstan 1991 nahm der islamische Einfluss wieder zu. Der autoritäre Präsident Nursultan Nasarbajew nutzte die Religion und islamische Geschichte des Landes gezielt zur Stärkung der nationalen und kulturellen Identität, sorgte aber auch für eine strikt säkulare Auslegung des Islam. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Moscheen von 68 am Ende der Sowjetära auf 2.516 im Jahr 2016.

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Was ist eine Fatwa?

(iz). Wir leben in einem historischen Augenblick, in dem viele Begriffe, die uns vertraut erscheinen, schleichend aber stetig an Substanz verlieren. Das wirkt sich im Denken wie in der zwischenmenschlichen Kommunikation aus, gilt aber besonders, wenn es um kritische Themen wie „Islam“ geht. Was für Muslime – oder für sachlich gebil­dete Menschen – jahrhundertelang Alltäglichkeit war, ist längst Streitpunkt beziehungsweise zum Augenblick des Schreckens geworden.

Dafür lassen sich viele Beispiele finden, aber eine Sache – prägnant, weil die stetige „Um­wertung aller Werte“ Nichtmuslime und Muslime betrifft – ist die berühmt-berüchtigte „Fatwa (plural Fatawa)“. Angefangen mit der längst ikonisch gewordenen „Fatwa“ des persischen Revolutionsführer Ayatollah Khomenei in der Causa Rushdie, über die virtuell verbreiteten Urteile von Terrorführern in den Bergen Afghanistans oder Jemens bis zu Hobby-Predigern in westlichen Gesellschaften: Sie alle haben den Muslimen mit ihren „Meinungen“ einen Bärendienst erwiesen.

„Traurige Beispiele sind politische oder militärische Bewegungen, die an die Macht kommen, und Muftis ernennen, die Fatawa erlassen, um ihre Handlungen zu rechtfertigen. Dazu gehören auch Muftis, die nicht die nötigen Voraussetzungen erfüllen oder Meinungen veröffentlichen, die Muslime zum Gespött von Nichtmuslimen machen“, meint Malik del Pozo, Lehrer für Qur’an, islamisches Recht und Arabisch. Die Liste zeitgenössischer Meinungen, die in den Augen von Nichtmuslimen sehr skurril erscheinen müssen, ist sehr lang und reicht von erhängten VHS-Kassetten, geht über absurde Rechtsmeinungen, die gelegentlich aus Kairo in unseren Breiten ankommen und endet nicht mit dem Verbot von Mickey Mouse oder dem Fahrverbot für saudische ­Frauen.

Vor Jahren bemerkte ein taz-Autor klug und richtig, dass wir in einer „Diktatur der Meinung“ leben. Wie zutreffend das bei den Fatawa ist (nur selten spricht jemand über die Muftis), kann am inflationären Gebrauch der Fatwa erkannt werden. Jede Selbstentäußerung einer öffentlichen Stimme – ob qualifiziert oder nicht – erhält so einen Status, der ihr im Normalfall nicht zukommen sollte.

Ob es sich um vermeintliche „Lehrzentren“ in der „muslimischen Welt“ handelt (die, laut informierten Stimmen hinter vorgehaltener Hand, auch schon einmal genehme Meinungen äußern) oder um interessierte Politikerinnen, die Privatfatawa zum Fasten in Sommermo­naten von sich geben: Es sind vor allem Meinungen. Gleichzeitig werden diese, wenn unbequem, auch schon einmal dadurch relativiert, dass es sich bei ihnen „nur um eine private Meinung“ handle.

Die Fatwa

Eine Fatwa bezieht sich im Allgemeinen auf ein neues Urteil, das von einer geeigneten Person durch eine Entscheidung gefunden wird – oder auch nicht. Es sollte, so der Gelehrte Dr. Asadullah Yate, „von einem anerkannten Mufti innerhalb einer existierenden Gemeinschaft kommen“ und durch eine akzeptierte Autorität bestätigt werden. ­Unabhängig davon, ob sich ein Richter (arab. Qadi) danach richtet oder nicht, könne es von Leuten als Richtlinie für ihr Verhalten genutzt werden.

Das grundlegende Verständnis einer Fatwa erläutert Malik del Pozo: „Die Notwendigkeit für eine Fatwa ergibt sich aus der Existenz einer Frage, die beantwortet werden muss.“ Der Fakt, dass sich diese Antwort nicht im Qur’an, in den Hadithen oder in den anderen Rechtsquellen finde, impliziere einen Mufti oder mehrere. Diese träfen in Folge eine Entscheidung, „die falsch oder richtig sein kann“.

Es handle sich hier um eine Frage ­großer Verantwortung. Es sei nicht ­selten gewesen, Imam Malik „ich weiß es nicht“ sagen zu hören. Selbst, wenn eine Entscheidung durch einen Mufti notwendig werde, müsse sie immer auf „Qur’an, Hadith und den Rechtsschulen basieren“. Daher brauche ein Mufti ein vertieftes Wissen auf diesen Gebieten. „Eine Fatwa kann sich niemals gegen die Scharia selbst richten.“ Im Falle von Muslimen, die in einem nichtmuslimischen Land leben, könne eine solche Rechtsmeinung auch nicht den dortigen Geset­zen zuwiderlaufen. „In der Scharia gibt es zwei große Oberkategorien für Fatawa: Die erste betrifft die gesamte Umma und ihre Antwort beruht auf Qur’an und Hadith. Die zweite richtet sich nach den Regeln einer bestimmten Rechtsschule (Madh­hab), die dieser eigen sind. Auch wenn dies früher nicht der Fall war, sollten ­allgemeine Fatawa heute von mehreren Muftis oder Gelehrten geschrieben ­werden.“


Foto: Der Mufti von Belarus (2019) in der Moschee von Minsk. (Foto: Santos1992, Shutterstock)

Der Mufti

„Was heute gerne in der Internet-Realität unter dem rechtlichen Begriff des ‘Muftis’ verstanden wird, unterscheidet sich von der historischen Realität des Dar Al-Islam“, meint Dr. Yate. Mit anderen Worten, in jeder funktionierenden, realen muslimischen Gesellschaft, die selbstständig war und sich an Richtlinien des Mittleren Weges orientierte, habe der Mufti bestimmten Bedingungen unterlegen: „Der Mufti ist ein Mudschtahid. Das heißt, er hat den Rang eines Rechtsgelehrten (arab. Faqih) inne, der in der Lage ist, in einer Sache zu einem Urteil zu kommen, die bisher noch nicht entschieden wurde.“ Seine absolute Mindestanforderung bestehe darin, dass er sein Wissen von Angesicht zu Angesicht von anerkannten ‘Ulama genommen habe und, dass er „die ‘Bidaya’ von Ibn Ruschd Al-Hadidh gemeistert hat“.

