
(iz). Bei „Hart aber fair“ ging es diesmal wieder worum? Natürlich um das Eine. Unter dem Titel „Islam ausgrenzen, Muslime integrieren – Kann das funktionieren?“ Eine Mehrheit der Gäste fand, […]
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(iz). Bei „Hart aber fair“ ging es diesmal wieder worum? Natürlich um das Eine. Unter dem Titel „Islam ausgrenzen, Muslime integrieren – Kann das funktionieren?“ Eine Mehrheit der Gäste fand, […]
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Es gibt eine Aussage von Saijiduna ‘Ali [dem vierten Khalif des Islams], wonach die ersten sieben Lebensjahre eines Kindes dem Spiel gewidmet sein sollten. In den nächsten sieben sollten sie […]
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(iz). Die Große Koalition steht. Wieder. Der 170-seitige Koalitionsvertrag gelangte über Medien an die Öffentlichkeit und wird aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. Nur wenigen scheint dabei aufzufallen, dass die Absätze bezüglich […]
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(iz). Wenn muslimische oder jüdische Verbraucher in den USA, Südafrika, England oder den Niederlanden Fleisch kaufen wollen, ist es Normalität, dass entweder gut sortierte Supermärkte oder spezialisierte Läden ihre Nachfrage problemlos befriedigen können. Und es ist durchaus kein exotisches Phänomen, wenn die südafrikanische Niederlassung einer deutschen Kette „Halal-Fleisch“ im Angebot hat, während sich der Mutterkonzern daheim aus Angst vor Protesten hütet, ähnliche Produkte anzubieten. Nicht nur mangelnde Angebote, auch die restriktiven deutschen Gesetze – in der EU in der Minderheit – sowie die chaotischen Verhältnisse auf den Lizenzierungsmarkt haben den Markt und die Regeln bisher einen Fleckenteppich bleiben lassen.
Über das Thema das Schlachtens, der entsprechenden religiösen Regeln bei Islam und Judentum sowie die Zustände bei der deutschen Lizenzierung von Halal-Lebensmitteln sprachen wir mit dem Islamischen Theologen Bilal Erkin. Bilal Erkin ist Doktorand und Mitarbeiter am Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück. Im Juli diesen Jahres sprach er in Sarajevo zum Thema „Schächten im Namen Gottes – Sonderrecht für Muslime?“.
Islamische Zeitung: Lieber Bilal Erkin, auch wenn es oft Teil erhitzter Debatten ist, was muss man sich unter dem „betäubungslosen Schlachten“vorstellen? Was sind dessen religiöse Grundlagen?
Bilal Erkin: Der Begriff „Schächten“ stammt aus dem jüdischen Wort „schechita“ und meint die rituelle Schlachtung von Tieren im Judentum nach definierten Regeln. In der heutigen Zeit versteht man darunter ein wenig verallgemeinert die religiös-rituelle Schlachtung von warmblütigen Tieren, egal in welcher Religion. Der kleine Unterschied zur heutigen Schlachtmethode ist die, dass das Tier vor der Schlachtung nicht betäubt werden darf. Im Judentum ist diese Voraussetzung unanfechtbar.
Da weder Qur’an, noch Sunna zur Betäubungsfrage Stellung beziehen, ist es unter den muslimischen Gelehrten der heutigen Zeit umstritten, ob die Betäubung als zwingende islamrechtliche Voraussetzung gesehen werden muss oder nicht, damit das geschlachtete Tier als rechtmäßig, sprich „halal“ gelten kann. Beim Schächten liegt die Gemeinsamkeit beider Religionen (Judentum und Islam) darin, dass das rückstandslose Ausbluten des Tieres garantiert und die drei großen Kanäle des Tieres (Luftröhre, Speiseröhre und Arterien am Hals) mit einem scharfen Gegenstand durchtrennt werden müssen. Andernfalls gilt das Fleisch als nicht verzehrbar (treefe oder haram).
Islamische Zeitung: Bei Muslimen herrscht manchmal die Vorstellung, Fleisch müsse mit einem Halal-Siegel versehen sein. Stimmt das?
Bilal Erkin: Es ist äußerst zu begrüßen und erfreulich, wenn gläubige Muslime darauf achten, was sie gemäß ihrer Religion verzehren dürfen oder nicht. Daher ist es nicht überraschend, dass viele Muslime in Lebensmittelläden oft auf die Verpackung schauen und in den Inhalten nach Zutaten suchen, die sie nicht verzehren dürfen. Viele Lebensmittelhersteller – auch nichtmuslimische – möchten ihren Kunden diese „Mühseligkeit“ ersparen und versehen ihre Produkte mit einem „halal“-Siegel, was aussagen soll, dass in jenem Produkt keine Zutat enthalten ist, die nach islamischem Glauben als unverzehrbar gilt. Beim Fleischkauf und -verkauf stoßen Metzger und Kunde auf dieselbe Problematik. Daher finden sich „halal“-Siegel auch auf Fleischprodukten.
Wie auch vorhin erwähnt, spalten sich die Meinungen bei der Frage, ob das Fleisch halal ist oder nicht, wenn es betäubt geschlachtet wird. Anders ausgedrückt, kann ein Fleisch für Person A halal sein, obwohl es betäubt geschlachtet ist, wobei es für Person B genau aus diesem Grund als unverzehrbar gilt. Viel wichtiger ist deshalb die Frage, wer diese halal-Zertifikate ausstellt und wie die theologischen Positionen dieser Zertifizierungsstellen zu Schächtfragen aussehen. Es kommt also nicht auf ein halal-Siegel an, sondern auf die Schlachtmethode und auf den Schlachter selbst.
Islamische Zeitung: Es gibt einige Regeln, die ein „humanes“ Schlachten ermöglichen sollen. Wie sehen diese aus? Was ist zu vermeiden?
Bilal Erkin: Zuerst sollte erwähnt werden, dass der Islam Tiere als Geschöpf Gottes sieht und auf ihre Rechte hinweist. Jeder Muslim ist verpflichtet, Tiere zu respektieren, ihre Rechte wahrzunehmen und sie gut zu behandeln. Somit ist die Qual oder das Foltern des Tieres strengstens untersagt. Daher fängt die humane Schlachtung schon bei der Tierhaltung an. Massentierhaltungen sind in diesem Sinne ebenso fragwürdig wie gentechnisch manipuliertes Futter, das zu Krankheiten führen kann. Das betäubungslose Schächten wird nun im Judentum seit über 2000 Jahren und im Islam seit über 1400 Jahren praktiziert. Diese Form wurde zu einer Zeit geboten, in der die Menschen Tiere auf verschiedenste inhumane Weise töteten, um sie zu verzehren.
Der Islam schreibt sehr streng vor, wie die Schlachtung vorzunehmen ist, damit das Tier dabei nicht leidet. So ist es von äußerster Bedeutung, dass das Messer haarscharf ist und keine Scharten aufweist. Weiterhin sollte das Tier vor der Schlachtung besänftigt werden, indem es gefüttert und sanft behandelt wird. Ebenso ist das Isolieren des zu schlachtenden Tieres von den übrigen Tieren vorgeschrieben, damit sie weder das ausfließende Blut sehen noch die Schreie während des Schlachtvorgangs hören.
Islamische Zeitung: Unter Muslimen herrscht Uneinigkeit, ob und in welchem Maße Betäubungsmethoden, die in Deutschland möglich sind, beim Schlachten eingesetzt werden dürfen. Wie sieht die derzeitige Debatte aus und worin bestehen die wichtigsten Meinungsunterschiede?
Bilal Erkin: Die Diskussion darüber, ob das Schlachten ohne Betäubung generell human ist oder nicht, ist keine neue. Fast dieselben Gegenargumente der heutigen Tierschützer finden sich im 19. und 20. Jahrhundert, als die Juden in Deutschland dieses Verfahren ausübten. Nun herrscht in Deutschland allgemein die Auffassung – und das ist gesetzlich festgeschrieben –, dass das Tier auf „humane“ Art und Weise geschlachtet werde, wenn es vorher betäubt wird.
