Bericht: Anschläge und Polizeischutz – Deutschlands Moscheen im Fadenkreuz des Hasses?

(iz). Zum wiederholten Male wurde die Berliner Ensar-Moschee, die der der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) angeschlossen ist, Ziel einer versuchten Brandstiftung. In der Nacht zum Freitag, den 8. März, wurde dort vorsätzlich ein Feuer gelegt. Es drang über die Fenster in die Moschee ein. Obwohl die Berliner Ermittler bisher nur von Wandalismus ausgehen, dürfte – wie bereits in der Vergangenheit – die Motivlage hier anders gelagert sein.

„Anschläge auf Moscheen und Übergriffe auf Muslime häufen sich in der letzten Zeit. So ist der Brandanschlag auf die Ensar Moschee in Berlin Charlottenburg in einer Reihe von ähnlichen Angriffen auf muslimische Einrichtungen in Deutschland zu sehen.“ sagte hierzu der Sprecher des Koordinationstrat der Muslime, Erol Pürlü. „Wir erhoffen uns daher eine rasche und lückenlose Aufklärung. Für die Zukunft fordern wird diesbezüglich Konzepte, die zum Schutz von Muslimen und muslimischen Einrichtungen in Deutschland dienen“, so Pürlü weiter.

Vor Jahren sicherlich unvorstellbar stehen nun auch in Deutschland einige muslimische Einrichtungen unter Polizeischutz. Dazu gehört die repräsentative Berliner Sehitlik-Moschee. Für die Jurastudentin Betül Ulusoy, die sich bei der Initiative JUMA Jung, Muslimisch, Aktiv engagiert, ist die Gemeinde ihre „Heim-Moschee“. Sie berichtet konkret, wie sich die Bedrohungslage auf diese bekannte Berliner Gemeinde sieht und was der Polizeischutz für Gefühle bei ihr auslöst:

//3// „Also, ich bin des Öfteren in der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm. Brandanschläge, Drohbriefe, Schmierereien an Moscheewänden oder sogar das Werfen von Schweinsköpfen sind bei dieser Moschee leider an der Tagesordnung.

Ich weiß gar nicht mehr, nach welchem der Vorfälle das war, aber irgendwann hatten wir Polizeischutz…

Ich habe mich – muss ich ehrlich gestehen – zunächst darüber gefreut, weil ich mich endlich ernstgenommen fühlte. Eimal war während eines Brandanschlags ein Gemeindemitglied, das nachts Wache hielt, in der Moschee. So kann ein Sachschaden schnell zu einem ‘Personenschaden’ werden. Der Gedanke macht einem schon Angst…

Wenn dann die Polizei vor den Moscheetüren steht, vermittelt das im ersten Augenblick Sicherheit, Ernsthaftigkeit – aber zugleich auch noch mehr Unbehagen. Schließlich muss es sich dann jetzt auch tatsächlich um eine ernsthafte Lage handeln, sonst stünde die Polizei nicht da.

Dann habe ich allerdings mit den anderen Moscheeführern [die Moschee bietet regelmäßige Führungen an] und dem Vorstand gesprochen. Sie waren ganz und gar nicht begeistert von dem Polizeischutz.

Für sie wirkte die Polizei vor den Toren eher abschreckend für die Gemeinde und vor allem für Gäste. Die Sehitlik-Moschee wird auch von Nicht-Muslimen gut besucht – täglich finden dort mindestens drei Führungen statt. Sie hatten Angst, dass die Moschee an Vertrauen einbüßen könnte und die sonst für jedermann offenen Tore nun nur eingeschränkt zugänglich waren. Sie haben daher vieles verharmlost und still gehalten, damit die Polizei so schnell wie möglich wieder geht.

Das hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Ich habe viele jüdische Freunde, aber ich muss ehrlich sagen, dass ich mich immer recht unwohl fühle, wenn ich eine jüdische Einrichtung besuche. Überall sind Kontrollen und Sicherheitsschleusen, und eben Polizeipräsenz. das schreckt ab oder löst Unbehagen aus. Das soll bei uns nicht so sein.

Gerade Moscheen und Muslime sind für ihre Gastfreundschaft und Offenheit bekannt (oder sollten das zumindest sein). Vorbehalte gegen Muslime gibt es genug. Der Polizeischutz schränkt ersteres ein und verstärkt letzteres.

Obwohl es im ersten Moment beruhigend wirkt, bringt, so finde ich, der Schutz im Großen und Ganzen mehr Nachteile…

Das Verhältnis zu den Polizisten war übrigens sehr freundlich und offen. Die Sehtilik-Moschee ist ohnehin in ständigem Austausch mit der örtlichen Polizei und arbeitet in vielerlei Hinsicht mit ihr zusammen und wird selbst zu Polizeifesten eingeladen.

Die gemeinde hat die Polizisten immer begrüßt und hat mit ihnen gescherzt. Das Verhältnis war also glücklicherweise locker und gut, sodass zumindest das kein Problem war. Die unangenehmen Gefühle wären sonst wohl nur verstärkt worden.“

Erinnerung an das Massaker von Kandahar

(Emran Feroz’s Blog). Genau vor einem Jahr geschah eines der schrecklichsten Massaker seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes. Siebzehn Menschen wurden in einem Dorf in Kandahar kaltblütig ermordet. Bei ihnen handelte es sich überwiegend um Frauen, Kinder und Greise. Als Täter wurde den Medien ein US-Soldat namens Robert Bales vorgestellt. Diesem Mann wird bald sicherlich eine Strafe widerfahren, doch mit Gerechtigkeit wird sie nichts zu tun haben.

Robert Bales wird als alkoholkrank und psychisch labil beschrieben. Nachdem seine Ehe scheiterte, zog er in den Irak-Krieg. Diesen verließ er traumatisiert. Dann wurde er nach Afghanistan geschickt. Dort erlebte er, wie sein Kamerad ein Bein verlor. Die Nacht darauf schlich er sich aus dem Lager und begab sich in das nahe gelegene Dorf, um dort Amok zu laufen. Nachdem Bales mehrere Menschen im Dorf ermordet hatte, ging er wieder ins Hauptquartier. Dieses verließ er kurze Zeit später ein zweites Mal, um in ein anderes Dorf zu gehen und noch einmal zu morden. So lautet bis heute die offizielle Version.

Sie steht im krassen Gegensatz zu den Zeugenberichten aus Kandahar. Schon vor einem Jahr hatte ich geschrieben, dass die Dorfbewohner etwas anderes erzählten. Sie sprachen keineswegs von einem Einzeltäter, sondern von mehreren Soldaten, die womöglich unter Alkoholeinfluss standen. Diese Aussagen bestätigten die Angehörigen der Opfer auch während einer offiziellen Anhörung, die von Präsident Hamid Karzai geleitet wurde. Das afghanische Untersuchungsteam kam ebenfalls zu einem Schluss, welcher der amerikanischen Version widerspricht. Shakeba Hashimi, eines der Mitglieder der damaligen Kommission, ist bis heute der Meinung, dass mindestens fünfzehn bis zwanzig Soldaten an dem Massaker beteiligt waren.

Währenddessen will man in Washington und anderswo nichts davon wissen. Stattdessen “entschädigte” man die Hinterbliebenen mit 50.000 US-Dollar und begann damit, Bales den Prozess zu machen. Selbstverständlich begann dieser Prozess in den Vereinigten Staaten und nicht am Hindukusch. Nachdem man den Medien vor einem Jahr Bales als Sündenbock verkauft hatte, flog man ihn so schnell wie möglich aus Afghanistan aus.

Hinterbliebene wie Mohammad Wazir, ein einfacher Bauer, verlangen Gerechtigkeit. Wazir verlor in jener Nacht elf Familienmitglieder. Heute ist er weder Vater, noch Sohn, noch Ehemann. Auch einer seiner Brüder sowie dessen Frau und Kind wurden in jener Nacht getötet. Mit 50.000 Dollar kann er seinen Sohn und seine fünf Töchter nicht wieder zum Leben erwecken. Er verlangt eine gerechte Strafe, obwohl er weiß, dass er und alle anderen Hinterbliebenen machtlos sind.