Ein Mufti gehöre zu einer spezifischen Gemeinschaft und stehe im Verbund mit ihrer Führung; „mit dem Ergebnis, dass seine Entscheidung einen gemeinschaftlichen und sozialen Kontext hat. Auch wenn er unabhängig in seiner Entscheidungsfindung ist, sollte er natürlich zu einem Urteil kommen, dass zum ­Nutzen der Gemeinschaft ist“.
Malik del Pozo beschreibt die Eigenschaften, die jemand haben muss, der eine Fatwa gibt: „Er oder sie braucht tiefes Wissen vom Qur’an, der Hadithwissenschaft, der arabischen Sprache und den Rechtsschulen. Charakterlich muss er gerecht sein, verantwortungsbewusst handeln, vertrauenswürdig sein, intelligent und sich um eine Antwort bemühen. Der entsprechende Mufti muss die Lebensbedingungen des oder der Fragen­den kennen, die in der Suche nach Antwort zu ihm kommen. Das beinhaltet ihre Zeit, ihren Ort und die Frage, ob sie in der Lage sein wird, die Fatwa auch umzusetzen.“ Vielleicht etwas überraschend für Nichtkenner der Materie ist, dass laut Del Pozo auch Frauen Fatwas erstellen können.

Im Gegensatz zu anderen, westlichen Rechtssystemen bereitet eine Fatwa nicht den Boden für ähnliche zukünftige oder verwandte Fragen. Fragen zur gleichen Sache von unterschiedlichen Leuten können zu vollkommenen anderen Fatawa führen. Das heißt, diese Kategorie der Urteile betrifft nicht alle Muslime, sondern ist „persönlich oder optional“.

Das Urteil des Qadis

Im Gegensatz zur „Fatwa“, die in ­aller Munde ist, kommt dem Qadi, der fester Bestandteil der deutschen Sprache ist, und seinem Urteil (Qada oder Hukm) ein klar verbindlicher Rang zu. Der Qadi sei, so Dr. Asadullah Yate, in seiner Entscheidung nicht an die Meinung eines Muftis gebunden.

Die Entscheidung eines Qadi, Hukm, bezieht sich im Allgemeinen auf die klaren rechtlichen Vorschriften, die im Qur’an enthalten sind, oder die durch den Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, ausgedrückt wurden.

„Es gibt weitere Rechtsquellen für das Urteil eines Qadi“, so der Gelehrte: Vorschriften, die nicht unmit­telbar klar werden, solche, die durch erweiterte Bedeutungen unterstützt ­werden und die durch das Mittel des Analogieschlusses (arab. Qijas) aus Passagen im Qur’an oder vom Propheten abgeleitet werden können, der Gesamtkörper aller Regelungen, die von den ersten vier Khalifen und den frühen Generationen des Islam stammen, Vorschriften aus der Zeit nach den ersten drei Generationen, über die Einigkeit besteht, anerkannte Bräuche sowie neue Fatawa, die im Laufe der Zeit zu einem festen und anerkann­ten Bestandteil des islamischen Rechts wurden.

Laut Malik del Pozo stellt das Urteil eines Qadis – ebenso wie eine Fatwa – eine gemeinschaftliche Verpflichtung (Fard kifaja) für die gesamte muslimische Gemeinschaft dar. Kommt ihr ein Teil der Muslime nach, dann ist das nicht länger die Verantwortung des Restes. Wird diese Pflicht von niemandem erfüllt, dann hat die gesamte Gemeinschaft einen schwerwiegenden Fehler begangen.

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Muslime und das Klima: Zum Teil der Lösung werden

Glaubensgemeinschaften

„Während viele von ihnen – im subsaharischen Afrika, auf dem indischen Subkontinent oder in Südostasien – längst unter extremen Wetterereignissen leiden, tragen andere – wie die erdölproduzierenden Staaten sowie die aufstrebende, konsumwillige muslimische Mittelklasse – zu ihnen bei.“

(iz). Begleitet von Protesten ging am 12. November der UN-Klimagipfel in Glasgow (COP26) zu Ende. Während der Gipfel-Präsident zum Schluss die optimistische Losung „Wir können“ ausgab, zogen Hunderte Delegierte durch das Gebäude, die für „Klimagerechtigkeit“ demonstrierten. Muslime in Großbritannien, den USA oder Indonesien beschäftigen sich seit Längerem intensiver mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Wie enorm die Aufgabe ist, zeigte der Physiker Harald Lesch bei Markus Lanz. Laut Lesch herrsche in Sachen roher Energie, die für alle Prozesse nötig sei, eine Art „Fettleibigkeit“. Alleine mit neuen Technologien sei die Herausforderung nicht zu meistern.

Beim Ausstoß der klimaschädlichen Gase CO2 und Methan ist vom durch die Pandemie verursachten Rückgang nichts mehr zu spüren. Germanwatch geht davon aus, dass die „Werte von 2019“ in nächster Zeit wieder übertroffen werden. Insbesondere die 20 größten Industrienationen der G20 haben einen Riesenanteil an den Emissionen. Sie sind für rund 75 Prozent verantwortlich. Während klassische Industrienationen wie Italien, Frankreich, Großbritannien oder Deutschland sich ambitionierte Ziele gesetzt haben wie einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030, sind es Schwellenländer und klassische Kohlendioxid-Erzeuger, die gegenwärtige und zukünftige Zuwächse zu verantworten haben. Insbesondere in China und Indien ist eine für deutsche Verhältnisse unglaubliche Zahl neuer Kohlekraftwerke anvisiert.