Und das in jenem Deutschland, wo vor wenigen Jahren recht „inhumane“ Betäubungsmethoden angewandt wurden. Beispielsweise gab es die so genannte Bouterolle, eine Art Maske für das Großvieh, in der sich auf der Innenseite ein spitzer Hohlmeißel befand und dies mit einem Hammer vom Schlachter in das Gehirn des Tieres eingeführt wurde. Eine andere Methode war der Genickschlag, wo der Metzger mit einem harten Gegenstand auf das Genick des Tieres schlug, damit es bewusstlos wird.
Heute ist es laut Tierschutzgesetz nicht erlaubt, Tiere ohne vorherige Betäubung zu schlachten. Ausgenommen sind Religionsgemeinschaften, für die eine „zwingend notwendige religiöse Vorschrift“ zum betäubungslosen Schlachten besteht. Zugelassene Betäubungsmethoden sind das Bolzenschussgerät, bei dem ein munitionsgetriebener Bolzen mit Hochdruck in das Gehirn des Tieres eingeführt wird; die Elektrozange, mit der Strom (240 V) für zwei Sekunden durch das Gehirn des Tieres geleitet wird und die Wasserbadbetäubung bei Geflügel, wo die Tiere kopfüber durch ein Wasserbad gezogen werden, das an eine Stromquelle angeschlossen ist.
Unabhängig von den gegenteiligen Gutachten vieler Veterinäre und Mediziner, die versucht haben, das (un)betäubte Schlachten als „human“ oder „inhuman“ zu definieren und diese Aussage mit medizinischen Ergebnissen zu hinterlegen, sollte für uns Muslime eher bedeutender sein, was die Rechtsgelehrten zum Thema „Betäubung“ sagen. Gegner der Betäubung sehen das betäubungslose Schlachten als „wesentlichen Bestandteil der Religionsausübung“ und als „zwingend vorgeschrieben“ an. Dieser Position schlossen sich in der Vergangenheit Dr. Nadeem Elyas im Namen des Zentralrats der Muslime (ZMD), der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der europäische Fatwa-Rat (EFC) an. Aus islamwissenschaftlicher Sicht bestätigte Manfred Götz in einem Gutachten (1989), dass das Schlachten ohne Betäubung im islamischen Recht als absolut notwendig angesehen wird.
Muslimische Befürworter der Betäubung stützen sich meist alleinig auf ein Rechtsgutachten des ägyptischen Fatwa-Rates, der in einer Versammlung entschieden hat, dass moderne Betäubungsmethoden, bei denen das Tier nicht stirbt, religionsrechtlich erlaubt seien. Das Problem ist, dass viele Muslime nicht einmal von der Existenz solcher Rechtsgutachten wissen, aber auch die Schlachtmethoden in Deutschland nicht kennen. Ein „halal“-Siegel reicht ihnen meistens aus.
Islamische Zeitung: Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher „Richtlinien“, welches Fleisch als „halal“ deklariert wird. Was ist die Ursache für diese Unübersichtlichkeit?
Bilal Erkin: Wie vorhin auch erwähnt, gehen die Meinungsunterschiede zurück auf die Tatsache, dass weder der Qur’an noch die Sunna Informationen zu Betäubungsmethoden enthalten. Damit liegt die Entscheidung bei den Rechtsgelehrten, das heißt dem Gelehrtenkonsens (Idschma’). Da in diesem Punkt die Meinungen und Urteile der einzelnen Gelehrtenräte auseinandergehen, gibt es keine einheitliche Formel für die Problematik. Da das betäubte Schlachten in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben ist und das Beantragen einer Ausnahmeregelung mit sehr hohen Hürden verbunden ist, möchten viele Fleischereien diesen steinigen Weg nicht gehen und legen keinen großen Wert auf die Schlachtmethode. Eine für mich nicht nachvollziehbare, unverantwortliche und schockierende Tatsache. Dadurch wird es den Muslimen fast unmöglich gemacht, an Fleisch zu kommen, bei der das Tier unbetäubt geschächtet wurde.
Islamische Zeitung: Besteht die Uneinigkeit um die Schlachtmethoden auch darin, dass die Organisation der Lizenzierung bisher in Deutschland eher unglücklich verlief?
Bilal Erkin: In der Tat ist die Angelegenheit mit den Zertifizierungsstellen in Deutschland ein Skandal für sich. In Deutschland kann jeder ohne Probleme, eine halal-Zertifizierungsstelle gründen und betreiben. Auch wenn er nicht mal theologische Kompetenzen hat. So ist es nicht verwunderlich, wenn ein Maschinenbauer, der ein Ingenieurbüro betreibt, unter derselben Firma auch halal-Zertifizierungen ausstellt – gegen Geld. Inzwischen ist ein großer Absatzmarkt dadurch entstanden, wo auch nichtmuslimische Lebensmittelhersteller gerne auf solche Zertifizierer zurückgreifen, um ihre Produkte besser zu vermarkten und von der Konkurrenz abzuheben. Einer der Zertifizierer fordert sogar 2.700-3.600 Euro für die halal-Zertifizierung eines einzelnen Produkts für die Dauer von einem Jahr. Mehr als 20 Zertifizierungsstellen existieren in Deutschland. Bei den meisten sind die Kriterien für eine halal-Deklaration auf ihren Internetseiten nicht angegeben und somit intransparent.
Es gibt fast keinen Zertifizierer, der angibt, dass er die Betäubung ablehnt. Allerdings muss man dazu sagen, dass es in Deutschland keine höhere Instanz oder Einrichtung gibt, die diese Zertifizierer überwachen, verifizieren und qualitätssichern, sodass kein Zertifizierer selbstständig handelt und dabei willkürlich ist. Es wäre wünschenswert und ein möglicher Lösungsansatz, wenn muslimische Verbandsbündnisse wie der Koordinationsrat der Muslime, sich auf einen Kriterienkatalog für halal-Deklarierungen einigen und eine unabhängige Organisation gründen, mit der zentral die Zertifizierer beobachtet und gegebenenfalls auch abgemahnt werden können.
Islamische Zeitung: Sehen Sie die zukünftige Option, dass die rechtliche Lage – vielleicht im europäischen Kontext – sich auch für die Muslime wird verbessern können? Welche Rolle hätte das vom Schlachter Rüstem Altinküpe angefangene Verfahren?
Bilal Erkin: Die europäische Rechtslage ist in dieser Frage viel liberaler. In Nachbarländern wie Belgien schächten Muslime seit Jahren ohne Probleme. Das zeigt, dass die Frage nach der „humanen“ Schlachtmethode unterschiedlich bewertet wird. In Deutschland ist das Schächten im Rahmen einer Ausnahmeregelung generell erlaubt, so lange man die Voraussetzungen der einzelnen Landesbehörden einhält. Die Unerfahrenheit der Metzger, das hohe Risiko, keine Genehmigung zu bekommen und auf den Kosten sitzen zu bleiben, schreckt die muslimischen Fleischereien ab. Viele lassen sich ihr Fleisch daher aus Nachbarländern importieren.
Auch mit sehr viel Mühe und der Erfüllung aller Voraussetzungen kommt es vor, dass eine Genehmigung vom Amtsgericht oder Landgericht nicht erteilt werden kann. Oft argumentieren die Gerichte mit völlig kreativen Gesetzen, die nicht unmittelbar mit der Schlachtmethode zu tun haben. Herr Altinküpe erlebt es seit vielen Jahren selbst. Obwohl er sich bis zum Bundesverfassungsgericht durchgeschlagen hat und durch diesen Prozess alle vorherigen Entscheidungen aufgehoben und ihm die Ausnahmeregelung gewährt wurde, passiert es, dass zuständige Behörden und Gerichte der ersten Instanz Herrn Altinküpe dennoch keine Genehmigung erteilen. Heute hat er zwar eine Ausnahmegenehmigung, doch die Garantie für eine Fortdauer im nächsten Jahr hat er nicht.