Die Offiziellen im Weißen Haus wollten von Anfang an die wahren Hintergründe des Massakers vertuschen. Damit waren sie erfolgreich, denn kein einziger Zeuge aus Kandahar hat bis jetzt persönlich vor dem Gericht ausgesagt. Es kam lediglich zu Befragungen via Videoübertragung. Die westlichen Medien sowie die amerikanische Regierung zeigen bislang nur mäßiges Interesse an den Geschichten der Opfer. Warum sollten sie auch? Sie haben im labilen Robert Bales einen perfekten Sündenbock gefunden, den man ohne Weiteres als „verrückt“ abstempeln konnte.

Mohammad Wazir fragt sich, warum man einem angeblich „Verrückten“ eine derartig große Verantwortung überlasst. Warum gibt man diesem „Verrückten“ eine Waffe und was wäre gewesen, wenn er seine eigenen Kameraden ermordet hätte? All diese Fragen werden wohl lange, wenn nicht sogar für immer unbeantwortet bleiben. Das Einzige was zurückgeblieben ist, sind Trauer und Schmerz. Auch über das geringe Interesse der Weltöffentlichkeit bezüglich dieses Falles kann man nur klagen.

Die Deutsch-Afghanin Lela Ahmadzai hat die Opfer des Massakers besucht und dazu einen Kurzfilm gedreht. Er zeigt nicht nur die unvorstellbare Trauer dieser Menschen, sondern auch ihren Stolz, mit erhobenem Haupt weiterzuleben.

Emran Feroz ist ein junger Autor und Blogger, der über den Nahen Osten, Islam und Migration schreibt. Er veröffentlichte unter anderem in renommierten Medien wie „zenith-online“, „Freitag“ oder der „jungen Welt“. Dieser Beitrag wurde im „Hintergrund” veröffentlicht.

Bundeswehr betreibt die Einbindung von Muslimen

Berlin/Koblenz (GFP.com). Die Bundeswehr forciert die Rekrutierung junger Muslime. Integraler Bestandteil der dazu in Gang gesetzten Propagandamaßnahmen ist es, die deutschen Streitkräfte als „bunte Truppe“ darzustellen, die rigoros gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung vorgeht. In einem offiziellen „Arbeitspapier“ der Bundeswehr findet sich zudem der „Hinweis an Vorgesetzte“, mit den Angehörigen islamischer Religionsgemeinschaften „angemessen“ umzugehen und etwa von ihnen vorgebrachte Wünsche nach Gebetsräumen soweit wie möglich zu erfüllen. Verwiesen wird hier auch darauf, dass ein muslimischer Soldat, der entgegen den militärischen Dienstvorschriften einen „längeren Bart“ trägt, „zu einem akzeptierten Gesprächspartner in Afghanistan werden kann“. Bereits seit längerem setzen die deutschen Streitkräfte Muslime als „Sprachmittler“ im Rahmen von Kriegsoperationen ein – am Hindukusch unter anderem bei der für Propaganda und Spionage zuständigen „Truppe für Operative Information“. Damit einher gehen Bemühungen der militärischen Führung, für die seelsorgerische Betreuung muslimischer Armeeangehöriger islamische Feldgeistliche, sogenannte Militärimame, in Dienst zu stellen.

Mit Allah im Flecktarn
Aktuelle Publikationen der Bundeswehr lassen den klaren Willen erkennen, verstärkt junge Muslime zu rekrutieren. So berichtet das Militärmagazin „Y“ unter der Überschrift „Mit Allah im Flecktarn“ über den Alltag des 21-jährigen Hauptgefreiten Usama Pervaiz, der im Unterstützungsbataillon des Kommandos „Operative Führung Eingreifkräfte“ freiwillig Wehrdienst leistet. Der Sohn pakistanischer Eltern ist voll des Lobes über die deutschen Streitkräfte. Während seine deutschstämmigen Kameraden „neugierig“ auf seine Kultur seien, komme die Bundeswehr seinen religiösen Vorstellungen weitgehend entgegen, erklärt Pervaiz: „Das Essen der Truppenverpflegung ist hier leider nur ansatzweise an muslimische Bedürfnisse angepasst. (…) Das ist aber kein großes Problem. Ich bin von der Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung befreit und bekomme das Geld dafür ausgezahlt.“

Freitagsgebet im Einsatz
Auch auf den Webseiten der Bundeswehr, die für eine Karriere bei der deutschen Armee werben, finden sich entsprechende Beiträge. Berichtet wird hier über muslimische Militärangehörige, die als Besatzungssoldaten in der serbischen Provinz Kosovo eingesetzt sind. Geradezu überschwänglich bedanken sie sich für die Möglichkeit zum Besuch eines islamischen Gotteshauses: „Im Einsatz, im Kosovo, zum Freitagsgebet in die Moschee zu dürfen, ist besonders schön.“ Organisiert wurde der Moscheebesuch vom katholischen Feldgeistlichen der Truppe, der mit folgenden Worten zitiert wird: „Als Seelsorger fühle ich mich auch für die muslimischen Soldaten in der Bundeswehr mitverantwortlich, und wenn es möglich ist, versuche ich sie in ihrer Glaubensauslebung in allen Belangen zu unterstützen.“ Dass die Muslime im Sold der deutschen Streitkräfte in Uniform an islamischen Gottesdiensten teilnähmen, störe im Kosovo „niemanden“, heißt es abschließend.[3]

Antirassismus à la Bundeswehr
Parallel dazu ließ der von migrantischen Bundeswehrangehörigen gegründete Verein „Deutscher Soldat“ jüngst mehrfach öffentlich verlauten, Rassismus sei „nicht symptomatisch“ für die deutschen Streitkräfte: „Im Gegenteil: Er ist dort weniger verbreitet als in der Gesellschaft insgesamt.“ Zwar bestünden insbesondere bei muslimischen Gemeinden „noch viele Vorurteile“ über die Truppe, jedoch habe sich diese mittlerweile „gewandelt“: „Sie ist heute bunt.“ Anlass der Statements war ein von Bundeswehrsoldaten verübter rassistischer Angriff: Am 15. Februar hatten vier Unteroffiziere auf dem im Libanon stationierten Schnellboot „Hermelin“ ihren asiatischstämmigen Vorgesetzten misshandelt und als „Mongo“ bezeichnet.

Militär als Integrationsinstanz
Das für die politisch-weltanschauliche Schulung der Truppe verantwortliche „Zentrum Innere Führung“ der Bundeswehr hat unterdessen sein „Arbeitspapier“ zum Umgang mit den deutschen Soldaten „muslimischen Glaubens“ neu aufgelegt. Das Militär wird hier als „wesentlicher Ort“ bezeichnet, „an dem die Integration muslimischer Staatsbürger gefordert und gefördert wird“ – verbunden mit entsprechenden „Hinweise(n) für die Vorgesetzten“. Diese werden explizit aufgefordert, sich ihren Untergebenen gegenüber „angemessen“ zu verhalten und gegebenenfalls auch „Freiräume“ für „Einzelfallentscheidungen“ zu nutzen. So liege es etwa „im klugen Ermessen eines Vorgesetzten, ob er einem Soldaten oder einer Soldatin mit Blick auf einen muslimischen Feiertag Erholungsurlaub oder Dienstausgleich gewährt“. Auch dürfte es „in der Praxis“ nur „geringere Schwierigkeiten“ bereiten, muslimischen Militärs den Wunsch nach einem Gebetsraum zu erfüllen, heißt es. Selbst der geltende „Bart- und Haarerlass“, dem zufolge Bärte und Koteletten „kurz geschnitten“ sein müssen, wird von den Autoren des „Arbeitspapiers“ in Bezug auf Muslime relativiert: „Es sind durchaus Situationen denkbar, in denen ein deutscher Soldat mit einem längeren Bart zu einem akzeptierten Gesprächspartner in Afghanistan werden kann.“ Die zuletzt genannte Aussage verweist auf die Funktion, die Muslime aufgrund der ihnen zugesprochenen „interkulturellen Kompetenz“ im Rahmen der Kriegsoperationen der Bundeswehr wahrnehmen: Insbesondere am Hindukusch werden sie als sogenannte Sprachmittler für den Kontakt zur einheimischen Bevölkerung eingesetzt. Dabei arbeiten sie entweder für den jeweiligen Kommandeur des deutschen ISAF-Kontingents oder für die auf Propaganda- und Spionagetätigkeiten spezialisierte „Truppe für Operative Information“ (german-foreign-policy.com berichtete ).