Ungeachtet dessen, was in Glasgow beschlossen wurde und was gegen enorme Widerstände realisiert werden kann, zeigten sich Experten des Weltklimarates (IPCC) skeptisch. Nach Angaben der Fachzeitschrift „Nature“ vom August des Jahres seien rund 60 Prozent der befragten Forscher, dass sich die Erde in Relation zur vorindustriellen Periode bis Ende des Jahrhunderts um drei Grad erhöhen werde. Nur 20 Prozent waren optimistisch, dass eine Begrenzung auf zwei Grad möglich werde. Der Internationalen Energieagentur zufolge hätten die Glasgower Ankündigungen bei Einhaltung eine Erderwärmung von 1,8 Grad zur Folge. „Das ist ein großer Schritt nach vorne, aber es braucht noch viel mehr“, erklärte ihr Chef Birol.

Zur Dramatik und tatsächlichen Ungerechtigkeit der Klimakrise zählt, dass diejenigen, die historisch und aktuell am wenigsten zu ihr beitragen, den höchsten Preis bezahlen. Namentlich betrifft das Menschen in Afrika – insbesondere südlich der Sahara. Hier kam es in den letzten Jahren zu veränderten Klima- und Wettermustern, was zu weiteren Dürren, Hitzeperioden aber auch Sturmfluten und Überschwemmungen führte.

Die volatil werdenden Wetterereignisse bewirken nicht nur eine Zunahme von „Naturkatastrophen“, sie erschweren die Lebensgrundlage vieler Menschen. Namentlich erhöhen sie politische Unsicherheiten, Fluchtbewegungen, wirtschaftliche Verluste und insbesondere eine Abnahme der Lebensmittelsicherheit. Diesen Punkt sprach kürzlich der Leiter im Berliner Büro des Welternährungsprogramms (WFP), Dr. Martin Frick, an. Er warnte „vor den katastrophalen Folgen der Klimakrise für den Welthunger“. 811 Millionen Menschen litten bereits jetzt an Hunger. Wenn sich die Erderwärmung um zwei Grad erhöhe, rechnet das Welternährungsprogramm mit weiteren 189 Millionen Hungernden.

In einem Jahr, in dem in Teilen der Welt Rekordtemperaturen herrschten, sich ungewöhnliche Kälteeinbrüche ereigneten, das Ahrtal in Deutschland hinweggespült wurde, und manche Regionen zwischen Dürren und Fluten pendelten, gibt es keine global signifikante Gruppe, die nicht zugleich Akteure und Betroffene der Klimakrise sind. Hierzu zählen zahlreiche Muslime in aller Welt. Während viele von ihnen – im subsaharischen Afrika, auf dem indischen Subkontinent oder in Südostasien – längst unter extremen Wetterereignissen leiden, tragen andere – wie die erdölproduzierenden Staaten sowie die aufstrebende, konsumwillige muslimische Mittelklasse – zu ihnen bei. Es greift zu kurz, Angehörige von Religionsgemeinschaften ausschließlich in Kategorien wie „Opfer“ und „Täter“ zu sehen.

Nach Angaben einer Studie, die von Jens Koehrsen herausgegeben wurde, der unter anderem am Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik der Universität Basel arbeitet, gibt es wachsende Erkenntnisse zur Rolle von Religion im Verständnis von und der Herangehensweise zur Klimakrise. Obwohl Muslime die zweitgrößte Religionsgruppe weltweit sind, sei in der Vergangenheit nur wenig über ihre Positionen zum Klimawandel bekannt gewesen. Hier stecken Potenziale. So erfreuen sich religiöse Führer und Organisationen oft einer hohen Glaubwürdigkeit. Sie haben eine wichtige Stimme in Debatten und können durch ihre Netzwerke politische Entscheidungsprozesse beeinflussen. Darüber hinaus haben Institutionen finanzielle und organisatorische Ressourcen, die sie mobilisieren können, um eine Transformation in Richtung umweltfreundlicherer, nachhaltiger Gesellschaften anzustoßen. Religionswissenschaftler deuten einen interessanten Aspekt an: Sie sprechen von einem anhaltenden „Begrünungs“-Prozess bei Religionen. Damit meinen sie, dass religiöse Traditionen über die Zeit ökologisch bewusster und aktiver werden.

Muslime haben unterschiedliche Strategien im Umgang mit dem Phänomen entwickelt hätten. Eine derzeitige Minderheit engagiere sich in öffentlichen Kampagnen zur Aufklärung, wolle CO2-Minderungen durch sozio-technologische Anstrengungen und setze sich für eine Befragung der islamischen Lehre in Hinblick auf Klimafreundlichkeit ein. Eine zahlenmäßig größere Gruppe in verschiedenen Teilen der Welt betrachte die Erderwärmung als göttliche Reaktion und Strafe auf eigenes Fehlverhalten. Und schließlich ein kleineres Segment, welches in der Diskussion des Themas beteiligt ist, vermute im Klimaaktivismus ein „Komplott des Westens“.

Umfragewerte aus dem Jahre 2018 ergeben, dass eine Mehrheit muslimischer Verantwortungsträger in aller Welt den Klimawandel als wichtige soziale Herausforderung betrachten. Die Forscher befragten 150 einflussreiche Personen aus Nordafrika, dem Nahen Osten, der EU, den USA, Asien und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Jedoch würden anhaltende ökonomische Herausforderungen in mehrheitlich muslimischen Staaten und Armut die Bevölkerungen dazu treiben, auf Wachstum und Armutsreduktion und Armutsminderung zu setzen.