Die rechtliche Lage in Deutschland kann insofern verbessert werden, wenn sich muslimische Organisationen zu Wort melden und ihre Positionen zu diesem Thema offen und transparent darlegen. Ich schlage daher die Gründung einer „zentralen muslimischen Beratungsstelle für Schächtangelegenheiten“ vor. Dieser kann beispielsweise ein Konzept für muslimische Metzger erstellen, die eine Fleischerei betreiben wollen, die technisch und hygienisch mit den Vorgaben der Behörden übereinstimmen. Durch persönliche Beratung kann der erfolgreiche Antrag für eine Ausnahmeregelung unterstützt und im Problemfall geholfen werden.
Islamische Zeitung: Lieber Bilal Erkin, vielen Dank für das Interview. (erstmals 2013 erschienen)
(iz). Beim Schauen der Olympischen Spiele 2016 in Rio fragt sich manch ein Zuschauer, was es mit den rötlichen Abdrücken auf den Körpern einiger Athleten auf sich hat. Besonders deutlich […]
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(iz). Neben der lautstarken politischen Diskussion rund um den Islam fallen oft subtilere Aspekte unter den Tisch. Die innerislamische Auseinandersetzung mit und Reflexion der Errungenschaften moderner Wissenschaften gehört sicher dazu.
Die Islamische Zeitung wollte einen Denkanstoss wagen und durfte den Wissenschaftshistoriker und -publizisten Prof. Dr. Ernst Peter Fischer zum Thema befragen. Professor Fischer ist Autor zahlreicher Bücher und war über Jahre Herausgeber des „Mannheimer Forums“, eines umfangreichen und hochinteressanten naturwissenschaftlichen Jahrbuchs, in der Nachfolge dessen Begründers, Hoimar von Ditfurth.
Islamische Zeitung: Wir leben einerseits in einer Zeit der exzessiven Nutzbarmachung von Energien und Ressourcen und zum anderen der Beobachtung und Einordnung aller gewonnenen Information. Dieses Strukturgebende wird nach Rudolf Clausius als „Entropie“ bezeichnet und in der Physik als „freie Energie“ verstanden, die in Arbeit und Bewegung umgesetzt werden kann. Welche Auswirkung denken Sie, hat dieses immer rasanter betriebene Sammeln von Informationen und das Einteilen in ja/nein, entweder/oder – Optionen auf den Menschen und die Gesellschaft in der wir leben?
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Eine gute Frage, die Sie genauso gut einem Soziologen oder Politikwissenschaftler stellen könnten. Mein Verdacht ist: Wir sammeln Informationen, um Sicherheit zu haben, wir wollen wissen, was passiert. Ein Grundphänomen des Menschen ist, dass er gerne die Zukunft kennen, für die Zukunft planen möchte. Astronomie zum Beispiel, wurde seit der Antike nicht betrieben, um die Sterne zu erklären, sondern dazu, herauszufinden, was sie einem sagen – und Horoskope machen wir ja heute noch. Früher fragte man: Was steht in den Sternen? Heute fragen die Genetiker: Was steht in den Genen? Wir wollen immer mehr wissen, um eine „überraschungsfreie Zukunft“ zu bekommen. Das Kuriose ist nur, dass es ein Paradox gibt, welches verhindert, dass wir jemals mithilfe von Wissen die Zukunft wissen. Denn – das Leben, das wir führen, hängt ja von dem Wissen ab, das wir haben! Das heißt, auch in Zukunft hängt das Leben, das wir führen, von dem Wissen ab, das wir in Zukunft haben.
Nun kann ich alles Mögliche wissen, nur eines nicht, nämlich das, was ich in Zukunft weiß, dann wüsste ich es ja schon. Dadurch, dass ich in keinem Fall wissen kann, was ich in Zukunft weiß, wird das Leben, das vom Wissen abhängt, immer unsicherer, je mehr ich weiß. Dieses merkwürdige Paradox bedeutet für mich, dass man gelassen sein kann! Ich persönlich freue mich, dass die Zukunft da ist, offen ist – wobei das Rätsel für mich ist, ob die Zukunft schon da ist und ob wir in sie hineingehen, wie in ein Zimmer, oder ob die Zukunft dadurch entsteht, dass wir einfach vorangehen. Aber das ist jetzt eine andere Frage.
Ich bin ein Verfechter der Offenheit, fühle mich am wohlsten, wenn ich weiß, etwas ist offen, man kann es gestalten, man kann sich etwas einfallen lassen. Ich möchte keine Vorschriften haben, nach denen ich agieren kann. Ich brauche natürlich Hilfestellung, benutze hier gerne die Metapher des Bildes: Ein Bild, das Sie malen, möchten Sie gerne „offen malen“, Sie möchten das Bild ja „erfinden“. Aber es ist nur dann ein Bild, wenn es einen Rahmen gibt. Der Rahmen kann Familie sein, kann Ihr Geburtsland, kann Glaube, eine Gemeinschaft sein. Wir geben uns alle einen Rahmen vor. Aber in dem Rahmen möchten wir eine offene Leinwand haben, die wir bemalen können mit unserem Leben. Und ich glaube, Menschen könnten gar keine geschlossene Zukunftsvorhersage ertragen. Natürlich möchte man sich absichern, aber das ist nur der Rahmen – das Bild selbst muss offen bleiben.
Islamische Zeitung: Sie bezeichnen die Entropie als „Vorratskammer des Möglichen“, durch welche die Zeit eine Richtung bekommt – welche Rolle spielt diese?
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Es gibt offenbar eine Größe, die immer wächst und durch die Zeit eine Richtung bekommt. Aber das ist nur lokal. Ich glaube, dass es Bereiche gibt, in denen die Entropie auch abnehmen kann, aber im Gesamtsystem der Erde zum Beispiel muss sie zunehmen. Das heißt, wenn Sie jetzt hier Ordnung schaffen, dann hat die Entropie hier deutlich abgenommen, aber natürlich nicht auf der ganzen Welt. Die Entropie ist eine schwierige Größe, sobald ein bewusstes Wesen dazukommt und sich da einmischt. Es gab im 19. Jahrhundert einen Physiker, Maxwell, der hat sich einen „Teufel“ ausgedacht; er hat sich überlegt, wenn dieser Teufel operieren könnte, so dass die Entropie nicht maximiert wird, was würde das bedeuten. Er stellt sich vor, er sitzt in der Mitte zwischen zwei Gefäßen – im einen ist heiße, im anderen kalte Luft –, und er sorgt dafür, dass die Energie vom kalten Bereich übergeht in den heißen Bereich, sodass der heiße Bereich heißer und der kalte Bereich kälter wird. Im Normalfall würde es ja ausgeglichen werden – die heiße und kalte Luft würden zusammenkommen und warm werden. Und das ist der Hauptsatz der Thermodynamik, die besagt, es geht nur in diese Richtung.
Nun ist die Frage, wenn so ein Teufel da sitzen und es anders machen würde, was würde das bedeuten. Der Witz an der Sache ist, der Teufel muss sehr klein sein, da er die Moleküle ja messen muss. Und er muss, um etwas über diese Moleküle zu wissen, Informationen haben. Wenn er aber Informationen in dem Umfang hat, in dem er sie braucht, dann kann er nicht so klein sein, dass man ihn nicht mehr berücksichtigt. Er muss also irgendwann sein Wissen vergessen, löschen. Und beim Löschen gerät er ganz durcheinander, so dass der eigentliche Effekt, den er hatte, aufgehoben wird. So dass nun wieder der zweite Hauptsatz gilt…
Man kann lokal Inseln der Ordnung finden: Das nennt man dann einen Garten, oder eine Gemeinschaft, oder ein aufgeräumtes Kinderzimmer. Hier müssen Sie immer Bewusstsein und Informationen einsetzen. Wenn Sie aber diese Informationen in die physikalischen Gesetze „stopfen“ wollen, dann wird es schwieriger, weil man diese physikalischen Gesetze noch nicht kennt. Sie machen ja ein Experiment: Sie entnehmen einem System Information, aber diese Information ist in den Gesetzen, die sie benutzen nicht enthalten. Das ist eine komische Sache! Ich glaube nämlich, dass die Physik nochmals neu geschrieben wird, und das hat auch damit zu tun, dass wir etwas lernen müssen, was wir immer noch nicht ganz verstanden haben: Wir denken immer noch, dass Physik die Beschreibung der Natur ist. Ist sie aber nicht! Physik ist die Beschreibung unseres Wissens von der Natur – und das ist ganz was anderes!