Militärimame
Mit der von Seiten der Bundeswehr offensiv verfolgten Strategie der „Integration“ von Muslimen korrespondiert die erklärte Absicht, islamische Feldgeistliche, so genannte Militärimame, in Dienst zu stellen. Presseberichten zufolge sind sowohl der Leiter der „Zentralen Koordinierungsstelle Interkulturelle Kompetenz“ am „Zentrum Innere Führung“, Oberstleutnant Uwe Ulrich, als auch der Pastoralreferent des Katholischen Militärpfarramtes, Thomas R. Elßner, „von der Notwendigkeit der Beschäftigung eines Militärimams auf die gleiche Weise überzeugt“. Beide forderten erst unlängst die muslimischen Dachverbände in Deutschland auf, hierzu Stellung zu nehmen: „Diese Organisationen müssen festlegen, von wem und auf welche Weise die religiösen Dienstleistungen im Militär angeboten werden.“

Afghanistans Exportschlager Mohnanbau

(Emran Feroz’s Blog). Seit Ende 2001 ist der Drogenanbau am Hindukusch enorm gestiegen. Kurz vor dem Einmarsch der westlichen Soldaten – sprich, während des Höhepunkts der Taliban-Herrschaft – stammten fünf bis zehn Prozent des weltweiten Schlafmohns aus Afghanistan. Mittlerweile sind es mehr als neunzig Prozent. Die meisten Abnehmer sitzen im Ausland, während das Zentrum der Drogenproduktion die südliche Provinz Helmand ist. Diese steht hauptsächlich unter britischer Kontrolle.

Afghanischer Opiumbauer
Afghanistan war einst bekannt als ein Land der Granatäpfel, Melonen und Trauben. Weltweit wusste man, dass bestes Obst aus Afghanistan stammt. Auch andere Waren wie Lapislazuli, der berühmte, blau glänzende Stein, gehörten zu den wichtigsten Exportwaren. Der gegenwärtige Exportschlager des Landes hat jedoch nichts mit gesunden Früchten oder schönen Mineralgesteinen zu tun. Heutzutage weiß man vor allem, dass der „schwarze Afghane“ aus Afghanistan stammt und dass das Land zu den größten Schlafmohnproduzenten der Welt gehört.

Der Drogenanbau hat in Afghanistan eine lange Geschichte
Schon die süchtigen Mogul-Herrscher Indiens bezogen ihren Schlafmohn aus einigen Teilen des heutigen Afghanistans. Später, während der Anglo-Afghanischen Kriegen, fiel die Droge auch ins Auge der Briten. Dass die Briten damals viel vom Drogenhandel hielten, bewiesen der Erste sowie der Zweite Opiumkrieg, der zwischen Großbritannien und dem Kaiserreich China ausgetragen wurde. Beide Male verließen die Chinesen das Schlachtfeld als Verlierer und wurden dazu gezwungen, den Opiumhandel zu dulden.

Da es jedoch nie zu einer erfolgreichen Kolonialisierung Afghanistans kam, mussten die Briten ihre Pläne ändern und sich zurückziehen. Nun, im 21. Jahrhundert, kann man Zeuge werden, wie der Drogenanbau und Handel in Afghanistan unter westlicher Besatzung regelrecht blüht.

Anfang der 1990er, während der Regierungszeit Burhanuddin Rabbanis, stieg der Schlafmohnanbau in Afghanistan maßgeblich. Die Regierung Rabbanis bestand hauptsächlich aus Kriegsverbrechern und Warlords. Auch der einstige Präsident, der 2011 durch ein Selbstmordattentat getötet wurde, wurde von Human Rights Watch für zahlreiche Menschenrechtsverbrechen verantwortlich gemacht. Es ist nicht verwunderlich, dass die damaligen Akteure sich durch den Drogenanbau bereicherten. Da der Westen sich nach dem Sieg gegen die Sowjets zurückgezogen hatte, musste eine andere Geldquelle her, damit man sich weiterhin Waffen beschaffen und gegenseitig bekriegen konnte.

1996 wurde die Warlord-Regierung aus Kabul verjagt und die Taliban unter Mullah Omar rissen die Macht an sich. Der Drogenanbau ging jedoch weiter. Die Taliban-Regierung war wie jede andere Regierung auf Steuern angewiesen. Da viele dieser Steuern von Drogenbaronen stammen, zog man es vor, den Opiumanbau vorerst nicht zu verbieten, obwohl er den Regeln des Islams widersprach. Erst, nachdem die Staatskasse etwas gefüllt war und die Handelsrouten im Norden des Landes ebenfalls unter Taliban-Kontrolle standen, erklärte man den Drogenbossen den Kampf.

Im Sommer 2000 ging daraus eine der erfolgreichsten Anti-Drogen-Kampagnen der Welt hervor. Mullah Omar, der damals auch auf Andrang der UN handelte, erklärte den Drogenanbau offiziell für „unislamisch“ und verbannte ihn. Dieses Verbot bewies sich innerhalb kürzester Zeit als äußerst effektiv. So schrumpfte zum Beispiel die Drogenproduktion in Helmand, der ertragreichsten Provinz des Landes, auf null Prozent.

Ein Jahr später begann der Einmarsch der westlichen Soldaten
Die Taliban wurden verjagt und plötzlich florierte der Drogenanbau am Hindukusch ein weiteres Mal. Gegenwärtig stammen mehr als neunzig Prozent des weltweiten Opiums aus Afghanistan. Die wichtigsten Produzenten befinden sich in den südlichen Provinzen Kandahar und Helmand. Der Drogenanbau in Kandahar liegt fest in der Hand des Karzai-Clans. Es ist kein Zufall, dass ein Sprössling dieser Sippe im Präsidentenpalast residiert. Ahmad Wali, einer von Karzais Brüdern, der 2011 getötet wurde, gehörte zu den größten und wichtigsten Drogenhändlern des Landes. Er war bekannt für seine Verbindungen zur CIA und stand laut „New York Times“ auf deren Gehaltsliste. Ein weiterer Bruder Karzais, Qayum, ist ebenfalls ein führender Mann im Drogengeschäft.

Unabhängig davon stellte die britische Zeitung „Independent“ im Januar 2010 fest, dass die CIA jene Flugzeuge, die hauptsächlich für die Entführung sogenannter Terrorverdächtiger benutzt wurden, auch für den Transport von Drogen verwendet hat. Unter anderem fand man im Wrack eines solchen Flugzeugs, welches 2004 in Nicaragua abgestürzt war, eine Tonne Kokain. Vor einigen Tagen wurde außerdem bekannt, dass die afghanische Fluggesellschaft Kam Air mit ihren Maschinen Opium ins benachbarte Tadschikistan geschmuggelt haben soll. Die Fluggesellschaft bestreitet jedoch jegliche Vorwürfe und meint, dass es dafür keinerlei Beweise gebe.

In der Provinz Helmand sind hauptsächlich britische Soldaten stationiert. In den ländlichen Gebieten dominieren die Taliban, weshalb es auch des Öfteren zu Kampfhandlungen kommt. In der Vergangenheit wurden schon mehrmals Tonnen von Schlafmohn konfisziert und verbrannt. Dennoch wächst der Opiumanbau. Mittlerweile werden allein in Helmand mehr Drogen produziert als in Kolumbien, Marokko oder Burma. Demnach hat das meiste Heroin auf den Straßen Europas, vor allem in Großbritannien, seinen Ursprung in Helmand.

Yousef Ali-Waezi, ein Regierungsbeamter und Berater Karzais, warf im Dezember 2001 den britischen Besatzern eine Mitbeteiligung am afghanischen Drogenhandel vor. Ali-Waezi meinte unter anderem, dass der Opiumanbau in Helmand von den Briten nicht nur toleriert, sondern auch gefördert werde. Diesbezüglich gab es keine Stellungnahme seitens der britischen Regierung. Großbritanniens ehemaliger Premierminister Tony Blair meinte einst, dass der Kampf gegen den Drogenanbau einer der Hauptgründe für die Intervention gewesen sei.