Muslimische Umweltaktivisten beziehen sich auf den Qur’an und die Sunna als Hauptquellen zur Entwicklung ökologischer Prinzipien. Damit schaffen sie eine Interpretation der Lehre und formulieren eine islamische Umweltethik. Dabei sind die Kernbegriffe durchaus nicht für alle gleich. Für die meisten von ihnen sind die Begriffe Tauhid und Khalifa aber bestimmend. Hinzukommen zwei weitere Konzepte: Mizan und Maslahah. Tauhid – die Einheit des Göttlichen – wird als Einheit von Schöpfung inklusive von Mensch und Natur gedeutet. Mizan – Gleichgewicht – steht für ein balanciertes Verhältnis aller Kreaturen. Khalifa – auf den Menschen bezogen – sieht den Menschen als Sachwalter Allahs auf Erden. Und Maslahah – Gemeinwohl – verweist auf Umsicht und Sorge für zukünftige Generationen.

Vielen in Umweltschutz und Klimagerechtigkeit aktiven MuslimInnen ist es längst nicht mehr genug, alleine auf die Quellenlage und mögliche Interpretationen für mehr Umweltbewusstsein bei den Gläubigen zu setzen. Dabei setzen sie auf ihre Reichweite in den Communitys, um verstärkt nach Innen für Aufklärung und Handeln zu sorgen.

Parallel zum Beginn des Glasgower Gipfels meldeten sich die führenden muslimischen Organisationen und Gelehrten Großbritanniens mit einer eindeutigen Erklärung zu Wort. „Wir müssen jetzt handeln, wenn wir sicherstellen wollen, dass wir künftigen Generationen eine lebenswerte Erde hinterlassen, und uns vom Qur’an und der Sunna leiten lassen, die uns den Weg weisen“, hieß es in dem Text. Solle nachhaltige Entwicklung irgendeine Chance zum Funktionieren zugunsten des ärmeren Teils der Menschheit haben, müssen „die Glücklicheren unter uns unsere Wirkungen“ auf die natürlichen Systeme der Erde reduzieren. Die Autoren folgen in ihrem Aufruf der wegweisenden „Islamischen Erklärung zum globalen Klimawandel“ aus dem Jahre 2015.

Muslime wollen jetzt handeln und das praktische Verhalten in Richtung Klimafreundlichkeit verändern. Der Veteran unter den Projekten ist die britische Islamic Foundation for Ecological and Environmental Sciences (IFEES), die vom Ehepaar Fazlun und Saba Khalid ins Leben gerufen wurde. Nach umfangreichen Jahren der Forschung hat die Stiftung in aller Welt lokale ökologische und klimafreundliche Projekte in Kooperation mit der Bevölkerung und religiösen Führern verwirklicht.

Sie haben eine neue Generation klimabewusster Umweltaktivisten in aller Welt inspiriert. Diese finden sich in der „Green Deen“-Bewegung aus den USA und Großbritannien, die Moscheen zeigt, wie man klimafreundlich Iftare organisieren kann. In Deutschland gibt es das Projekt NourEnergy, das unter anderem Religionsgemeinschaften dabei hilft, seine Gebäude und seinen Betrieb nachhaltig zu gestalten.

Die Anfänge sind gemacht und das nötige Fundament für ein klimafreundlicheres Verhalten gelegt. Jetzt stehen MuslimInnen in aller Welt vor der Aufgabe, ihre Existenz in der Welt entsprechend anzupassen.

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Nach Paris, Kyoto und Glasgow: Wie sieht der muslimische Diskurs beim Thema Klima und Umwelt aus?

Globale ökologische Trends belegen, dass wir vor Kipppunkten und unumkehrbaren Veränderungen der Umwelt und ihrer Fähigkeit, das menschliche Leben in all seinen Dimensionen zu unterstützen und zu erhalten, stehen. Dieser […]

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Anbetung darf keine Last sein

Produktivität kurzmeldungen

(About Islam). Wir leben in einer Welt, die von uns erwartet, immer unser Bestes zu geben. Und wir sollen so viel wie möglich arbeiten. Und wir müssen dies so gut […]

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Zwischen Asabijja und Imperium – zum SciFi-Klassiker „Dune“

Der Ruf von Frank Herberts „Dune“ geht dem Buch voraus. Es gilt allgemein als einer der größten Meilensteine in der Geschichte von Science-Fiction und wird ähnlich hoch angesehen wie Rossums […]

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Von Rassismus bis zur „Gefahr für den inneren Frieden“ – „Islam“ in den Wahlprogrammen

landtagswahlen Bundestagswahl

Den Islam behandeln die Parteien in ihren Wahlprogrammen sehr verschieden. Das linke Spektrum betont den Kampf gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit. Die AfD will Minarett und Muezzinruf verbieten.

Berlin (KNA/iz). Fast genau 60 Jahre vor der Bundestagswahl am 26. September begann mit dem deutsch-türkischen Anwerbeabkommen die muslimische Einwanderung. Inzwischen leben rund 5,5 Millionen Muslime in der Bundesrepublik und gehört der Umgang mit dem Islam zu den emotional aufgeladenen und politisch kontroversen Streitfragen.

Die Wahlprogramme der Parteien behandeln den Punkt entsprechend unterschiedlich. Einig sind sich alle Parteien außer der AfD aber offenbar darin, dass sie Rechtsextremismus und Hass auf Muslime für eine größere Gefahr halten als den politischen Islam und islamistischen Terror.

Die SPD, einst die klassische „Migrantenpartei“, geht auf den Islam als solchen gar nicht ein. Der Begriff kommt in ihrer Agenda nicht vor, einmal ist vom Kampf gegen Islamfeindlichkeit die Rede. Die Partei betont eine „humanitäre und solidarische Flüchtlingspolitik“ und das Vorgehen gegen Diskriminierung und populistische Hetze sowie die Verbesserung von Chancengleichheit.