Islamische Zeitung: Könnte man sagen, dass dieser „Teufel/Dämon“ der Mensch ist, dass der Mensch eben das tut, was dieser Dämon tut?
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Na klar, wir sortieren. Wir sitzen da und möchten gerne Ordnung schaffen. Die Situation kann man sich in allem vorstellen. Man kann sich das am Beispiel reiches Land – armes Land vorstellen. Sie lassen sozusagen immer nur die Reichen in das reiche Land und die Armen in das arme Land. Normalerweise würde sich das ausgleichen, aber das verhindern wir. Unsere Gesetzgebung, unsere Migrationsregeln verhindern das. Dasselbe mit dem Geldfluss – hier sind die Reichen, da fließt viel Geld, die Armen haben kaum Geld. Man würde glauben, das gleicht sich aus, tut es aber nicht; die Reichen werden reicher und die Armen werden ärmer, da stimmt auch irgendetwas nicht „mit der Physik“. Aber ich würde auch nicht erwarten, dass es eine soziale Physik des Geldes gibt.
Islamische Zeitung: Unser Geldsystem ist ja so aufgebaut, dass wir ein möglichst großes Repertoire an Möglichkeiten generieren können, wir schöpfen Geld aus dem Nichts und schlagen Zinsen drauf. Das heißt, die Möglichkeiten entfalten sich rasant.
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Ich persönlich bin kein Ökonom. Ich verstehe das Finanzsystem nicht. Ich verstehe aber ein paar uralte Gedanken der Menschheit und was ich glaube ist, dass die Ökonomie ein alchemistisches System ist. In der Alchemie gab es den Stein der Weisen. Mit diesem Stein der Weisen konnten Sie alles machen und er veränderte sich nicht. Diesen Stein nennt man heute Kapital. Ich glaube, dass der Wirtschaftsprozess ein alchemistischer Prozess ist, der irgendwann an sein Ende kommen wird. Ich würde das jetzt nicht voraussagen aber ich glaube, dass man vieles von dem, was ökonomisch passiert, nur im Sinne des Glaubens der Alchemisten verstehen kann: Verwandlung durch Kapital! Aber das ist ein ganz großes anderes Thema.
Islamische Zeitung: Es ist trotzdem sehr interessant, Ihren Gedanken zu folgen. Können Sie diese Parallele der Idee des Kapitals zur alchemistischen Vorstellung näher erläutern?
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Die frühen Alchemisten hatten ja, ganz allgemein ausgedrückt, die Vorstellung der Transformation des Unedlen zum Edlen. Gott habe zwar die Welt geschaffen hat, aber es sei die Aufgabe des Menschen, diese Welt zu perfektionieren. Gott hat eine Erde geschaffen, auf der Menschen dafür sorgen können, dass das Paradies entsteht. Das ist sowieso der Grundgedanke, auch später bei der Evolution bei Darwin. Da wird ja Gott nicht abgeschafft, sondern Gott wird als jemand gesehen, der die Menschen so macht, damit diese die Welt gestalten können. Gott macht die Tiere so, dass sie sich selbst entwickeln können. Er hat die Natur so eingerichtet, dass sie sich selbst „machen“ kann. Das ist eine mögliche Sichtweise.
Die Alchemisten sind auch der Meinung, dass in den Dingen das Gute da ist und dass es nur „rausgeholt“ werden muss. Das nennt man heute Pädagogik. Sie glauben, dass das Wissen in den Kindern ist und sie holen es nur heraus. Es ist immer die Frage, ob im Menschen nur das Gute drin ist. Es gibt auch die Gegenposition des großen Philosophen Immanuel Kant, dass das eigentliche, das Radikale im Menschen, das Böse sei und zwar, weil Kant ein extremer Denker der Freiheit ist.
Wenn Sie als Mensch wirklich frei sind, dann sind Sie auch frei, das Böse zu tun. Wer hindert Sie daran? Ihr Gewissen. Aber wo kommt Ihr Gewissen her? Das ist wieder eine andere Frage. Also, wo immer Sie hinschauen, sie haben eine Antwort mit einer neuen Frage und das nenne ich das offene System des Diskurses – das beruhigt mich ungemein. Der Mensch sieht immer eine Grenze, will darüber hinaus – und dahinter ist nur die nächste Grenze. Aber ein Wille hört nicht auf, an diese Grenze zu kommen. Der Wille des Menschen ist unbegrenzt.
Islamische Zeitung: Wir sehen ja heute einen Berg von Antworten vor uns und es scheint, dass durch die vielen Antworten, die wir uns schon geschaffen haben, das Fragestellen gewissermaßen „aus der Mode gekommen“ sei.
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Ja, wir geben nur Antworten! Ich habe darüber einen Aufsatz geschrieben: „Wie viele Antworten hat eine Frage?“ Das Kuriose ist, dass wir in einer Kultur leben, die eigentlich vom Fragen lebt – Sokrates in der europäischen Denktradition. Ich weiß jetzt nicht, wie andere Kulturen das angegangen sind, aber klar ist, dass in der Europäischen Kultur das Fragen eine Rolle spielt. Was ist Gerechtigkeit, was ist eine Tugend, wie soll der Mensch leben, wem soll er gehorchen? Das sind alles Fragen die jeder für sich beantwortet, aus Lebenserfahrung, aus Freundschaft…
Nur in der Praxis, in der Öffentlichkeit, nennen wir es mal in der politischen Öffentlichkeit, wählen wir nie Leute, die Fragen stellen, sondern nur Leute, die Antworten geben. Also der Politiker weiß genau, wie er die Inflation bekämpft, weiß genau, wie er das Problem mit der Ukraine löst, weiß genau, welche Waffen wir nach Syrien liefern, das wissen die alle ganz genau – und ich verstehe das nicht…(lacht). Aber Sie möchten natürlich keinen Politiker haben, der keine Ahnung hat. Das Ideal des starken Mannes…
Merkwürdiges Paradox auch hier: es gibt dieses schöne Gedicht von Erich Kästner: „Die Fragen sind es, aus denen das, was bleibt, entsteht, denk an die Frage deines Kindes ‘was tut der Wind, wenn er nicht weht’?“ Also, wir können immer nur Fragen stellen, auf Geheimnisse stoßen und durch das Fragen stellen ein Gefühl für das Geheimnisvolle der Welt, die uns umgibt, bekommen. Nach Albert Einstein ist das Gefühl für das Geheimnisvolle das Schönste, was der Mensch erleben kann. Wenn er das erlebt hat, dann hat er das Bedürfnis, Kunst und Wissenschaft zu betreiben. Ich glaube, dass das eine gute Charakterisierung einer menschlichen Ur-Eigenschaft ist. Also immer staunen. Was mich ärgert an der modernen Publizistik ist, dass die einem dieses Gefühl für das Geheimnisvolle nimmt! Es heißt immer, das hat man gemessen, jetzt verstehen wir, wie das und jenes entsteht – nichts verstehen wir! Man ist nicht mehr ganz so hilflos wie vorher. Aber man ist doch nur sozusagen wieder mit einem neuen Geheimnis konfrontiert. Es wäre mir lieber, wenn man das, auch den Schülern, vermitteln würde. Das Gefühl für das Geheimnisvolle.
Islamische Zeitung: Mir tritt immer wieder das Bild vom Dämon vor Augen, der sich aufbläht und aufbläht und irgendwann muss er sich zitternd ergeben…
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Ja, der muss immer größer werden, weil er immer mehr Informationen braucht und wenn er sie vergessen will, dann braucht er so viel Energie, dass er anfängt zu zittern und seine Aufgabe nicht mehr erfüllen kann. Also, vergessen ist nicht umsonst. Ganz strikt physikalisch gibt es einen Preis des Vergessens und wenn man ihn bezahlt, kommt die ganze Kraft der Entropie wieder zum Vorschein, welche die Zeit in eine bestimmte Richtung treibt. Sie können bei jedem Satz sagen, der vernünftig und die Welt als abgeschlossen erklärt, dass in ihm eine Lücke ist, wo das Geheimnis reinkommt. In jedem Satz, der abgeschlossen zu sein scheint, der die Welt zu erklären scheint, ist ein „Loch“ wo das Geheimnisvolle sofort wieder da ist. Sie können die Metapher des Zimmers nehmen, sie können es abschließen aber das Schlüsselloch bleibt offen. Sie können sagen, „die Welt besteht aus Atomen“. Nur müssen Sie mir dann erklären, was ein Atom ist. Mich beruhigt das; manche Leute möchten alles abgeschlossen und fertig haben, aber das wäre das Schlimmste, was einem passieren kann.