Fakt ist, dass der Drogenanbau in Afghanistan weiterhin florieren wird
Es wird zwar immer so getan, als ob alles dagegen unternommen werde, doch die Realität beweist das Gegenteil. Alle wichtigen politischen Akteure in Afghanistan sind am Anbau interessiert, denn jeder profitiert davon. Auf der einen Seite befinden sich die Taliban sowie die ehemaligen Warlords der Nordallianz. Die Taliban, die einst strikt gegen den Schlafmohnanbau vorgingen, haben gegenwärtig keine andere Wahl, denn irgendwie muss ihr Widerstand gegen die afghanische Armee und gegen die Besatzer finanziert werden.

Die Warlords der Nordallianz, die größtenteils in der Regierung sitzen und hohe Ämter bekleiden, achten stets auf ihre persönliche Bereicherung. So wie sie in den 1990ern den Opiumanbau förderten, so tun sie es heute noch. Das Problem ist, dass sie aufgrund der westlichen Unterstützung weiterhin unantastbar bleiben werden.

Auf der anderen Seite kann man die Briten und die Amerikaner beobachten. Ein Rückblick in die Geschichte zeigt, dass Großbritannien schon seit eh und je eine besondere Verbindung zum Drogenhandel pflegte. Das Gleiche gilt in etwa für die USA, die dieses Spiel nicht nur in Afghanistan spielen, sondern in nahezu ganz Südamerika.

Die genannten Protagonisten zwingen den einfachen afghanischen Bauer, Opium anzubauen. Denn solange die Lebensgrundlage dieses Bauern nicht gesichert ist, solange er aufgrund von billigem, ausländischem Getreide nicht konkurrenzfähig ist, solange wird sich auch nichts ändern.

Emran Feroz ist ein junger Autor und Blogger, der über den Nahen Osten, Islam und Migration schreibt. Er veröffentlichte unter anderem in renommierten Medien wie „zenith-online“, „Freitag“ oder der „jungen Welt“.

Brauchen wir einen Öko-Islam in Deutschland?

Dieser Beitrag wurde als Positionen zur Tagung „Wie ‘grün’ ist der Islam? – Umwelthandeln und Klimaschutz aus muslimischer Perspektive“ in der Evangelischen Akademie Loccum, Niedersachsen, am 5.11.2010 vorgetragen und ist hier für die IZ aktualisiert.

(iz). Als Vorstandsmitglied der Schura Niedersachsen, als Geologe und Muslim, mit der Erfahrung privater Mitwirkung in Umweltgruppen und 30 Jahren beruflicher Tätigkeit im kommunalen Umweltschutz, Umweltverwaltungsrecht und Umweltbildung in Südniedersachsen, erwächst aus dem Thema der Tagung „Wie grün ist der Islam“ unmittelbare Verantwortung. Deshalb gilt besonderer Dank der Evangelischen Akademie Loccum, denn das Thema Umweltschutz und Islam muss in Deutschland noch erweckt werden und in der Tat hat diese Tagung im November 2010 Anstöße gegeben!

Vorweg einige provokante Fragen
Hätte der frühe Homo sapiens – wäre er schon Christ gewesen – das Mammut nicht ausgerottet?
Wären Fischer aus Sansibar nachhaltiger auf Walfang gegangen als Fischer aus Nantucket?
Deutsche Flüsse 1970 – 201; die Gewässergüte wurde von Klasse 3-4 auf 1,5-2 angehoben: Wo ist der religiöse Einfluss?
Wer hat gesagt: „Du bist ein Gast der Natur, benimm Dich!“? Diese Erkenntnis scheint mir ganz ohne Offenbarungsreligion daher zu kommen.
Solardach, Fassadendämmung und Dreifachverglasung am Moscheeneubau in Deutschland: motiviert dazu der Islam, das Einsparen von Energiekosten oder zwingt nicht dazu ganz schlicht das moderne Baurecht mit der Energieeinspar-Verordnung?

Vorweg meine These: Wir brauchen keinen Öko-Islam in Deutschland!
In den islamischen Quellen (Qur’an und Sunna) gibt es zwar zahlreiche Prinzipien und Praktiken, die einen ethischen Umgang mit der Schöpfung und konkretes Umwelthandeln (u.a. Naturschutz, Wasserschutz) berühren und anschlussfähig wären für eine Entwicklung von Öko-Islam.

Umweltschutz in seiner komplexen Ursache-Wirkungsbeziehung – denken wir nur an die globale Erderwärmung und den Klimaschutz – erschließt sich eher kaum aus dem qur’anischen Islam; eher noch punktuell aus dem Vorbild des Propheten. Umweltschutz ist aber vielmehr ein Thema praktischer Vernunft und der Erkenntnis mit dem Ziel des Gemeinwohls. Dessen Wahrung und Entwicklung jedoch ist islamisches Gebot.

Die Bewahrung der Schöpfung ist im Qur’an genau so wenig wie in der Bibel ein Leitthema, denn zur Zeit der Textgenese war die faktische Einwirkung des Menschen auf die Umwelt – im Vergleich zu den heutigen Dimensionen – eher gering. Gleichwohl gab es massive Probleme – aber wohl eher ohne Problembewusstsein: die paläolithische Ausrottung von Mammut, Wollhaarnashorn, Höhlenbär, Riesenhirsch und anderen eiszeitlichen Großsäugern, wie oben in der Frage angedeutet, sowie die römische Entwaldung perimediterraner Räume für (Schiff-)Bauholz; dies aber mit bereits gravierenden regionalen Folgen des Klimawandels und der Agrarbedingungen.

Wir müssen also heute nach Argumenten für die Schöpfungsbewahrung im Qur’an geradezu suchen. Dies ist aber Gebot, denn der Qur’an entfaltet seine Wirkung überzeitlich. Die Entwicklung einer schöpfungsorientierten Blickweise – wenn nach ihr Bedarf besteht – steht weitgehend für den Islam in Deutschland aus. Hier kennt jeder Muslim bereits ein zentrales Hadsch-Gebot: im Ihram, also während des Weihezustandes auf der Pilgerfahrt nach Mekka, darf man keine Pflanzen pflücken oder Tiere jagen. Das Sich-selbst-Zurücknehmen wird jährlich im Ramadan eingeübt. Die Sozialabgabe (Zakat) knüpft begrifflich an die Pflicht an, sein Einkommen als Gottesgabe erst dann sich aneignen zu dürfen, wenn man es durch Teilen zugunsten von Bedürftigen „gereinigt“ hat.

In den „modernen“ Gesellschaften dominiert nicht die Erwartung, als höchstes Glück eines jüngsten Tages Gottes Angesicht teilhaftig zu werden; hier stellt sich das „Glück“ durch erfolgreiche Teilhabe am weltlichen Konsum ein. Wie schlimm, dass so viele Muslime im Lande sich auch hier hinein integrieren! Heißt es doch im Qur’an in der Sure Al-Takatur (Das Streben nach Mehr):

Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen
Das Streben nach Mehr lenkt euch ab, bis ihr die Gräber besucht.
Aber nein! Ihr werdet es bald erfahren.
Wiederum: Aber nein! Ihr werdet es bald erfahren.
Aber nein! Wenn ihr es nur mit Gewissheit wüsstet! Ihr werdet das Höllenfeuer sehen.
Doch, ihr sollt es noch mit dem Auge der Gewissheit sehen.
Dann werdet ihr, an jenem Tage, nach dem Wohlstand befragt.