Das SPD-Programm listet Hilfen und Maßnahmen auf, mit denen der Staat Migranten entgegenkommen sollte, etwa beim Familiennachzug. Erwartungen an die Integration von Muslimen nennt es nicht. Allgemein wird von „Pflichten“ gesprochen. „Dazu gehört, dass sich alle an Gesetze halten.“ Auch beim Blick auf religiösen Extremismus verzichtet die SPD auf eine Nennung des Islam. Eher vage heißt es: „Wo Religionsfreiheit missbraucht wird und in religiösen Fanatismus umschlägt, müssen staatliche Sicherheitsbehörden konsequent eingreifen.“

Auch das Programm der Union verurteilt Islamfeindlichkeit und Rassismus, nennt aber auch die andere Seite der Medaille: „Der Islamismus ist eine extremistische politische Ideologie“, heißt es dort. Die ideologische Basis der Radikalen und ausländische Geldgeber hinter Moscheegemeinden gelte es genauer in den Blick nehmen. Zur Integration erklärt sie: „Wir haben die Erwartung, dass die zu uns kommenden Menschen unsere Werte teilen, sich an unsere Gesetze halten und unsere Sprache sprechen.“ Kriminelle Parallelgesellschaften – Stichwort „Clans“ – seien ebenso zu bekämpfen wie Antisemitismus auch in migrantischen Milieus. Außerdem wollen CDU/CSU die Imamausbildung in Deutschland weiter fördern.

Dafür plädieren auch FDP und Grüne. „Langfristig geht es darum, den Bedarf der muslimischen Gemeinden an religiösem Personal durch in Deutschland ausgebildete Personen zu decken“, so das grüne Wahlprogramm. Das Ziel heißt „Einheit in Vielfalt“ und eine chancengerechte Einwanderungsgesellschaft, für die es ein eigenes Ministerium geben soll, das auch die Linke fordert. Die Grünen erklären sich „solidarisch“ mit Kritikern „von fundamentalistisch-politischen Kräften, wenn sie massiv bedroht werden“. Als einzige Partei kritisieren sie in ihrem Programm die weibliche Genitalverstümmelung, von der auch viele Musliminnen in Deutschland betroffen oder bedroht sind. Ihnen wollen die Grünen mehr staatliche Unterstützung geben.

Die Stärkung liberaler und progressiver Muslime will die FDP. Eine Forderung, die prominente Vertreter eines aufgeklärten Islam immer wieder stellen, um den Einfluss muslimischer Organisationen zu bremsen. Konkrete Ideen, wie man diese schwach organisierte Gruppe gesellschaftlich aufwerten kann, liefert die Partei nicht. Das Staatskirchenrecht will die FDP „zu einem Religionsverfassungsrecht weiterentwickeln“ und einen „passenden rechtlichen Status“ für alle Religionsgemeinschaften schaffen. Es fehlt aber wie bei allen Parteien an klaren Vorstellungen, wie man den höchst heterogenen Islam in Deutschland staatsrechtlich den Kirchen angleichen könnte.

Auch die Linke wirbt eher allgemein für eine „rechtliche Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“. Die Muslime sieht die Partei vor allem als Opfer von Rassismus und Diskriminierung, spricht aber auch vom Problem des religiösen Fundamentalismus. Die Rechte muslimischer Frauen erwähnen die Linken an einer Stelle explizit, nämlich im Zusammenhang mit dem Recht, das Kopftuch zu tragen.

Die AfD behandelt den Islam, dem sie ein ganzes Kapitel widmet, erwartungsgemäß als Gefahr für den inneren Frieden und notiert: „Es ist inakzeptabel, die Kritik am Islam durch den Vorwurf der ‘Islamophobie’ oder des ‘Rassismus’ zu unterdrücken.“ Gegen Minarett, Muezzinruf und Polygamie will sie schärfer vorgehen, die Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland gesetzlich verbieten. Zudem soll die staatliche Zusammenarbeit mit der aus Ankara gesteuerten Ditib beendet werden.

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Für Muslim:innen findet sich wenig in den Wahlprogrammen

Berlin (iz). Am 26. September sind die Wahlberechtigten in Deutschland zur Stimmabgabe bei den Wahlen zum neuen Bundestag aufgerufen. Mehr als die Hälfte der rund 4 bis 5,5 Millionen Muslim:innen im Lande sind stimmberechtigt (bei den unter 25-Jährigen sind es mehr).

Mangelnde Repräsentation

Allerdings sind sie in der Parteienlandschaft nicht zahlenmäßig repräsentiert. Das spiegelt sich in der minimalen Zahl muslimischer Mandatsträger auf Landes- und Bundesebene wider. Nach Angaben von Fabian Goldmann in einem aktuellen Beitrag für das Online-Medium „Eule“ (in unserer neuen Printausgabe erschienen) machen sie selbst unter Einbeziehung alevitischer Hintergründe nicht einmal ein Prozent der Abgeordneten im letzten Bundestag aus. Der muslimische Bevölkerungsanteil in Deutschland liegt derzeit bei rund 6,5 Prozent.

Diese vergleichsweise geringere Repräsentation korreliert mit einer ebenso niedrigeren Teilnahme bei Wahlen. Nach Angaben des Sachverständigenrates Integration und Migration war ihre Beteiligung um 21 Prozent geringer. Am niedrigsten ist sie mit 56 Prozent bei türkischstämmigen Wähler:innen.

Auf ein Problem im gegenwärtigen Verhältnis zwischen Muslim:innen – insbesondere praktizierenden – zu den Bundestagsparteien weist Goldmann ebenfalls hin. Der Journalist bezieht sich dabei auf eine Beobachtung des Hamburger Politikberaters Bülent Güven, wonach Muslim:innen „bestenfalls“ nur dann politisch Karriere machen könnten, wenn sie sich von ihrer Religion distanzierten. Dieser Haltung gegenüber erkennbar religiösen Menschen entsprechen verschiedene Vorgänge, bei denen solche Kandidat:innen auf lokaler und landespolitischer Ebene in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen durch öffentliche Anfeindungen machen mussten. Darüber hinaus berichteten parteipolitisch aktive Muslim:innen häufiger von internen Streitigkeiten.