Islamische Zeitung: Nicht zuletzt, wenn man die politische Welt betrachtet und sieht, wie katastrophal dieses exzessive Urteilen, Polarisieren und Besserwissen sich auswirkt und was es gerade im religiösen Bereich bewirkt, der ja das spirituelle, paradoxe und geheimnisvolle beinhalten, würdigen und hüten sollte.
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Ich bin mit Religion nicht so vertraut. Aber ich versuche immer, das Ursprungswort „Religion“ zu verstehen. Das ist die Rückbindung. Das ist auch das Erlebnis, das die Wissenschaft hat, durch das sie ein religiöses Erlebnis haben kann. In der Wissenschaft ist die große Leistung gewesen, dass das Subjekt das erkennt. Sich getrennt hat von dem Objekt, das er erkennt. Also das „Ich“ tritt aus der Welt heraus und tritt ihr gegenüber, will diese Welt beschreiben und in der Beschreibung komme ich nicht vor.
Und was wir am Schluss in der Quantenphysik gemerkt haben: das geht nicht! Ich muss in der Beschreibung drin bleiben, ich kann mich nicht aus der Welt „herausnehmen“! Das heißt, beim Nachdenken über die Welt merke ich, wie ich an die Welt gebunden bin – und das ist Religion. Also der Wissenschaftler ist eigentlich der religiöse Mensch. Das hat Max Planck ausgedrückt. Max Planck hat gesagt, es gibt zwei verschiedene Arten von Menschen: Den wissenschaftlichen und den religiösen. Der Unterschied besteht darin, dass der religiöse Mensch am Anfang bei Gott ist und der wissenschaftliche am Ende zu Gott findet…(lacht). Wenn das Religion ist, dann bin ich religiös, weil ich sehe, dass ich durch mein Nachdenken über die Welt an die Welt zurückgebunden werde und die Welt ein Wunder ist. Das ist schön und da fühle ich mich übrigens geborgen darin. Ich komme da nicht raus, ich komme immer wieder zurück.
Das haben die Romantiker schön ausgedrückt. Bei Novalis heißt es: Wo gehen wir denn hin – immer nur nach Hause! Und das wissen Sie ja auch, Sie können hingehen, wo sie wollen, auf den Himalaya oder auf die Malediven, nach LA – Sie sind immer nur bei sich selbst, Sie finden immer nur sich selbst und das Eigentliche, was Sie suchen ist ja, wer Sie selbst eigentlich sind.
Islamische Zeitung: Man kann sich als nächstes die Frage stellen, warum bin ich denn in die Welt gekommen. Darauf kann man die Antwort geben, dass dieser Ursprung Gott ist.
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Es gibt halt Fragen, die man nicht beantworten kann. Wenn Sie so fragen, setzen Sie einen Nullpunkt, einen Anfang voraus, der mit einem sinnvollen Eingreifen dafür gesorgt hat, dass ich jetzt hier sitze. Dann ist das Hier sein von Ihnen sozusagen der Endpunkt, Ihre Schöpfung ist der Anfangspunkt. Das ist aber ein einseitiges Verständnis von Zeit. Dann nämlich setzen Sie voraus, dass die Zeit geradlinig nach vorne verläuft, das muss aber nicht sein. Es könnte ja sein, dass die Zeit zyklisch verläuft und Sie sind nur deshalb hier, „weil jeder mal drankommt“.
Islamische Zeitung: Ich sehe „mich“ schon nicht als das Endpunkt. Im Islam heißt es: Gott hat die Welt geschaffen, um erkannt zu werden.
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Im Westen sagt man, die Natur hat den Menschen erschaffen, um von ihm erkannt zu werden. In unserer Gestalt „erkennt die Natur sich selbst“ es ist eine ähnliche Formulierung. Nur sage ich nicht Gott sondern „die Natur“. Das ist ja zunächst mal nur ein Wort – aber das stimmt überein. Ich glaube auch, dass der Mensch sich dadurch feiern kann, dass er die Natur ist, die in der Lage ist, sich selbst zu erkennen. Aber daraus folgere ich nicht, dass ich Gott bin…. Und jetzt bin ich wieder für das Offene…denn irgendwie klappt das ja nicht. Wir erkennen uns nicht, suchen ja nur immer weiter. Wir geben uns immer nur Mühe… wir sind sozusagen der „Gott der ewig sucht“ und der andere Gott ist der, der schon fertig ist, und wartet, dass wir das merken… Sie haben noch Fragen?!
Islamische Zeitung: Sehen Sie eine Möglichkeit, die Pole des Männlich-/ Weiblichen sozusagen quantenphysikalisch zuzuordnen?
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Männlich – weiblich? Quantenphysikalisch…? (Denkt nach…) Also meinen Sie Welle-Teilchen, der Mann ist das Teilchen, die Frau die Welle? Das könnte sein…
Islamische Zeitung: Das könnte sein…! Vielleicht sage ich Ihnen, wie ich auf die Frage komme. Ich gehe davon aus, dass heutzutage das männlich-einteilende, strukturorientierte Denken in einem ungesunden Übergewicht im Verhältnis zum weiblichen Element ist…
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Es gibt Annahmen, Vermutungen, dass die Wissenschaft ein Produkt männlichen Denkens ist, weil es ja auch ein Herrschaftsdenken ist. Die Idee der Wissenschaft ist, das Gesetz zu finden, mit dem ich die Natur beherrsche. Und ich denke mir, dass Frauen gar nicht danach suchen würden. Frauen würden danach fragen, mit der Natur in Einklang zu leben. Männer suchen nach Hierarchie und Frauen versuchen eher, ein Team zu organisieren, durch Gespräche zurechtzukommen. Dann wären also Frauen der Wellencharakter und der männliche Teil wäre der „harte Teilchencharakter“ – von mir aus kann man das so sehen, ich habe da noch nicht darüber nachgedacht. Und die sind komplementär. Das würde aber bedeuten, dass die Entscheidung, ob etwas männlich oder weiblich ist, nicht vom Objekt selbst abhängt sondern vom Beobachter, denn das Elektron ist ja unabhängig davon, es ist manchmal Welle, manchmal Teilchen. Was ich vom Elektron erfahre, hängt von der Fragestellung ab.
Islamische Zeitung: Interessanter Gedanke…
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Und wenn die Antwort von der Fragestellung abhängt, vom Interesse und der Neugierde – das stelle ich mir wieder eher weiblich vor. Wenn ich versuchen würde, den Unterschied zwischen Männern und Frauen einfach zu charakterisieren, ich glaube, dann wollen Männer immer eine Auskunft haben, Frauen wollen immer ein Gespräch anfangen.
Islamische Zeitung: ja, das ist so, tendenziell….
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Ein wissenschaftliches Experiment ist im Grunde männlich: ich will eine Auskunft haben, bist Du da oder nicht? Wie schnell bist Du? Wie schwer bist Du? Und Frauen würden denken, dass das Objekt dann antwortet und ich anschließend mit ihm in ein Gespräch trete. Das ist sozusagen die Idee der Quantenmechanik, dass das Elektron gewissermaßen eine Auskunft gibt, die eine neue Frage formuliert. Insofern ist Quantenmechanik weiblich, klassische Mechanik ist männlich. Ich habe da noch nie drüber nachgedacht, aber mir scheint, dass man das tun kann. Es ist völlig eindeutig, dass der Teilchencharakter männlich ist – Punktum, Fertig, Schluss – und die Frau ist eher überall, man versucht, noch zusammenzubleiben…
Islamische Zeitung: Könnten Sie sich vorstellen, dass bestehende Missstände durch eine Umgewichtung und Wandlung in ein anderes, besseres Lot kämen? Gibt es beispielsweise Perspektiven aus der Physik, aus denen wir schließen könnten, dass es an der Zeit wäre, dass der „Informationsdämon“ wieder vergessen muss, um einen Ausgleich zuzulassen zwischen dem polarisierenden, „strukturgebundenen“ einerseits und dem „Pool der Möglichkeiten“ auf der anderen Seite?