Klarer ist aus Qur’an und Sunnah das Gebot der Gerechtigkeit abzuleiten, hier als Anspruch des gleichen allgemeinen Zugangs zu den natürlichen Ressourcen, die wir als Gabe des Schöpfers zu unserem Wohle auffassen dürfen. Dazu gehört horizontale Gerechtigkeit, also zwischen den Menschen heute; mehr noch: Gerechtigkeit in der Zeitachse, also zwischen den Generationen. Im hiesigen Kontext als Nachhaltigkeit bezeichnet, ein frühneuzeitlicher Leitgedanke der deutschen Forstwirtschaft. Generationengerechtigkeit: im Islam lässt sich anknüpfen an das wiederholte qur’anische Verbot des Verbrauchs des Vermögens von Waisenkindern durch Pflegeeltern. Bei näherer Betrachtung finden wir, dass das islamische Familienrecht vorrangig auf die Existenz- und Identitätssicherung der je nachwachsenden Generation, also der Kinder, abstellt. Die Entwicklung der öffentlichen Haushalte lehrt uns, dass unsere Generation jetzt schon auf Kosten der Enkelkinder lebt; die Bankenkrise, eigentlich nur ein Fenster in die Krise der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, hat dies überdeutlich gemacht. Das Zinsverbot im Islam ist ein starkes Argument in der finanzwirtschaftlichen Ausrichtung der Gesellschaft im Hinblick auf mehr Generationengerechtigkeit.

Wenn also der Islam in Deutschland und der „modernen“ Welt etwas zum Umweltschutz beitragen kann, dann ist es vielleicht dieser Gedanke der Generationengerechtigkeit, der als Leitbegriff weiterzuentwickeln wäre. Dies betrifft die nachhaltige Bewirtschaftung erneuerbarer Ressourcen (Holz, Wasser, Landwirtschaft und Fischerei, aber auch Atemluft), aber ebenso die vorausschauende Sicherung der Verfügbarkeit fossiler Ressourcen nach Menge, Wirtschaftlichkeit und Zugang: Öl-Gas-Kohle, Erze, Steine und Erden. Dazu gehört auch die sichere Verwahrung atomarer Hinterlassenschaft.

Gerechte Verteilung knapper Güter
Der Islam nahm seine geschichtlich geographische Entwicklung aus überwiegend ariden Gebieten. Wasser ist Lebenselixier und knapp. Seine Bewirtschaftung, also Gewinnung, gerechte Verteilung, Reinhaltung und sparsame Nutzung als Trinkwasser, besonders aber für die Landwirtschaft stellt stets eine außerordentliche Herausforderung dar. Rechtsgeschichtlich betrachtet, stellt sich das Wasserrecht als das älteste und regional bis heute tradierte Rechtsgebiet der Menschheit dar. Das Wasserrecht wiederum zählt zum Kernbereich des Umweltrechtes. Der Islam hat eigene Rechtselemente mitgebracht und in den Ländern existierende Rechtsordnungen und Technologien übernommen und weiterentwickelt. Zentral ist – neben Reinhaltungsgrundsätzen – die Regelung, wonach Wasser Gemeingut ist und nicht gehandelt werden darf: ein äußerst aktuelles Thema weltweit, aber zur Zeit auch in Impulsen einer diesem zuwider laufenden europäischen Gesetzgebung.

Überragende Beispiel der orientalischen Wasserwirtschaft sind die zum guten Teil noch heute bewirtschafteten Bewässerungsanlagen im maurischen Andalusien, besonders aber die Qanate im Iran. Diese mit unzähligen Lichtlöchern und ausschließlich mit Schlegel und Eisen bzw. Hacke, Kratze und Trog vorgetriebenen „Wasserläufe“ (bergtechnisch für horizontale Stollen zur Wasserführung) entnehmen natürlich gespeicherte Sickerwässer der Schuttfächer von Gebirgsfüßen und führen das i.d.R. ganzjährig verfügbare Wasser als Trink-, Kraftwasser und für die landwirtschaftliche Bewässerung über oft dutzende von Kilometern unter verflachendem Terrain bis in die Siedlungen bzw. Städte. Die Qanate sind mit z.T. 5.000 Jahren weit älter als der Islam, ihre Technik und Bewirtschaftung wurden übernommen und bis heute unverändert weitergeführt. Ein altes Beispiel ist das Qanat von Gonabad, mit einem Mutterbrunnen von 350 m Tiefe und einem Alter von über 2.500 Jahren. Zum Vergleich: der berühmte Ernst-August-Stollen im Westharz (fertiggestellt 1864) misst samt Flügelörtern gut 30 km, etliche Qanate im Iran messen über 60-100 km!

Hinter Verteilungsgerechtigkeit und Generationengerechtigkeit steht als Ziel der gute alte deutsche Begriff des Gemeinwohls. Als maslaha kommt es im Kontext des islamischen Rechts vor, ja, es ist hier auch als Handlungsgebot zu verstehen. Dies korrespondiert mit dem qur’anischen Verbot der Verschwendung. Damit hätten wir drei starke islamische Triebfedern eingegrenzt: Schöpfungsbewahrung, Generationengerechtigkeit und Gemeinwohl. Eine reine oder anteilige Orientierung an „Natur“, also Natur als Ersatzreligion, ist Schirk!

Umweltästhetik
Natur, heile Natur, die reine Schöpfung ist uns Menschen mit ihrem Sinn für Ästhetik auch stets ein Ort von Schönheit: Wälder, alte Bäume, Seen, der Strand und die Felsen, Berge und Flussauen, artenreiche Grassteppen, Dünen, der Dschungel und die Wüsten, das ewige Eis, die Farben und der Duft der Blumen und Blüten: all dies bezeugt in ihrer Schönheit, Lieblichkeit und Gewaltigkeit den Schöpfer. Der Mensch bedarf solcher Orte und solcher Momente für die Hygiene seiner Seele. Sie verkommt in der Betonwüste. Natur- und Artenschutz, Landschafts- und Naturdenkmalschutz und damit auch die Vorsorge für die Erholung des Menschen in der Natur fallen zutiefst in die Vorstellungswelt des Islam. Man betrachte nur die Szenerien iranischer oder osmanischer Miniaturmalerei, die Vierzeiler Omar Khayyams, das Mathnawi von Rumi, die Kunst und Tradition der Gärten: realiter oder virtuell – auf Teppichen.

Zurück in den Alltag
Den Muslimen in ihrer Mehrheit in Deutschland fehlen in Bezug auf den Umweltschutz weitgehend identitätsstiftende Vorbilder innerhalb ihrer Community. Solche müssen wachsen. Umweltschutz stand – auch infolge der sozialen Genese der muslimischen Gemeinschaften in Deutschland – nicht auf der Agenda der Verbände oder Ortsmoscheen. Auf die Agenda ist aber im Zuge der Integrationsdebatte und des Nachrückens der nachwachsenden Generation in das Bildungsbürgertum hinein das Gebot der Partizipation in zivilgesellschaftlichen Einrichtungen – mithin auch solcher des Umweltschutzes – getreten. Als gläubige Bürger können sich Muslime in vielen solchen Organisationen beteiligen und gute eigene Ideen und Werte einbringen. Auch soweit sie Migranten sind, sind sie nicht Menschen, die noch an einer Religiosität festhalten; als Gläubige handeln sie in dieser Gesellschaft aus ihrer Verantwortung vor Gott, durchaus im Sinne der Präambel des Grundgesetzes. Hierzu die Muslime und ihre Jugend zu erziehen, das ist eine exzellente Aufgabe im Spannungsfeld zwischen öffentlichen Bildungsträgern, Landesverband und Mitgliedgemeinden.

Was könnte Schura Niedersachsen für einen grünen Islam in Niedersachsen leisten? Gäbe es etwa Leuchtturmprojekte? Ziel wären vorrangig Bildung und daraus abgeleitet eine Partizipation von Muslimen und ihren Gemeinden mit Umweltverbänden:

Ausloten der Potentiale für einen „Grünen Islam“ im Kontext der derzeit laufenden Verhandlungen der muslimischen Verbände mit dem Land über den Abschluss eines Staatsvertrages.
Entwicklung eines umfassenden Halal-Gedankens in Bezug auf die Ernährung und ihre Produktionsbedingungen: „Jeder Ort ist ein Schlachthaus und jeder Tag ist Ramadan!“ könnte man in Anlehnung an eine andere islamische Parole ausrufen. Das heißt: eine sozial, umwelt- und gesundheitsgerechte Ernährung über das ganze Jahr – auch im Sinne von Enthaltsamkeit – und tierschutz-, flächen- und klimaschutzorientierte Fleischproduktion und ein ebensolcher, durch Zurückhaltung geprägter Fleischkonsum. Strikt halal geschächtet, aber voller Masthormone, Schadstoffe und transportbedingten Leidens? Viel Fleisch – Wohlstand – man ist angekommen! Rund um die Uhr in jedem Supermarkt die viele Meter lange Kühltheke mit billigem Fleisch und z.T. undurchsichtigen Fleischprodukten. So etwas hat es in der ganzen Geschichte der Menschheit noch nie gegeben! Morgens den Schalter mit bismallah umgelegt und zigtausend Hähnchen laufen bis Feierabend durchs nach Mekka ausgerichtete Elektromesser: halalzertifiziert, aber was hat dieser Fleischrausch mit Islam zu tun? Sollten wir nicht – als Vorbild für die ganze Gesellschaft – die Ernährungsweise des Propheten (s.a.s.) vorleben, der auch in guten Zeiten seinen Magen nie ganz füllte: „Ein Drittel Essen, ein Drittel Trinken, ein Drittel Luft“. Wie oft hat unser gesegneter Prophet überhaupt Fleisch gegessen, der uns doch sonst in allem als Vorbild gilt?
Schächtverbote in Deutschland führen zu unnötigen Tiertransporten, deutsche Schafhalter unterliegen der neuseeländischen Konkurrenz, überschüssiges, aber natur- und artenschutzwürdiges Grünland bedarf der Beweidung; hier sollten niedersächsische Schafzüchter und muslimische Verbraucher an einem Strang ziehen; sie haben gemeinsame Interessen!
Verbandsintern kann der Umweltschutzgedanke, auch durch Berufung eines/einer Umweltbeauftragten im Vorstand fest institutionalisiert werden, wie dies schon seit vielen Jahren bei den Kirchen bewährte Praxis ist.
Rahmenvereinbarungen mit Umweltverbänden mit Rückkopplung an die Schura-Mitglieder, also die Moscheevereine, zur Entwicklung von Modellprojekten und zur Umweltbildung.
Dazu kann auch die modellhafte Entwicklung einer „grünen“ Moschee gehören, etwa als zukünftige großstädtische zentrale Haupt- oder Freitagsmoschee. Umweltschutz findet draußen statt: Muslime in der Zuwanderungsgesellschaft leben extrem urban. Exkursionen in die niedersächsische Landschaft, also qualifizierte Führungen zu Natur, Umwelt, Heimat und regionaler Geschichte für alle Generationen sind hilfreich. Wo sie stattfinden, ist das Echo stets positiv.
In der islamischen Tradition hat die Gartenbaukunst hohen Stellenwert; hier ist – gerade auch für Menschen aus agrarischem Milieu – ein weites Betätigungsfeld. Gute Erfolge liegen ja mit internationale Schrebergärten vor: Integration und Umweltinformation beim Plausch überm Gartenzaun.
Schon banal ist die Vermittlung haushaltsnaher Alltagsinformationen: Infos und Beratung etwa über Mülltrennung (Grüner Punkt), Wasser- oder Energieeinsparung (Drosseln, Heizungsventile) kommen besser an, wenn sie mehrsprachig vorgelegt und in die Tiefe der Haushalte – gern auch durch Auslage in Moscheen – verteilt werden.

Vorweg stand meine These: Wir brauchen keinen Öko-Islam in Deutschland! Damit wollte ich überzogene Hoffnungen dämpfen. Aber wir brauchen Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen. Mir gab dies vor 25 Jahren ein Buch des britischen Paläontologen Dougal Dixon: „After Man“, in dem der Autor die Entwicklung der Stammbäume und Arten nach dem Aussterben der Hominiden recht linear fortschrieb. Damit kommen wir zur Übereinstimmung mit dem Qur’an: Der Mensch ist nur ein Teil, ein austauschbarer Teil der Schöpfung. Vögel, Pflanzen: Alles hat sein Gebet. Damit sagt Gott auch: wir können Sein Schöpfungswerk nicht vernichten, nicht beeinträchtigen. Seine Schöpfung ist größer. Wenn es die Menschen eines Tages nicht mehr gibt: nichts, aber auch gar nichts wird im ganzen Universum davon Notiz nehmen. Der wahre Islam kennt kein anthropozentrisches Weltbild. Der Mensch steht nicht im Mittelpunkt der Schöpfung und ist nicht Ziel der Schöpfung, ist nicht Gottes Abbild. Gott sagt im Qur’an sinngemäß: Wenn ihr Menschen versagt, ersetze Ich euch durch eine andere Schöpfung. Nur eine Statthalterschaft wird erwähnt, unsere Aufgabe ist es, in dieser die Pflicht zur Verantwortung und zum Respekt vor der Schöpfung zu sehen, aus Liebe zum Schöpfer.

Wir sehen, Islam ist ein Kern von Umweltschutz. Dessen Umsetzung in konkretes Umwelthandeln beruht aber auf den besonderen Geschenk Gottes an die Menschheit: der Vernunft. Deshalb habe ich – um am Beispiel der Bewältigung des sansibarischen Dynamitfischens in tropischen Korallenriffen zu bleiben – „Bauchschmerzen“, das bessere Handeln aus konkreten und im islamischen Recht fixierten Begriffen festzumachen, hier wird aus der Vernunft abgeleitetes Handeln sekundär im Islam eingeordnet. Der Islam wird zum Vehikel; die Umsetzung wird den Ulema als örtlichen Multiplikatoren schmackhaft gemacht, wenn man ihm nur viel islamischen „Stallgeruch“ verleiht. Wenn es der Umwelt zuliebe funktioniert, dann soll es im Einzelfall so sein. Mir scheint der Islam dort vergewaltigt, wo wir das klare Sprechen aus Erkenntnis und Vernunft hintanstellen.

Denken und Handeln aus Vernunft bedarf eines soliden Fundaments aus Wissen, mithin Bildung. Bildung ist die Voraussetzung für eine innere Freiheit im Denken zur Erlangung von Erkenntnis, religiöser wie wissenschaftlicher. Bildung ist ein Menschenrecht. Der Islam aber stellt nicht nur auf Rechte ab, er kennt auch Pflichten. Bildung ist im Islam eine Pflicht, für die Gemeinschaft und jedes Individuum.

Ob das umweltwidrige Handeln haram – oder im Deutschen gar Sünde – ist und wie es im theologischen Diskurs mit Folgen belegt ist, das wäre eine Aufgabe von Forschung. Hier einen Weg umwelttheologischer Rechtfertigung für Deutschland zu finden, das wird eine reizvolle Aufgabe für die neu eingerichteten Lehrstühle für Islamische Studien, etwa in Osnabrück, Münster, Frankfurt oder Tübingen.

„Noch heutigen Tages verlässt der Iranier, sooft er nur kann, die Stadt und lässt sich in der weiten, sandfarbenen Ebene, die für ihn das Land darstellt, mit einem neuen Teppich und einem Samowar an einem Bächlein nieder. Wenn er dann in seinem Garten aus Wolle, dem einzigen farbigen Flecken weit und breit, neben seinem dampfenden Wasser sitzt und Gedicht von Hafiz rezitiert, möchte er mit niemandem auf der Welt tauschen.“ (A. Godard: Die Kunst des Iran.;Berlin 1964; S. 171.)

Ägypten: Kerry schlägt neue Regierung vor

„Nicht willkommen“, so hieß es auf Plakaten, die zahlreiche Demonstranten dem neuen US-Außenminister John Kerry in Kairo entgegenhielten.

Kairo (dpa/iz). Der neue US-Außenminister John Kerry forderte bei seinem Antrittsbesuch in Ägypten – einem Schlüsselverbündeten der USA in der Region – die regierenden Muslimbrüder auf, einen Schritt auf die so genannten „säkularen“ Parteien zuzugehen. Der Opposition riet er, sich an der für April geplanten Parlamentswahl zu beteiligen. Er sagte nach einem Gespräch mit Außenminister Mohammed Amr: „Ich möchte betonten, dass ich nicht gekommen bin, um mich in ägyptische Angelegenheiten einzumischen, sondern um unsere Meinung darzulegen.“

Seit den fünfziger Jahren gibt es Gerüchte über eine Zusammenarbeit zwischen CIA und der Bewegung. Ägypten gilt als wichtigster strategischer US-Partner in der Region und hat eine Schlüsselstellung für die Sicherheit Israels. Heute argumentieren Beobachter wie der Journalist William Engdahl, dass die „Demokratisierung“ Ägyptens mit Hilfe der Bruderschaft Teil einer umfassenden Strategie Amerikas ist.