Dabei sind die Voraussetzungen in Sachen Einstellung zur Demokratie so gut wie nie: 81 Prozent der muslimischen Bürger halten die Demokratie für die beste Staatsform, die Gesamtbevölkerung für nur 70 Prozent. Sie bewerten die Demokratie und das Funktionieren des politischen Systems in Deutschland positiver als der Durchschnitt des Landes. Das ging aus einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hervor.

Vor allem ein Objekt

Angesichts der mangelnden muslimischen Repräsentation in der politischen Landschaft des Landes sowie relevanter Aspekte der Wahlprogramme (siehe unten) fällt auf, dass Muslim:innen in diesem Land und ihre Religion für einen Großteil der Parteien hauptsächlich einen Objektcharakter hat. Sehr häufig wird über sie gesprochen, und nicht mit ihnen.

Beide Themen zählen für Fabian Goldmann „zu den Dauerbrennern deutscher Parteipolitik“. Allerdings nicht aus Interesse an ihnen als potenzielle Wähler- oder Mitglieder:innen. Vielmehr dienen sie den meisten Parteien im Bundestag als Projektionsfläche. Entweder, weil sie nach Goldmann „in den Programmen von CDU/CSU, FDP und AfD vor allem als Bedrohung“ fungieren, oder (zumindest meine Deutung), weil Muslim:innen als Objekt gesellschaftspolitischer Ansichten wie „Vielfalt“ oder „Integration“ gelten.

Trotz diverser Bekundungen zu „unseren Werten“ dürfte das auch demografische Gründe haben: Derzeit ist die Zahl der Muslim:innen mit deutscher Staatsbürgerschaft zu klein, um Wahlen auf Bundesebene relevant zu beeinflussen. Laut der Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020“, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz herausgegeben hat, leben derzeit etwa 5,5 Millionen Muslim:innen in Deutschland. Das entspricht 6,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. 47 Prozent besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft und machen damit 3,5 Prozent der 72 Millionen Staatsbürger aus.

Allgemeines zur Religionspolitik der Parteien

Im Juli 2018 veröffentlichte die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) einen langen Grundsatzartikel des Münsteraner Politikwissenschaftlers Ulrich Willems über die bundesdeutsche Religionspolitik. Er trägt den berechtigten Titel „Stiefkind Religionspolitik“. Spätestens seit der Wiedervereinigung sei Religionspolitik in der Bundesrepublik infolge der Pluralisierung der religiösen Landschaft mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. „Denn die Pluralisierung hat zu Forderungen nach gleichberechtigter Integration von religiösen Minderheiten in die religionspolitische Ordnung, vor allem von Muslimen, sowie nach stärkerer Berücksichtigung der Belange von Konfessionslosen geführt“, so Willems.

Dabei komme es zu „erheblichen Herausforderungen“, weil die Realisierung der Ansprüche neuer Minderheiten „und Konfessiosloser“ Änderungen von Vorschriften und Verwaltungspraktiken nötig mache. „So erfordern religiöse Bestattungsrituale wie etwa die im Islam übliche sarglose Bestattung Änderungen der Bestattungsgesetze der Bundesländer beziehungsweise von kommunalen Friedhofssatzungen.“

Grundsätzlich bekennen sich alle Parteien im Bundestag auf die eine oder andere Weise zur Religionsfreiheit. Große Unterschiede bestehen wenn es um Ausgestaltung und Verteidigung geht. Allerdings muss konstatiert werden, dass sie in Anbetracht der Länge der Programme kaum eine Rolle spielen. Von Unterschieden abgesehen gibt es wenige Visionen oder konkrete Vorschläge. Die einzige Ausnahme stellt die AfD (die hier ausgespart bleibt) dar. Bei ihr gibt es eine Reihe an Punkten; allerdings sind diese alle in Form von Dingen und Praktiken gehalten, welche die Blaubraunen Muslim:innen verbieten wollen. Positive Angebote kann sie nicht formulieren.

Um auf Willems zurückzukommen: Er bestätigt das Desinteresse der Parteien an Religionspolitik. „Es wird deutlich, dass die beiden großen Parteien, die die Regierungen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene dominieren, keine grundlegenden religionspolitischen Herausforderungen sehen. Die SPD zeigt freundliches Desinteresse an diesem Politikfeld, die Union plädiert für ein beherztes ‘Weiter so’.“

[Hinweis: In der vorliegenden Darstellung haben wir uns auf die Schlagworte Religion, Islam und Muslime beschränkt. Weitergehende integrations- und sozialpolitische Aspekte, die eine Reihe muslimischer Wähler:innen betreffen, haben wir aus Gründen von Klarheit und Platz weggelassen.]

SPD

Wie oben angedeutet fällt gerade bei den Sozialdemokraten auf, dass religionspolitische Aspekte in ihrem Wahlprogramm eigentlich nur auf der Ebene von Floskeln bleiben. Das verwundert in Hinblick auf Deutschlands Muslim:innen und ihre Religion insofern, als dass sich türkischstämmige Wähler:innen aus Gründen vergangener Loyalitäten überproportional häufig der SPD verbunden fühlten.

Auch im aktuellen Programm „Aus Respekt vor Deiner Zukunft“ sind Bezüge auf Religion und religiöse Wähler:innen echte Mangelware. Die Partei betont in ihrem „Zukunftspapier“ vor allem – und beinahe ausschließlich – Freiheit von Diskriminierung. So möchte man „nachdrücklich“ gegen jede Form von Hass vorgehen, worunter dann eben auch „Islamfeindlichkeit“ fällt. Darüber hinaus begrüßt die SPD „das Engagement von Religionsgemeinschaften und Kirchen“. Sie möchte weiterhin den interreligiösen Dialog fördern. Das einzige Mal, dass Muslim:innen namentlich erwähnt werden, sind gravierende Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Uiguren.