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Hm. Also, was ich glaube ist, dass wir immer noch erwarten, dass durch die Analyse der ganzen Informationen eine bestimmte Antwort herauskommt und nicht gewissermaßen nur ein Gefühl für eine Antwort. Es könnte allerdings sein, dass solche genauen Standortbestimmungen gar nicht wichtig sind, sondern dass das Verhalten insgesamt eine Rolle spielt und dass man ein intuitives Gesamtbild anstreben sollte, nicht ein punktuelles. Und das ist, glaube ich, wieder eine Frauensache. Also noch sind wir so, dass wir uns beim Informationssammeln übernehmen.
Denn bei der ganzen Sammlung bleibt ja die Frage nach der Bedeutung auf der Strecke. Die NSA sammelt, in der Genetik sekretiert man ein Genom nach dem anderen, nicht nur die des Menschen, sondern auch die sämtlicher Mikroorganismen. Die Datenfülle wird immer unübersichtlicher aber man müsste jetzt anfangen, sie zu verstehen und zu deuten und das Deuten ist nicht mehr eine quantitative sondern eine qualitative Aufgabe mit Einbezug der Phantasie, mit Lust auf Zusammenhänge, auf Verbindungen. Eine der größten Biologinnen des 20. Jahrhunderts, Barbara McClintock, hat ihren großen Erfolg dadurch gehabt, dass sie, wie sie das selbst ausdrückte, ein Gefühl für den Organismus entwickelte. Wir müssten aber sozusagen ein Gefühl für eine Gesellschaft entwickeln, für ein Stadtleben, dafür wie Menschen sich austauschen, ein Gefühl für die Bedeutung von Daten. Das aber kann man nicht so einfach trainieren, weil das im Ansatz dieser Wissenschaft nicht enthalten ist. Diese ist eben strukturiert männlich und ein Gefühl ist nicht etwas, das man einfach abfragen kann.
Das Gefühl ist auch etwas, das sich dauernd erneuert, es ist sozusagen immer im Werden. Um einen einfachen Kontrast zu finden – Männer interessieren sich mehr am Sein, „Wie ist das?“ und Frauen interessiert „Wie wird das, was kann daraus werden“. Frauen sind auch zukunftsoffener, zukunftszugewandt, haben die Zukunft schon intuitiv im Blick. Ich glaube, dass Frauen Information besser deuten können. Frauen würden auch andere Arten finden, um Terroranschläge zu verhindern als durch bloßes Sammeln von Daten, würden beispielsweise die Kinder besser erziehen, würden miteinander reden. Sie würden an das Migrationsproblem anders herangehen. Manche Frauen in der Regierung, wie zum Beispiel Margaret Thatcher, waren da wohl die falschen, nämlich „bessere Männer“. In der Physik gibt es das Beispiel von Marie Curie und Ilse Meitner – die waren, im Gegensatz zu Barbara McClintock, die ich noch persönlich kennenlernen durfte und über die ich in einem Buch geschrieben habe, ebenfalls „bessere Männer“. McClintock hat Wissenschaft vorgetragen, die Männer nicht verstanden haben. Ich habe sie portraitiert, in dem Buch „Aristoteles, Einstein und Co“. Es gibt eine Biografie über sie „A feeling for an organism“. Der weibliche, interpretatorische, künstlerische Aspekt gehört auf jeden Fall dazu, ich wüsste aber nicht, wie das in der Praxis installiert werden sollte.
Islamische Zeitung: Kennen Sie Joachim Ernst Behrendt?
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Nada Brahma! Ich bin ein großer Fan von Nada Brahma. Als ich das zum ersten Mal gelesen oder gehört habe, war ich fasziniert. Ich persönlich glaube, dass er völlig recht damit hat, dass wir bessere Menschen wären, wenn wir mehr hören würden. Manchmal allerdings habe ich das Gefühl, er überdehnt sein Anliegen etwas. Aber das weiß er selbst… Die Augen sind ja als Jagdaugen gemacht worden, die Ohren sind mehr für die Gesamtorientierung. Ich glaube, dass wir alle sanfter und liebevoller wären, wenn wir besser hören würden und ich nehme mir das auch fest vor. Nachrichten zum Beispiel, höre ich im Radio und sehe nicht fern. Wenn allerdings so die Gesänge des Planeten Pluto transformiert werden zu „Planetenmusik“, ist mir das irgendwann zu viel. Ich glaube, dass er dann ein bisschen zu sehr in seine Zahlenmystik verliebt ist. Aber das stört den Gesamteindruck nicht und vielleicht ist da auch etwas dran. Er ist ja selbst ein Suchender, der sich selbst wundert, dass das alles möglich ist und er lernt und lernt…
Ich habe bei ihm zum ersten Mal richtig verstanden, was eigentlich ganz selbstverständlich ist, nämlich die Bedeutung der höheren Stimmen der Frauen. Wenn Männer und Frauen zusammen sprechen, hört man die Frauen. Auch im Chor, man hört dann die Männer nur, wenn die Frauen schweigen. Also ist von der Evolution die Stimme der Frau so eingerichtet worden, dass man sie auf jeden Fall hören sollte. Aber da wir ja in einer männerdominierten Welt leben, orientieren wir uns am Sehsinn. Die Frauen würden sofort den Sehsinn reduzieren auf einfachere Dinge – weg vom „raubtierhaften Sehen“ , hin zum Hören und es könnte auch sein, dass das die „Verwandlung zu einer besseren Welt“ ist, wenn wir sie wirklich als das, was Behrendt „Klang“ nennt, verstehen. Also die Welt als Klang!
Meine Lieblingsbeschäftigung, wenn ich abends allein zu Hause bin, ist nicht fernsehen, sondern CDs zu hören. Ich spiele selbst ganz schlecht nur Querflöte aber ich höre dann einfach. Das Hören hat also wunderbare Vorzüge. Ich glaube auch, dass der Verlust des Hörsinns das schlimmere Leid ist als der Verlust des Sehsinns. „Israel höre“… „Gott sprach“….Man entnimmt ja auch der Bibel, dass da zwar Licht wird, aber es wird erst gesprochen. Das erste, was die Bibel erwartet, ist also, dass gehört wird – es muss jemand hören! Wobei mich mehr interessiert an diesem ersten Vers in der Bibel, dass am Anfang kein Gott ist sondern Finsternis. Und ich bin fest davon überzeugt, dass das eigentliche, das wir verstehen müssen, die Dunkelheit ist – denn wir kommen aus der Dunkelheit und gehen in die Dunkelheit. Und wenn wir einen Gedanken denken oder einen Satz sagen, der war vorher im Dunkeln, den holen wir dann da raus – wir können nicht sagen, wo er vorher war. Der Gedanke, den wir haben, der kann ja kein Gedanke gewesen sein – das ist wieder das Problem des Anfangs, sodass ich ein „Verehrer der Dunkelheit“ bin im Sinne von Rilke „du Dunkelheit, aus der ich stamme…“ Wir stammen alle aus der Dunkelheit und in der Dunkelheit ist auch Stille.
Ich habe ein Buch darüber geschrieben, das heißt „durch die Nacht“, das erscheint im nächsten Jahr. Wir kommen alle aus der Nacht und gehen durch die Nacht, wir lieben die Nächte und wir müssen halt den Tag überstehen und das ist auch Goethe und Philine. Die Nachtzeit wird als Gegenzeit definiert, das ist die Zeit, wo man einfach da ist. Am Tag haben wir Geschäfte, – aber abends sind Sie einfach nur da, das ist die Zeit der Nacht und das ist die Zeit der Frau. Männer wollen immer ankommen, Frauen wollen da sein. Und ich glaube das ist es – es reicht, wenn wir da sind. Wir kommen jetzt ein wenig ins Schwärmen, das hat ja mit Wissenschaft immer weniger zu tun. Aber auch Wissenschaft kommt aus dem Dunklen und muss das Dunkle verstehen.