//2l//Laut Informationen der arabischen Zeitung „Al-Sharq Al-Awsat“ schlug Kerry während seines Aufenthalts in Kairo außerdem die Bildung einer Einheitsregierung unter Beteiligung der Opposition vor. Fast alle liberalen und linken Parteien wollen die Wahl boykottieren, der am 22. April beginnen soll. Sie kritisieren das Wahlgesetz und befürchten, dass die Muslimbrüder die Wähler mit „Geschenken“ manipulieren werden.

Über die politische Zerrissenheit Ägyptens hinaus ist das größte Problem des Landes am Nil die immer noch ungelöste Wirtschaftslage, einer der Faktoren, die überhaupt den Aufstand gegen Ex-Diktator Mubarak motivierten. Damals mussten die einfachen Ägypter rund 40 Prozent ihres monatlichen Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Die Präsidentschaft von Mohammed Mursi könnte an der Unzufriedenheit der Massen über weiter steigende Lebensmittelpreise scheitern.

//3r//Beobachter gehen davon aus, dass die ökonomische Zwangslage von Mohammed Mursi dessen Handlungsspielraum extrem einenge. Insbesondere, weil Ägypten nach den Worten Mursi dringend auf einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds über 4,8 Milliarden US-Dollar angewiesen sei. Sollte die Kreditvereinbarungen nach den kommenden Parlamentswahlen im Sommer abgeschlossen werden, steht zu befürchten, dass der Einfluss der internationalen Finanzinstitutionen auf die Wirtschaftspolitik Ägyptens noch wesentlich weiter steigen werden.

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Auch Muslime kennen den Blues

„Ich bin die Wurzel und der Stamm. Ihnen bleiben Zweige und Blätter.“ (Der verstorbene Musiker Ali Farka Touré aus Mali)
(iz). Die seltene Gelegenheit nutzend, in Sachen Musik keine Rücksicht auf die Kinder nehmen zu müssen, legte ich eine CD des unvergleichlichen Otis Taylor ein. Inmitten des tief bewegenden Stückes „10 Million Slaves“ merkte meine Frau plötzlich an, dass ihr diese Art Musik seltsam bekannt vorkäme. Das Ganze klinge entfernt an Gnawa-Musik ihrer Geburtshei­mat, eine Tradition, die Schwarzafrikaner nach Marokko brachten, als das Sultanat seine Macht in Richtung Mali und afrikanischer Küste ausweitete.
So mancher Witzbold meint zwar, die Sachsen hätten den Blues erfunden, jene Musik, die Bilder des schwarzen Südens der USA und unterdrückten Menschen erzeugt. Es ist wahr, die Mundharmoni­ka kam aus den Musikwerkstätten des sächsischen Vogtlandes in die Neue Welt. Aber das war’s auch schon. Nicht, dass man nicht im Sachsen vor 1989 ausreichenden Grund für den Blues gehabt hätte.
Folgt man den Spuren dieser Musik in die Vergangenheit, gibt es mehr als lose Fäden, die einen von den Sklavenge­bieten des tiefen Südens, einer tristen Realität, in der die Menschen alle Lebensfreude brauchten, um ihre Sklaverei zu überstehen, nach Westafrika und über den arabischen Westen bis auf die arabische Halbinsel führen. Vom Klang, über die Art zu singen bis hin zu Instrumenten: Es gibt im amerikanischen Blues genug Parallelen zu den kulturellen ­Traditionen westafrikanischer Muslime, als dass man sie einfach so übersehen könnte.
Vor einigen Jahren produzierte die BBC mit Al Jazeera eine ­Dokumentation über den Islam in Amerika. Interessanter­weise findet sich darunter auch ein Segment, das den faszinierenden muslimischen Wurzeln gewidmet ist, die dieser einflussreichen Musiktradition zu eigen sind. Ein Viertel der, ab dem 17. Jahrhundert nach Nordamerika gebrachten Sklaven waren Muslime, die geheime Wege finden mussten, um ihren Islam zu bewahren. Der Bluesmusiker Abdul Rashid, der vor langer Zeit zum Islam fand, zeigt sich in dem Bericht überzeugt, dass sie dies auch durch Musik taten.
„Die Sklaven brachten die Musik nach Amerika. Man sagt, der Blues sei in Mississippi entstanden, aber das glaube ich nicht“, erklärt er gegenüber dem Fragesteller. Selbst in den Gesängen der schwar­zer Baptistengemeinden (die im 19. Jahrhundert gegründet wurden, nach­dem die Baptisten Sklaven ausschlossen) sei das islamische Erbe noch zu finden. Die dortige Art des Singens habe offenkundige Parallelen zum ‘Adhan, dem Gebetsruf. „Die tief angelegte Tradition der Schwarzen im Süden für das Singen war eines der Dinge, die mich zum Islam geführt haben.“ Überhaupt, der ganze Blues sei eine spirituelle Bewegung, an deren Ende als Abschluss der Islam stehe.
Auf muslimvoicesfestival.org findet sich eine kleine Tonspur, auf der ein Gebetsruf aus der Arabischen Halbinsel mit einem kurzen Bluesgesang verglichen werden. Dass dieser ähnliche Klang kein Zufall sein kann, glauben auch die Betreiber des International Museum of Muslim Cultures [die IZ berichtete in Ausga­be 107 & 167] in Jackson, Mississippi.
Viel mehr Muslime seien Sklaven gewesen, als man früher angenommen ha­be, sagte eine Mitarbeiterin. Man kön­ne von sehr vielen unglücklichen Menschen ausgehen, die über den Atlantik zum Frontdienst in den britischen Kolonien, und später in den USA verschleppt wurden.
Die Autorin Sylviane A. Diouf vom Schomburg Center for Research in Black History, erklärt das Eingangszitat von Touré: Der „Stamm“ ist die Sahelzone, jenes enorme muslimische Gebiet vom Senegal bis zum Sudan, wohingegen die „Zweige“ die Vereinigten Staaten seien. Die dort lebenden Menschen hätten seit dem 8. Jahrhundert mit den Arabern und Berbern Afrikas in Kontakt gestanden und der Islam habe sich unter ihnen seit dem 11. Jahrhundert ausgebreitet. Dabei sei es auch zu einem Kulturaustausch gekommen.
Die Menschen übernahmen bestehen­de arabisch-islamische Musikstile und „verwandelten sie in etwas, das ihnen vollkommen zugeeignet war. Zur gleichen Zeit sehr ähnlich, und doch sehr verschieden“, schreibt sie in einem erhellenden Aufsatz zum Thema. Die deportierten Afrikaner brachten diese Musik, Rhythmen und Instrumente aus Nordafrika nach Amerika, wo sie einen fruchtbaren Boden vorfanden. Die muslimischen Sklaven hätten ihre Musiktraditio­nen leichter bewahren können als andere. Den Geknechteten wurden Trommeln – aus Furcht vor der Verbreitung geheimer Botschaften – untersagt. Traditionellerweise benutzt die Musik aus dem Sahel Saiten- und Blasinstrumente, während die anderen an der Ausübung ihrer Musik behindert waren.
Nach Ansicht von Diouf habe sich der Blues nicht zufällig im „tiefen Süden“ entwickelt. Was die Traditionen des Sahels so anders mache als die Musik der Karibik oder des restlichen afrikanischen Raumes, sei die „Gegenwart arabisch-islamischer Stilelemente“. Diese fänden sich in den Techniken des Spiels, den Melodien und in der Art des Gesangs. „Selbst das ungeübte Ohr erkennt die Ähnlichkeiten zwischen Blues und der islamisch-beeinflussten Musik Westafrikas. Aber die Parallelen zwischen dem Blues und der Qur’an-Rezitation sind ebenfalls sehr stark. Und auch beim Ruf zum Gebet.“
Interessanterweise ist es auch ein deutscher Musikwissenschaftler, Professor Gerhard Kubik, der zu vergleichbaren Ergebnissen kommt. Kubik ist der An­sicht, dass viele der heutigen Blues-Sänger unbewusst diese arabisch-muslimischen Muster in ihrer Musik wiederholen. „Viele Eigenarten, die bisher als ungewöhnlich, fremdartig und nur schwer für frühere Musikwissenschaftler zu deuten waren, können jetzt besser als eine Verwandlung der arabisch-islamischen Stilelemente verstanden werden.“ Trompeter – und Muslim – Barry Danielian, so berichtet Autor Jonathan Curiel, „hat die Erfahrung gemacht, dass viele Nichtmuslime diese Verbindung selten nachvollziehen können“. Das liege aber daran, dass sie wenig über muslimische oder arabischer Musik wüssten.
Der atlantische Handel mit afrikanischen Sklaven führte dazu, dass mindes­tens 10 Millionen Menschen in die nordamerikanische Leibeigenschaft verkauft wurden. Ihr Schmerz und ihr Versuch, trotz allem menschlich zu bleiben, fand eine Form im Blues. Es entstand dabei ein urtümlicher Ausdruck, entgegen einer ständigen Tyrannei die innere Freiheit und Freude nicht ganz zu verlieren – ja, überhaupt am Leben zu bleiben.
Vielleicht kehrt diese Reise durch die Zeiten und Kontinente ja an ihren Ur­sprung zurück. Weiß Gott, es gibt in vielen Ländern der muslimischen Welt ein ausreichendes Bedürfnis nach einer le­bensbejahenden Freude, die das Herz vitalisiert.