CDU/CSU

Als nominell christliches Parteienbündnis kann sich die Union ein Desinteresse an Religionspolitik wie das der SPD noch nicht leisten. Allerdings müssen interessierte Muslim:innen relevante Bezüge hier mit der Lupe suchen. Entsprechende Aspekte lassen sich in dem Unionspapier in drei Kategorien unterteilen: Sicherheitspolitik, grundsätzliche Bejahung von Religion als gesellschaftlichem Bestandteil sowie Ablehnung von Muslimfeindlichkeit. Man werde „Islamfeindlichkeit“ nicht in diesem Lande dulden, heißt es.

Ganz allgemein formuliert begrüßt das Unionspapier die Trennung von Staat und Religion bei gleichzeitiger Möglichkeit, dass Letztere „unsere Gesellschaft bereichert“. Konkret nennt es den Beitrag von Religionsgemeinschaften in der Corona-Pandemie. Die Union bestätigt das „bewährte Konzept des Religionsverfassungsrecht“. Nur auf dem Boden des Grundgesetzes könne es Religionsfreiheit geben.

Positiv bekennt sich das CDU/CSU-Wahlprogramm zum „essenziellen“ Religionsunterricht an Schulen. Und ebenso verstehe sie Religionsfreiheit „in einem positiven Sinne“. Als einzig wirklich handfesten Punkten will die Union, dass Imame in Deutschland auf Deutsch ausgebildet würden. „Das erleichtert die Integration.“

Soweit Muslim:innen und ihre Religion betroffen sind, spricht die Union viel konkreter, wenn es um das Thema „Islamismus“ geht. Dieser werde „mit der ganzen Härte des Rechtsstaates“ bekämpft. Hierzu heißt es: „Dieser Kampf gilt denen, die Hass und Gewalt schü- ren und eine islamistische Ordnung anstreben, in der es keine Gleichberechtigung von Mann und Frau, keine Meinungs- und Religionsfreiheit und auch keine Trennung von Re- ligion und Staat gibt. Er gilt denen, die unsere demokratische Grundordnung bekämpfen, das Existenzrecht Israels ablehnen, den inneren Frieden gefährden oder gegen Recht und Gesetz verstoßen.“

Man werde „dafür sorgen“, dass die ideologischen Grundlagen dieser Strömung detaillierter betrachtet würden. Hier wird die Union konkret: Sie will weder „Rückzugsräume“, noch Undurchsichtigkeit gegenüber ausländischen Spendern für einen Moscheebau in Deutschland. Ungeachtet der vergangenen Leistungen des Unionskandidaten Laschet setzt das Wahlprogramm der Christdemokraten ein bestehendes Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. In seiner ersten Version wurde die Einführung eines „Moschee-Registers“ gefordert, die nach verfassungsrechtlichen Bedenken wieder fallengelassen wurden.

Die CDU/CSU-Innenpolitiker beriefen sich in ihrem Vorstoß auf die umstrittene These, wonach mutmaßliche Anhänger:innen eines „legalistischen Islamismus“ versuchen würden, „eine islamische Ordnung“ (dpa) anzustreben. Dafür wolle der Arbeitskreis „mehr Grundlagenforschung“ sowie einen „Expertenkreis ‘Politischer Islamismus’“ im Bundesinnenministerium (BMI).

Die Grünen

Anders als bei den Noch-Volksparteien findet sich im grünen Bundestagswahlprogramm 2021 ein positives Bekenntnis zur muslimischen Existenz in Deutschland. „Muslimisches Leben in seiner ganzen Vielfalt gehört in Deutschland zu unserer gesellschaftlichen Realität.“ Gleichzeitig seien Muslim:innen besonders von struktureller Diskriminierung sowie von gewalttätigenden Übergriffen betroffen.

Daher fordern die Bündnisgrünen angesichts „fortdauernder Bedrohungen muslimischer Einrichtungen“ Präventionsprogramme sowie umfassende Schutzkonzepte. „Opfer müssen geschützt, beraten und gestärkt, die Ursachen verstärkt in den Blick genommen werden“. Der Staat dürfe keine Religion diskriminieren oder ungerechtfertigt bevorzugen.

Aus diesem Punkt formuliert die Partei eine aktive Forderung: Tatsächliche Gleichstellung setze eine rechtliche voraus. Daher unterstützen die Grünen Staatsverträge mit Religionsgemeinschaften. Allerdings unter bestimmten Bedingungen: Diese muslimischen Strukturen dürften „in keinerlei struktureller Abhängigkeit“ zu einem Staat, einer Partei oder politischen Bewegung stehen. Diese Einschränkung ist relevant, korreliert sie doch mit einer gewandelten grünen Haltung gegenüber bestehenden Strukturen der muslimischen Selbstorganisation wie den größten Moscheverband DITIB.

Wie die SPD halten die Grünen eine innerdeutsche Imamausbildung für „dringend notwendig“. Diese sei wichtig für „die eigenständige und selbstbewusste Religionsausübung von Muslim*innen“. Konkret fordern sie „islamisch-theologisch“ und „praxisorientierte Aus- und Weiterbildungsprogramme für Imam*innen und islamische Religionsbedienstete“. Bewerkstelligt werden soll das durch eine Zusammenarbeit mit bestehenden Einrichtungen für islamische Theologie.

Anzumerken am grünen Wahlprogramm ist, dass eine Erwähnung von Muslim:innen und ihrer Religion nicht unter einem Stichwort wie „Religionspolitk“ zu finden wäre, sondern in Hinblick auf Diskriminierung.

Die Linke

Im linken Wahlprogramm wird noch stärker als bei den Grünen auf Diskriminierung und Ausgrenzung unter anderem von Muslim:innen in Deutschland verwiesen. Als einzige der großen Parteien spricht das linke Bündnis von einem rechten Terror gegen „Menschen muslimischen Glaubens“ in Deutschland. Namentlich erwähnen sie die Anschläge von Hanau oder des NSU zu Beginn der 2000er Jahre.