Islamische Zeitung: Das „Yin“, die Dunkelheit , das Weibliche. Die Nacht ist auch die Zeit, in der Gläubige die Nähe Gottes sucht….
Prof. Dr Ernst Peter Fischer: Und in der Dunkelheit gibt es einen „Herrn“, der heißt Luzifer – der Lichtträger. Und den gibt es in jeder Religion, soweit ich weiß. Es gibt immer den Feind, den Satan, den Luzifer, den gibt es auch im Buddhismus. Es gehört zur menschlichen Denkweise, dass wir immer das Gegenstück brauchen. Mann – Frau, oben – unten, Nacht – Tag, wir brauchen immer das Gegenstück. Redner – Zuhörer. Aber eben Hörer.
Islamische Zeitung: Herzlichen Dank, Herr Professor Fischer für dieses Gespräch!
(iz). Am 21. Januar dieses Jahres beklagte die „Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus“ einen zunehmenden „anti-islamischen Rassismus“ in Deutschland. Nach Ansicht des geschäftsführenden Vorstands Micksch sei diese Entwicklung ein Nährboden für einen Rechtsextremismus, der immer gewaltbereiter werde.
Selbst ein oberflächlicher Blick auf Berichterstattung sowie Statistik legt den Schluss nahe, dass der Rassismus Teil des Alltags geworden ist. Zeugnis davon legen derzeit auch Erfahrungen einzelner Muslime ab, die mit diesem Phänomen konfrontiert sind. Sie können von verbaler „Anmache“ bis zur Ablehnung bei Wohnraum- oder Stellengesuchen reichen. Was früher, platt gesagt, „der Türke“ war, ist heute oft „der Muslim“. Die Muster von Diskriminierung sind oft die gleichen geblieben.
Es geht noch weiter: Bei einigen Muslimen ist die rasante Verbreitung zum festen Bestandteil der Kommunikation in sozialen Netzwerken geworden. Bei aller realen Erfahrung stellt sich die Frage, ob wir es mit dem berühmten „Einzelfall“ zu tun haben, oder ob diese Vorfälle stellvertretend für einen allgemeingültigen Umgang mit Muslimen zu verstehen sind. Angesichts der erodierenden Kommunikationsformen, die insbesondere das Internet produzierte, ist Zurückhaltung bei Subjektivismen geboten. Immerhin ist es die gleiche „Technik“, die der aggressiven Islamkritik selbst zu eigen ist.
Hochkarätiger Diskurs
Diese Phänomene sowie die sich radikalisierende mediale, und damit politische, Behandlung der Schlagworte „Islam“, „Muslime“ und „Migration“, sind Grund genug dafür, dass das Osnabrücker Institut für islamische Theologie zu einer mehrtägigen Fachkonferenz über das Thema lud. Vom 14. bis 16. Januar trafen sich Wissenschaftler wie Prof. Dr. Naika Foroutan, Prof. Dr. Kai Hafez, Prof. Dr. Iman Attia, Prof. Dr. Wolfgang Benz, Dr. Silvia Horsch, Dr. Fared Hafez und viele andere, um das Thema zu diskutieren. Eingeladen waren auch Vertreter muslimischer Verbände wie Dr. Zekeriya Altug, Aiman Mazyek, Burhan Kesici sowie Journalisten wie Eren Güvercin oder Daniel (?) und Aktivisten aus der muslimischen Zivilgesellschaft.
Es ist den Gastgebern gelungen, dass sie als erste auf diesem Niveau – bei Quantität und Qualität von Referenten und Diskutanten – das Phänomen behandelten. Wohl unbeabsichtigt war die Konferenz am Puls der Zeit. Inwiefern der ausgestellte Erkenntnis- und Diskussionsstand Einzug in weitere Kreise finden wird, steht auf einem anderen Blatt. So meinte Prof. Dr. Foroutan melancholisch bei der Auftaktdiskussion, dass Fakten nur eine begrenzte Reichweite hätten. Eine „schwankende Mitte“ ließe sich davon beeinflussen. Bereits in der Vergangenheit hätten Daten- und Faktensammlung auf die von Sarrazin angestoßenen Thesen wenig Auswirkungen gehabt.
Relativ einhellig
Bei den Beiträgen war von einer „Diskussion“ im Sinne gegenteiliger Positionen nicht viel zu vernehmen. Relativ einhellig bezogen Referenten und Diskutanten nicht nur Stellung zu dem behandelten Phänomen des „anti-muslimischen Rassismus“, sie ordneten es – von graduellen Unterschieden – auch ähnlich ein.
Prof. Dr. Naika Foroutan legte in ihrem Impulsreferat die Faktenbasis für die folgenden Debatten dar. Die Zuschreibungen dessen, wer ein „Deutscher“ sei, werden immer schwieriger. Vor Beginn der Fluchtbewegung seien ca. vier Millionen Menschen in Deutschland Muslime gewesen – die Hälfte davon Staatsbürger. Von den rund 1,1 Millionen Flüchtlingen, die laut BAMF 2015 hierher kamen, sei die Mehrheit Muslime. Das habe Folgen für die Gesellschaft und die betroffenen Communities. Die aktuellen Entwicklungen, namentlich die „Flüchtlingsfrage“, trieben die Debatten um eine vermeintliche „Islamisierung“ voran. So überschätze eine Mehrheit der Bevölkerung konstant den muslimischen Bevölkerungsanteil um ein Mehrfaches. Obwohl Wirtschaftsinstitute sich für Auswanderung aussprächen und die Bevölkerung selber von einer positiven Lage ausgehe, herrschten große Ängste.
Was die Einstellungen gegenüber Muslimen in diesem Land betrifft, konstatierte die Berliner Forscherin aufgrund ihrer regelmäßigen Erhebungen einen Unterschied zwischen einer kognitiven Anerkennung der Präsenz von Muslimen und ihrer Einforderung verfassungsgemäßer Rechte mit einer „emotionalen Distanz“. Sie verwies auf einen Widerspruch zwischen der Betonung der Verfassung, zu der Muslime sich zu bekennen hätten, und andererseits der stellenweisen Überzeugung, Muslime dürften sich nicht auf ihre verfassungsgemäß verbrieften Rechte (Moscheebau oder Kopftuch) berufen. Handfest äußere sich das in der Vervierfachung von Angriffen in den letzten Jahren. Die derzeitige Verrohung werde mit Argumenten und dem Verhalten von Muslimen begründet.
Ihre Erkenntnisse wurden in den folgenden Beiträgen bestätigt und theoretisch unterfüttert. Der antimuslimische Rassismus stelle den Übergang vom Biologismus der Rechten, so Hendrik Cremer, zu einem kulturalisierten Vorurteil dar. Gerade die Fixierung auf den rechten Rand sei ein Missverständnis, wie das Beispiel Sarrazin seit 2009 belege. Cremer verwies einerseits auf die bestehenden deutschen und europäischen Gesetzgebungen zur Volksverhetzung. Anstoß erzeugende Rede müsse allerdings grundsätzliche durch Gegenrede beantwortet werden. Der Forscher schränkte aber ein, dass der Staat sich, trotz des Vorwurfes eines „Meinungskartells“, nicht taktisch verhalten dürfe, da sich rassistische Diskurse wie der von Pegida derzeit „in gefährlicher Weise“ ausbreiteten. Diesen Aspekt sprach auch Naika Foroutan an. Diskurse erführen eine Verschärfung, sobald die agitierenden Gruppen den parlamentarischen Raum betreten.