IZ-Debatte Doppelpass: Nicht der Doppelpass ist das Problem, sondern der Geist hinter der Kampagne. Von Sulaiman Wilms

(iz). Wie bei so vielen Diskussionen geht es auch beim The­ma der doppelten Staatsbürgerschaft nicht um den Gegenstand der Debatte, sondern um das, was unausgesprochen bleibt. In Zeiten der grassierenden Pawlowschen Reiz-Reaktions-Kultur muss das Selbstverständliche ­leider immer betont werden. Eine kritische Haltung ist per se noch kein Hinweis auf eine „weiß-“ oder „bio-deutsche“ Einstellung (wie ein eher einfach begabter Geist meinte).

Einer der problematischeren Aspekte, zumindest soweit es die Schnittmenge aller praktizierenden Muslime betrifft, ist die Gleichsetzung von Fragen, die einerseits den Islam und die Muslime betreffen, mit solchen, die andererseits unter den schwammigen Themen „Migration“ und „Integration“ subsumiert werden. Gewiss, wir operieren hier nicht mit abstrakten Größen, sondern mit Menschen, deren konkrete Lebenswirklichkeit viele Aspekte umfasst. Darunter befinden sich natürlich auch viele ­Muslime, die tatsächlich beide Staatsbürgerschaften haben, haben wollen oder aus dringenden Gründen haben müssen.

Es ist aber ein schwerwiegender ­Fehler, wenn beide Dinge gleichgesetzt werden und sich die muslimische Community beispielsweise für das unannehmbare Verhalten kleinkrimineller Jugendliche zu rechtfertigen hat. Und es ist ein wesentlich weitreichenderes Problem, wenn sich Organisationen und Moscheeverbände – die de facto den Anspruch erheben, den Islam und die Muslime zu vertreten – gleichzeitig eine identitäts-orientierte Politik als Interessenverband von „Migranten“ betreiben. Dass sie dadurch die multi-ethnische muslimische Community auf einen monokulturellen Teil reduzieren, scheint ihnen nicht bewusst zu sein. Oder es kümmert sie nicht.

Sprächen wir hier über den reinen Verwaltungsakt einer doppelten Staatsbürgerschaft beziehungsweise über die Ungleichbehandlung unterschiedlicher Men­schengruppen, dann erübrigt sich eine Diskussion. Die absolute Mehrheit der jungen Menschen, die in den nächsten Jahren vom Ablauf der bisherigen Optionslösung betroffen sind, würde nach Angaben der Deutschen Pressagentur sowieso für die deutsche Staatsbürgerschaft optieren.

Einer der großen Fehler der Identitäts-Politik (von Argumenten aus der islami­schen Lehre abgesehen) ist, dass sie ­reale oder imaginierte Ausgrenzungserfahrungen übernimmt, diese Ausgrenzung also zum Maßstab des eigenen Selbstbildes macht. So wäre es falsch zu ­glauben, alle Muslime mit Migrationshintergrund verspüren überhaupt den Wunsch nach dem Doppelpass. „Ich beharre auf die doppelte Staatsbürgerschaft, weil es für einige Migrantengruppen selbstverständlich, für andere aber verwerflich und ein Indiz für mangelhaften Integrationswillen ist“, begründete eine junge Frau ihre Position im Rahmen einer Debatte. „Die neue Generation, die dritte, braucht es nicht und wird es später mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht haben wollen… Die erste und zweite hat aber noch viel mit beiden Ländern zu tun… Ist das ein Problem für Deutschland, es zumindest noch eine Generation zu erlauben?“, relativiert ein junger Muslim. Es gibt aber eben auch andere – vermeintlich Betroffene –, die abwinken: „Die Türkei hat in den letzten zehn Jahren ihre Gesetzgebung den euro­päischen Normen angepasst. Als Deutsch­türke mit deutscher Staatsangehörigkeit habe ich das Recht, zum Beispiel ein Erbe anzutreten, zu arbeiten oder mich nieder­zulassen. Es gibt keine Einschränkungen. Der türkische Pass ist nur ein Stück ­Papier.“

Wenn wir das Objekt der Begierde hinter uns lassen, verschwimmt die Motivlage. So hat eine mono-ethnisch Fokussierung in den letzten Monaten inner­halb der Community zugenommen. Und mehr als eine türkisch-muslimische Fraktion betreibt gerade mehr als nur ein halb- oder vollkommerzielles Medienprojekt. Bei diesen steht nicht das Muslim-Sein im Vordergrund, sondern der „Migrant“ oder der „Türke“. Einige Beo­bachter glauben gar, dass der ursächliche Impuls für die Re-Ethnisierung durch den inner-türkischen Machtstreit zwischen AKP und der Gemeinde von Fethullah Gülen motiviert ist.

Weitere Aspekte dieser Kampagne – wie die programmatische Verlängerung der ethnischen Identität über ihre natürliche Halbwertszeit hinaus – erschweren es außerdem, das Projekt einer über-ethnischen Community voranzutreiben. Die lautstarke Forderung nach diesem staatsbürgerlichen Hintertürchen reduziert den Druck auf Politik und Öffentlichkeit, die muslimische Gemeinschaft endlich voll anzuerkennen und ein vernünftiges Verhältnis zu ihr zu schaffen. Zumal das Missverständnis aufrecht­erhalten wird, wonach der Islam eine Religion von „Fremden“ sei. Und sie bekräftigt jene irrigen Vorurteile, Muslime in Deutschland würden vor ­allem Forderungen stellen. Es geschieht sicherlich nicht bewusst: Aber so werden Bemühungen unterminiert, dass sich die Muslime als vollständiger Teil dieses Landes verstehen.

Für die muslimische Community – persönlich wie kollektiv – sehe ich vor allem Nachteile in solchen und anderen Kampagnen. Ein Sufi-Schaikh sagte einmal, dass das menschliche Herz keine widerstrebenden Leidenschaften beherbergen kann.

Wie sollen muslimische Kinder (die längst keinen Migrationshintergrund mehr haben) eine fest ­verortete muslimi­sche Identität entwickeln, wenn sie nicht einmal wissen, wo sie daheim sind? Bereits in der Vergangenheit ­mussten viele junge Muslime unnötige Konflikte bestreiten, bis sie die Möglichkeit erkannten, dass sie auch als Deutsche Muslime sein können.

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Alltag der Muslime: Wie gehen wir mit ethnischen Identitäten um?

„O ihr Menschen, Wir haben euch ja von einem männlichen und einem weiblichen Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt.“ (Al-Hudscharat, 13) […]

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Wechselhafte Winde: Pakistans Gegenwart, Zukunft und Imran Khan

(iz). In Pakistan ist der Wahlkampf in vollstem Gange. Und die Unruhe, die in der politischen Atmosphäre dieses Landes die Norm ist, nimmt dementsprechend zu. Neue Charaktere ­haben die Bühne […]

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