Ausdrücklich spricht es sich für „flächendeckende Antidiskriminierungsstrategien“ aus. Benachteiligungen unter anderem aufgrund von Religion müssten abgebaut werden.

Die Linke will das „Recht auf Religionsfreiheit“ verteidigen, tritt dabei „für die institutionelle Trennung von Staat und Religion“ ein. Dieses Recht sei insbesondere ein Schutz für Minderheiten. Deswegen werde die Linke auch Muslim:innen verteidigen, wenn sie „wegen ihrer Religion diskriminiert werden“. Wie jede andere Form von Rassismus dürfe auch der antimuslimische „keinen Platz in der Gesellschaft“ haben. „Wir treten für die Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen mit den christlichen Kirchen ein.“

Insofern sich das linke Wahlprogramm mit Muslim:innen und ihrer Religion beschäftigt, tut es mehrheitlich in einem „negativen“ Sinne. Das heißt, die Linke spricht sich an vielen Aspekten gegen Diskriminierung und Ausgrenzung aus.

In Sachen positiver Aussagen hat die Linke etwas mehr als die Konkurrenz anzubieten. Sie spricht sich für eine Freiheit zu religiös motivierter Bekleidung und für entsprechende Rechte muslimischer Arbeitnehmerinnen aus. Darüber hinaus votiert sie für einen bekenntnisorientierten Unterricht, an dem sie sich „alle Religionsgemeinschaften“ beteiligen können. Die Partei ist gegen ein Verbot von Sakralbauten, fordert die „Einführung staatlich geschützter Feiertage für jüdische und muslimische Religionsgemeinschaften“ und tritt „für die rechtliche Gleichstellung“ aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein.

FDP

„Nie gab es mehr zu tun.“ Damit werben die Freien Demokraten für sich. Allerdings dürfte sich mancher sich in diesem Wahlkampf die Frage stellen, was es neben den vielen Gesichtern des Christian Lindners weiterhin an Inhalten gibt.

So dünn wie die programmatische FDP-Plattform in ihrem Gesamtumfang ist, so dünn ist sie auch in der Religionspolitik. Sucht man in den insgesamt 68 Seiten nach den Stichworten „Religion“, „Muslime“ und „Islam“ findet sich nur auf zwei Seiten etwas.

Wie nicht anders zu erwarten strebt die FDP eine „tolerante und weltoffene Gesellschaft“ an. Jeder solle ungeachtet seiner Religion frei leben und sich äußern zu können. Ausdrücklich will sich die Partei gegen „Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Homophobie“ stark machen. Islam- oder Muslimfeindlichkeit sehen die Liberalen nicht als nennenswertes Problem.

Ansonsten deckt sich der Großteil des restlichen Contents mit dem der Union. Was auch sinnig erscheint, favorisiert die FDP eine Koalition mit der CDU/CSU. Gefordert wird eine „gemeinsame Präventionsstrategie von Bund und Ländern gegen islamistische Radikalisierung“. So ließe sich „islamistische Radikalisierung verhindern und nachhaltig“ bekämpfen.

Immerhin: Die FDP will das Staatskirchenrecht hin zu einem „Religionsverfassungsrecht“ erweitern. Das solle allen Glaubensrichtungen „einen passenden rechtlichen Status“ bieten, sofern diese „das Gleichheitsgebot und die Glaubensvielfalt, die Grundrechte sowie die Selbstbestimmung ihrer Mitglieder anerkennen“. Namentlich wollen die Freien Demokraten das Gewicht „liberaler und progressiver Muslime“ erhöhen.

Abschließendes zum muslimischen Wähler

So wie es für die meisten anderen Stimmberechtigten gelten mag, so gibt es unter Muslim:innen kaum jemanden, auf den die Programme der im Bundestag vertretenen Parteien zugeschnitten sind. Die Qual der Wahl und die Abwägung aller Aspekte ihnen niemand abnehmen.

In den letzten Jahren gab es in der muslimischen Community zwei vorgetragene Argumente, warum eine Wahlbeteiligung abgelehnt wird. Zum einen sind da extreme Positionen wie die aus salafistischen Kreisen, wonach es Muslim:innen verboten sei, das aktive oder passive Wahlrecht in Deutschland wahrzunehmen. Begründet wurde das mit einem festen System, das sich aus den islamischen Quellen erschließen würde, und dass jede andere Ordnung des Teufels sei. Wie sie dann in einem ebensolchen Gemeinwesen leben können, lassen solche Stimmen unbeantwortet. Gelehrte und relevante Strukturen der muslimischen Selbstorganisation haben solche Meinungen in der Vergangenheit zurückgewiesen bzw. aktiv zur Teilnahme an den Wahlen aufgerufen.

Das zweite Argument ist wesentlich ernsthafter und bezieht sich auf das eingangs beschriebene Verhältnis von Parteien zu muslimischen Wähler:innen. Viele sind von der Politik und den Positionen der großen Parteien in der Bundesrepublik enttäuscht. Sie fühlen sich nicht wahr- und ernstgenommen, sehen viele ihrer Interessen nicht repräsentiert und monieren insbesondere bei der Union und FDP anti-muslimische Diskurse. Hinzukommt, dass speziell für viele türkischstämmige Wähler:innen die Grünen und die Linke wegen deren Haltung zur jetzigen türkischen Regierung und den Aussagen von Parteivertretern in der „Kurdenfrage“ unwählbar sind.

Mit einer Distanz gegenüber den sechs etablierten Parteien in der Republik sind sie nicht allein. Unter Nichtwählern finden sich viele ökonomisch abgehängte Menschen, welche die Hoffnung auf die Abbildung in der Parteienpolitik längst aufgegeben haben. Insofern kann man solch eine Haltung der Nichtteilnahme als politische Meinung wahrnehmen und als Votum für eine andere Politik.

Andere muslimische Aktivist:Innen verweisen darauf, dass auch andere gesellschaftliche Minderheiten jahrzehntelang „dicke Bretter“ bohren mussten, bis ihre Anliegen von der politischen Landschaft wahr- und ernstgenommen wurden.