Aufgrund seiner Erforschung von Vorurteilen gab Prof. Dr. Wolfgang Benz eine präzise Definition des anti-muslimischen Rassismus: „Zu definieren ist das Phänomen der Islamfeindschaft als Ressentiment gegen eine Minderheit von Bürgern beziehungsweise von in unserer Gesellschaft lebenden Menschen, die mit politischen, ethnischen und religiösen Argumenten diskriminiert und ausgegrenzt werden. (…) Gleichzeitig stärkt dies das Selbstbewusstsein der Mehrheit, die die Minderheit ausgrenzt.“
Soziologische Welten
Theoretisch – und auch ideologisch – unterfüttert werden diese nüchternen Überlegungen mit einer Rassismusforschung im globalen Stil. Und das nicht ohne Erfolg. Gerade junge Muslime fühlen sich angesprochen von einer Theoriebildung in Nachfolge Fanons oder Du Bois‘, die sie irgendwo zwischen antikolonialem Befreiungskampf und der US-Bürgerrechtsbewegung um Luther King oder Malcom X einordnet.
Wie Dr. Silvia Horsch andernorts erläuterte, würden diese Rassismustheorien auch verstärkt bei Muslimen rezipiert. Die Betonung liegt hier auf der strukturellen Komponente. Zu den bekanntesten Vertretern gehören Prof. Dr. Iman Attia aus Berlin oder Dr. Farid Hafez. In seinem intellektuell wie sprachlich brillantem Parforceritt durch die Theoriebildung von Fanon, Du Bois und der Universität Berkeley ordnete er den antimuslimischen Rassismus in diesen Diskurs ein. „Die Berkeley-Schule der Islamophobieforschung konzentriert sich auf Macht- und Herrschaftsstrukturen und versteht die Islamophobie als einen Ausdruck dieser ökonomischen und politischen Disparitäten, die durch einen anti-muslimisch-rassistischen Diskurs stabil gehalten und ausgeweitet werden sollen.“
Laut Hafez werde die Figur des Muslims zum „imaginierten Gegenstand“ zentral für den islamophoben Diskurs. Racial Profiling wäre nicht möglich, wenn nicht die Figur des gefährlichen Muslim vorhanden wäre. Da diese Rassismustheorie damit operiert, den Begriff „weiß“ im Sinne eines asymmetrischen Machtverhältnisses als politische Größe zu definieren (nicht als ontologische), müssen Widersprüche entstehen. Welche Position nehmen in diesem Denken die „weißen Muslime“ des Balkans und Russlands (die zahlenmäßig größte Gruppe der europäischen Muslime) oder die wachsende Gruppe der „Konvertiten“ ein? Ironischerweise entstehen hier Parallelen zu anti-muslimischen Diskursen in Europa, in denen der Islam als wesensfremd zu Kultur, Geschichte und Identität unseres Kontinents verortet wird.
Ein weiter blinder Fleck ist das Verharren in jahrzehntealten Deutungen globaler Verhältnisse. Das de facto koloniale Auftreten „neuer Mächte“ wie China, Indien oder Russland (die allesamt einen problematischen Umgang mit ihren muslimischen Minderheiten pflegen) geht hier unter. Das gleiche gilt für die neuen nichtstaatlichen Akteure wie Banken, Supra-Banken oder Investmentsfonds, die nach neuen Kriterien operieren. Funktioniert die Welt, operieren globale Mechanismen von Macht noch so, wie sich das die Theoretiker in Berkeley und anderswo vorstellen? Wenn nicht, was bedeutet es dann für ihre Gültigkeit?
Foto:
Es ist wohl davon auszugehen, dass die vorgetragenen Erkenntnisse und Theorien von der Mehrheit der Muslime mitgetragen werden. Das kann aber für religiös verfasste und praktizierende Muslime zu Widersprüchen führen. Die Rassismusforschung habe, wie es Dr. Horsch formulierte, Grenzen, weil sie den Glauben an Gott nicht miteinbezieht. „Da können wir nicht stehen bleiben.“
Religion droht hier zu einem nebulösen Faktor unter vielen zu werden – eine „Markierung“ für den imaginären Muslim; neben Herkunft, Ethnie und Kultur. Denn dieser Gegenstand bleibt genauso wenig real, wie er es im Auge seines vermeintlichen Feindes ist. In beiden Welten kann er nicht der oberfränkische Gutbesitzer mit Biolandwirtschaft sein oder die erfolgreiche Ärztin, die ohne Diskriminierungserfahrung oder Identitätsprobleme durchs Leben schreiten.
Obwohl das Institut für Islamische Theologie einladende Institution war, fehlten hier Beiträge, die sich dem Thema antimuslimischer Rassismus von einer theologischen Warte aus näherten. Es bleibt offen, ob sich das von Kenan Kolat geforderte „Empowerment“ ereignen kann, wenn grundlegende Aspekte des Muslimseins ausgeblendet bleiben. Ironischerweise führt dieser säkular-fatalistische Diskurs bisher nicht zu Aktivität. In den letzten zehn Jahren haben muslimische Organisationen bisher keine großen Schritte in Richtung funktionierender Lobbyorganisationen unternommen.
Dr. Silvia Horsch eröffnet in ihrem Vortrag „Eine spirituelle Sicht auf antimuslimischen Rassismus“ eine andere Perspektive. Weil die Rassismusforschung dank ihrer Ausblendung Gottes Grenzen habe, müssten Muslime über sie hinausgehen. Muslime leben in der Anerkennung der Allmacht Gottes. Sie wissen, dass nichts geschieht, was Er nicht will. Und nichts, was geschieht, ist sinnlos. Muslime hätten immer schon über ihre Verhältnisse reflektiert. Aber man dürfte nicht unzufrieden sein mit der Tatsache, dass Allah alle Dinge bestimmt. Muslime müssten sich die Frage stellen, warum sie dieserart auf Diskriminierungen und Vorfälle reagierten. Sind wir wütend, weil Allah und Sein Gesandter verleumdet werden, oder weil wir uns angegriffen fühlen? Der Gesandte Allahs habe, so Horsch, die höchste Möglichkeit aufgezeigt, wie mit solchen Situationen umzugehen ist.
Der bisherige Umgang mit Diskriminierungen berge Gefahren. In ihrem Bemühen um Anerkennung richteten sich Muslime nach Parametern, die die Gesellschaft vorgebe. Natürlich solle man nach gesellschaftlichem Einfluss streben, aber hier sei die Absicht entscheidend. Eine zweite Gefahr bestünde in Äußerlichkeiten. Weil auch äußerliche Elemente der muslimischen Lebensweise, allen voran das Kopftuch, im antimuslimischen Rassismus negativ markiert seien, würden Muslime sie positiv aufladen. Dann werde das Kopftuch zu einem Symbol für Reinheit, Frömmigkeit und Identität. Drittens, seien Muslime gefährdet, passiv und reaktiv zu werden. Eine Opferhaltung habe auch die Funktion, die von Ressentiment Betroffenen moralisch aufzuwerten. Nur, die Tatsache, dass einem Ungerechtigkeit widerfahre, mache einen noch nicht zu einem bessern Menschen.
Eine weitere, tiefere Differenz zur Rassismusforschung sei deren Fehlen einer metaphysischen Dimension. Diese gehe davon aus, dass die Betroffenen nichts mit Vorurteilen zu tun hätten. Wir müssten uns aber die Frage stellen: Warum sind wir in dieser Lage und warum passieren uns diese Dinge?
Laut der muslimischen Lehre können Probleme wie antimuslimischer Rassismus auf mindestens zwei Arten verstanden werden: Negativität ist eine Prüfung. Das sei keine Aufforderung zur Passivität. „Denn wir haben Dinge zu verantworten, die wir ändern können.“ Es kann aber auch Reinigung beziehungsweise Sühne sein. Es könne sein, dass Allah uns durch solche Erfahrungen reinigen wolle.
Will die muslimische Community im Hinblick auf den gegen sie gerichteten Rassismus nicht nur passiv bleiben, muss sie sich nicht nur in Diskurse einbringen wie den, der in Osnabrück so hochkarätig geführt wurde. Sie kommt nicht darum umhin, eigenständige Positionen und Perspektiven zu entwickeln. Das erwähnte Empowerment kann nur aus einer aktiven Haltung erwachsen.
(iz). Das Gedenken Allahs im Herzen, der Dhikr, ist einer der wichtigsten Bestandteile der spirituellen Rolle als Mutter. Denn es ist durch den Dhikr im Herzen der Mutter, dass das […]
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